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Was sich am lesbischen Kino dringend ändern muss

Foto: freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Guy Ferrandis/SBS Productions
„Benedetta“ (2021)
Als sich die 74. Filmfestspiele von Cannes letzten Monat dem Ende zuneigten, sorgte vor allem ein Film für eine wilde Debatte und neugierige Unterhaltungen: Benedetta, das neueste Werk des provokanten Regisseurs von Showgirls und Basic Instinct, Paul Verhoeven. Der Film, der in einem Nonnenkloster des 17. Jahrhunderts spielt, weist alle Merkmale einer Verhoeven-Produktion auf: Blut, Gewalt, religiöse Blasphemie und Sex, sehr viel Sex. Im Gegensatz zu seinen anderen Filmen finden die Sexszenen in Benedetta jedoch zwischen zwei Frauen statt, genauer gesagt: zwischen zwei Nonnen. Deren „Liebes“-Geschichte handelt aber weniger von ihrer Selbstfindung als queere Personen, als vielmehr von einer Sammlung grafischer sexueller Begegnungen, für die sie sich ständig und intensiv bestrafen. Die Darstellerinnen dieses Films sind so aufgetakelt und gestylt, als wären sie einer lesbischen Pornofantasie entsprungen (sogar ihre Schamhaare sind tadellos zu ordentlichen Dreiecken geformt). Als sie in einer Szene Oralsex haben, wirkt es so, als hätten sie jahrelange Erfahrung darin. In einer anderen Szene benutzen sie eine Marienstatue als Dildo.
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Lass uns doch einfach mal sagen, dass Intimitätskoordinator:innen offensichtlich nicht im Rahmen des Filmbudgets waren.
Aus Gründen, die mir und vielen anderen queeren Frauen unbekannt sind, hielt es Verhoeven, ein 83-jähriger heterosexueller Mann, für sein gutes Recht, eine lesbische Liebesgeschichte (eine wahre noch dazu, denn der Film basiert auf dem Buch Immodest Acts von Judith Brown, das sich dem Leben einer lesbischen Nonne im Italien der Renaissance widmet) und eine lustvolle sexuelle Fantasie zu kreieren. Diese scheint für das Publikum gedacht zu sein, dessen Meinung ihm am wichtigsten ist: für andere Heteromänner. Er ist nicht der erste Regisseur, der das tut; Hollywood ist voll von Regisseuren, die sich gezwungen sehen, queere Frauengeschichten aus einer männlichen Perspektive zu erzählen. Ungehorsam, Kissing Jessica, Carol, First Girl I Loved – und sogar der neue Film Ammonite mit Saoirse Ronan und Kate Winslet in den Hauptrollen – sind allesamt Filme, in denen queere Frauen im Zentrum des Geschehens stehen, und bei allen führten Männer die Regie. Das soll nicht heißen, dass diese Filme nicht gut sind, denn viele haben namhafte Preise gewonnen und sind in ihren jeweiligen Genres sehr angesehen. Sehr beunruhigend ist es aber, wenn sich ein männlicher Regisseur einer lesbischen Thematik widmet und sich beim Schaffen keine Anleitung zur Hilfe holt. Das ist ein Muster, das im Kino viel zu oft vorkommt und von dem sich viele queere Frauen etwas anderes wünschen.
Warum entscheiden sich gerade männliche Regisseure wie Verhoeven dafür, queere Geschichten zu erzählen? Die eigentliche Frage ist, ob Regisseurinnen überhaupt die gleichen Möglichkeiten, Budgets und Unterstützung wie ihre männlichen Kollegen zur Verfügung haben. Es ist keine Neuigkeit, dass weiße Männer die Filmindustrie seit Generationen dominieren. Regisseurinnen mussten immer schon doppelt so hart arbeiten, um ihre Geschichten teilen zu können, und mussten sich in einem Konkurrenzkampf beweisen, dem Männer noch nie ausgesetzt waren. Im Jahr 2020 waren nur 16 Prozent der Regisseur:innen der 100 umsatzstärksten Filme Frauen, was einen neuen Rekord darstellt (2019 waren es 12 Prozent und 2018 bloß 4 mickrige Prozent). Kommt dann noch Queerness oder eine andere Hautfarbe als weiß hinzu, kannst du weibliche Regisseure an zwei Händen abzählen. Die gläserne Decke ist also eindeutig keine Sache der Vergangenheit. Wenn eine Frau bei einem lesbischen Film Regie führt, hat er selten denselben Erfolg wie Filme unter der Regie von Männern.
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Natürlich sollte die richtige Person für den jeweiligen Job eingestellt werden, aber die lesbische Erfahrung sollte nicht willkürlich behandelt werden. Als Minderheit werden queere Frauen seit Generationen gemieden, nicht nur von der Gesellschaft, sondern auch vom Kino. Queere Frauenfiguren werden entweder sexualisiert, in die Opferrolle gedrängt oder getötet. Selten wird ihnen ein Happy End gewährt, und selten stehen sie im Mittelpunkt der Erzählung. Das ändert sich zwar allmählich, aber Lesben und Frauen, die auf Personen stehen, die sich als Frauen identifizieren, sind auf der Leinwand immer noch weit seltener zu sehen als schwule Männer.
Foto: freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Moviestore/Shutterstock
„Blue Is The Warmest Colour“ (2013)
Wenn sie dargestellt werden, dann häufig aus einer männlichen Sicht. Von Männern inszenierte Sexszenen sind leicht an ihrem pornografischen Charakter oder ihrer unnötigen Länge zu erkennen. Lasst uns doch den Film Blue is the Warmest Colour, bei dem Abdellatif Kechiche Regie führte und der 2013 die Goldenen Palme gewann, als Beispiel herausgreifen. Dieser Film wurde von Kritiker:innen bejubelt und als Meisterwerk gefeiert. In gewisser Hinsicht ist er das auch: Die unangenehme und berauschende Erfahrung, sich zum ersten Mal zu verlieben, wird von den Schauspieler:innen authentisch dargestellt. Die Sexszenen sind aber nur mit Müh und Not mitanzuschauen. Die berühmte sechsminütige Scissoring-Szene kommt unglaublich erzwungen und nicht authentisch rüber. Damit ist dieser Film ein weiteres Beispiel für eine erste sexuelle Begegnung, bei der die Figuren viel zu viel Ahnung von dem haben, was sie tun, um glaubwürdig zu erscheinen. Julie Maroh, die Autorin des grafischen Romans, auf dem der Film basiert, bezeichnete die Darstellung in diesem Ausschnitt als „brutal und chirurgisch, überschwänglich und kalt“, eine Szene, in der „sogenannter lesbischer Sex zu einem Porno verwandelt wurde“.
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Ähnlich verhält es sich mit The Handmaiden, einer preisgekrönten koreanischen Verfilmung des Romans Fingersmith von Sarah Waters, die ich persönlich sehr spannend fand. Die anfängliche Sexszene zwischen den beiden Frauen wirkt jedoch wie aus einem Erotikfilm entnommen und enthält auch eine Menge Scissoring (männlichen Regisseuren zufolge die bevorzugte Stellung für Lesben).
Der erste Sex ist chaotisch – besonders als queere Frau. Körperteile sind ineinander verwickelt, Körper sind steif und es wird unbeholfen gekichert. Zum ersten Mal gehören: Anspannung, Nervosität und Herzklopfen in der Brust. Du weißt nicht, was du tust, und machst dir ständig Sorgen: „Mache ich alles richtig? Ist das okay so? Sollten wir vielleicht die Stellung wechseln? Ich hoffe, sie genießt das, was ich da gerade tue.“ Diese intime Erfahrung auf bloßes Gestöhne zu beschränken, das zur Befriedigung der männlichen Zuschauer ausgeschmückt wird, ist nervtötend und anstrengend. Lesben sind es leid, sexualisiert zu werden.
Später wurde bekannt, dass die berühmte Sexszene in Blue is the Warmest Colour zehn Drehtage in Anspruch genommen hatte und die Darstellerinnen am Ende traumatisiert und erschöpft waren und nie wieder mit dem Regisseur zusammenarbeiten wollten. Damit wurde deutlich, dass es bei der Diskussion über weiblichen Sex und Verletzlichkeit von Frauen im Kino nicht nur um die Darstellung ging, sondern auch um ein potenziell gefährliches Umfeld, in dem sich die Darstellerinnen unsicher fühlten. Nicht alle männlichen Regisseure sind so wie Kechiche (der einige Jahre später der sexuellen Nötigung beschuldigt wurde). Trotzdem kommt in diesem Zusammenhang so oder so die Frage auf, ob die Szene von einer weiblichen Regisseurin nicht vielleicht mit größerer Sorgfalt gehandhabt worden wäre.
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Glücklicherweise gibt es eine Menge lesbische Filme, die von Frauen geschrieben wurden, bei denen diese Regie führten und die dem Genre gerecht werden. Aber Weil ich ein Mädchen bin, Desert Hearts, My Days of Mercy, Pariah und Saving Face gehen alle sensibel und authentisch mit queerem Sex und solchen Beziehungen um. Das heißt nicht, dass lesbischer Sex auf dem Bildschirm nicht pervers oder erotisch sein kann – wie der Dreier zwischen Nat, Gigi und Alice in The L Word: Generation Q unter Beweis stellt. Es wird aber schnell deutlich, wenn er von Frauen konzipiert und inszeniert wurde. Der weibliche Blick unterscheidet sich erheblich vom männlichen, denn er konzentriert sich auf das Vergnügen und nicht auf den Körper: Die körperliche Erscheinung ist weit weniger wichtig als das, was die Beteiligten tun.
Foto: freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Hulu/Moviestore/Shutterstock
„Happiest Season“ (2020)
Es hat zwar einige Zeit gedauert, aber lesbische Darsteller:innen bekommen endlich die Leinwandzeit, die sie auch verdienen. Queere Filmemacherinnen können ihre Geschichten erzählen, weil ihnen alternative Plattformen dafür geboten werden. Während sich viele an das Indie-Kino wenden – einen experimentellen Raum, um Grenzen zu verschieben und Erzählungen zu präsentieren, die im Mainstream auf weniger Akzeptanz stoßen würden –, nutzen andere Online-Streaming-Dienste wie Netflix und Amazon Prime, um ihre Filme zu zeigen und so veraltete Distributionsvorschriften zu umgehen. Letzten Winter war der lesbische Weihnachtsfilm Happiest Season mit Kristen Stewart und Mackenzie Davis in den Hauptrollen auf der Streaming-Plattform Hulu zu sehen. Der Film hat alle Rekorde gebrochen und ist zum meistgesehenen Originaldebüt in der Geschichte von Hulu geworden. Das beweist bloß, dass es eine Nachfrage nach neuen, queeren und frauenorientierten Inhalten besteht. Der von Alice Wu (Saving Face) verfasste Netflix-Film Nur die halbe Geschichte, bei dem sie auch Regie führte, gewann den Hauptpreis beim Tribeca Film Festival 2020 und ist eine der ersten Geschichten übers Erwachsenwerden mit einer asiatischen, queeren Hauptfigur.
Wenn sich männliche Regisseure eines Themas annehmen, das auf einer rein weiblichen Erfahrung beruht, ist es wichtig, dass sie Recherchen anstellen und sich von den Menschen, die der Film zeigt, beraten lassen. Filme wie Benedetta schaffen eine verzerrte Wahrnehmung vom Lesbischsein und von lesbischem Sex, die sowohl ungenau als auch schädlich für die queere Gemeinschaft ist. In einem Interview mit The Skinny sagte die queere amerikanisch-iranische Regisseurin Desiree Akhavan: „Für mich ist eine Sexszene ein Ort, wo wir subjektiv sein können; das Publikum soll mit dabei sein. Die Zuseher:innen sollen sich in der Handlung verlieren und etwas über die Beziehung der Figuren für sich mit nach Hause nehmen.“ In ihrem Film The Miseducation of Cameron Post (2018) versteckte Akhavan die gesamte Besetzung und Crew während der Sexszene, um den Schauspieler:innen ein Gefühl von Empowerment zu geben. „Die Mädchen ließen sich in diesem Moment fallen. Dieser Augenblick fühlte sich persönlich und verletzlich an. Solange es so aussah, als wüssten sie, was sie tun, war ich zufrieden.“ Die Unterschiede zwischen Akhavans Film und Benedetta gehen offensichtlich weit über das Geschlecht des Regisseurs hinaus.
Im September letzten Jahres kündigten die Oscars neue Repräsentations- und Inklusionsstandards für die Teilnahme an, die endlich für mehr Vielfalt in Hollywood sorgen sollen. Damit müssen mindestens zwei der kreativen Leiter:innen oder Abteilungsleiter:innen eines Films – zu denen auch Regisseur:innen, des Produzent:innen und Kameraleute gehören – einer unterrepräsentierten Gruppe angehören. Das ist ein großer Schritt für die Academy, die oft für ihren Mangel an Diversität kritisiert wird. Wenn mehr Mitglieder der LGBTQ+-Community hinter den Kulissen arbeiten, gibt es Hoffnung für die Zukunft des queeren weiblichen Kinos. Was wir jetzt nur noch brauchen, ist, dass Männer damit aufhören, unsere Geschichten zu erzählen.

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