Während meiner Jugend wohnte meine Familie in Florida, und das liebte ich vor allem aus einem Grund: Ich musste nur sehr selten Jeans tragen. Für den Großteil des Jahres war es einfach viel zu heiß dafür, und obwohl ich zwar kein großer Fan der hohen Luftfeuchtigkeit war, war es echt eine Erleichterung, nicht viel Denim tragen zu müssen. Als jemand, die schon mit 12 oder 13 Jahren rund 1,80 Meter groß war und Kleidergröße 44 trug, war das Jeans-Shopping nicht nur schwierig, sondern eine komplette Katastrophe.
Die Hüftjeans, die zu Beginn und in der Mitte der 2000er absolut alle trugen und jetzt gerade ein Comeback feiern, waren mir da überhaupt keine Hilfe, sondern machten alles nur noch schlimmer. Im Gegensatz zu den meisten mir Gleichaltrigen hatte ich direkt zum Anfang der Pubertät plötzlich eine breite Hüfte und ordentlich Bauch. Die Vorstellung, Hüftjeans anzuziehen, kam mir nicht bloß körperlich unangenehm vor, sondern komplett unmöglich – und das schienen mir auch die Jeans-Marken mit ihren wenigen „coolen“ Optionen in meiner Größe klarmachen zu wollen.
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Während meine Freund:innen in unter Teenies beliebten Läden wie Hollister oder Abercrombie & Fitch shoppten, suchte ich im hinteren Bereich der Kaufhauskette Macy’s nach größeren Größen und versteckte die Labels, damit niemand erfuhr, dass ich nicht in eine 34 oder 36 passte. Ich war wütend, dass ich beim Denim-Trend nicht „mitmachen“ konnte und schämte mich dafür, eine größere Größe als alle anderen Mädchen in meinem Alter tragen zu müssen. Als Hüftjeans zu dem 2000er-Trend schlechthin wurden, war ich zwar fast noch ein Kind, aber schon bitter von meinem Fashion-Schicksal enttäuscht.
Ich hatte nicht das Gefühl, mir auszusuchen, keine Hüftjeans zu tragen. Stattdessen fühlte es sich an, als gäbe es diese Regel, die es mir verbot. Körper wie meine dürfen solche Styles nicht tragen, redete ich mir selbst ein. Wenn ich damals eine Zeitschrift durchblätterte, eine TV-Serie schaute oder ins Kino ging (ich kann mich bis heute lebhaft an Lindsay Lohans Hüftjeans und Miniröcke in Girls Club – Vorsicht bissig! erinnern und weiß, wie traurig es mich machte, sowas selbst nie anziehen zu können) und dort nie einen Körper gezeigt bekam, der aussah wie meiner, wurde diese Überzeugung immer und immer stärker.
Für lange Zeit schnitt ich Fotos von Models und Fashion-Werbung aus Zeitschriften aus, auf denen oft Hüftjeans und Miniröcke zu sehen waren, und klebte die Ausschnitte an meine Wand. Meinen Eltern und Freund:innen erzählte ich, mir gefielen einfach die Looks – hinter den Bildern steckte aber eigentlich etwas Gefährlicheres: Sie motivierten mich zum Abnehmen. Ich verbrachte viel Zeit damit, mir die genauen Outfits auszumalen, die ich anziehen würde, sobald ich dünner war.
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Zu meinem Glück verging die Zeit damals noch schneller, und im Laufe der Jahre wurde ich selbstbewusster, Trends kamen und gingen, und body diversity wurde langsam (sehr langsam) ein Teil der Mainstream-Medien. Die wachsende Beliebtheit von high-waisted Schnitten machte mir vieles leichter und bequemer, und ein Zuwachs an Plus-Size-Optionen half ebenfalls.
Trotzdem war ich immer noch kein großer Fan von Jeans – bis ich eine große Veränderung vornahm, die mir damals nie eingefallen wäre, als ich 12 Jahre alt war und mich in der Umkleidekabine eines Ladens versteckte, dessen Zielgruppe Jahrzehnte älter war als ich: Ich fing an, mich so zu kleiden, dass es für mich funktionierte, in Klamotten, in denen ich mich total wohl und selbstbewusst fühlte.
Ich verstand, dass die Überzeugung, ich „dürfte“ gewisse Sachen nicht tragen, meinen persönlichen Style einschränkte. Mir selbst meine Figur übel zu nehmen, hielt mich bloß davon ab, das Leben zu genießen. Mir selbst strenge Moderegeln aufzuzwingen, machte mich wütend. Also ließ ich all das sein.
Manchmal hieß das, keine Angst davor zu haben, beim Jeanskauf eine, zwei oder auch drei Kleidergrößen hochzugehen. Manchmal hieß das, erst gar keine Jeans zu tragen. Wegen meines Körperbaus bevorzuge ich Kleidung, die mir ein bisschen mehr Freiheit und -raum lässt und mir nicht in den Bauch schneidet, wenn ich mich hinsetze. Dazu kommt, dass ich auch keine Lust habe, die Hüftjeans immer wieder hochzuziehen oder einen Tanga zu präsentieren. Also habe ich nicht vor, auf den Hüftjeans-Trend-Zug aufzuspringen, der gerade wieder vorbeirollt – aber diesmal eben aus anderen Gründen als damals.
Ich dachte früher, weil ich manche Trends nicht tragen „durfte“, musste wohl irgendwas mit meinem Körper nicht stimmen – irgendein Makel, den ich korrigieren musste, bevor ich mit Modetrends rumexperimentieren oder mich in meinen Klamotten sexy fühlen konnte. Heute weiß ich, dass ich jeden Trend tragen kann, auf den ich Lust habe – inklusive Hüftjeans –, und dass die einzige Meinung, die dabei zählt, meine ist. Deswegen suche ich mir jetzt selbstbewusster denn je die Styles aus, von denen ich weiß, dass sie sich meinem Körper so anpassen, dass ich mich in meiner eigenen Haut wohl fühle.
Dank dieses Unterschieds fühle ich mich heißer und modischer, als jede Hüftjeans jemals hinbekommen könnte. Die einzige Verbitterung, die ich heute noch empfinde, kommt daher, dass ich so viele Jahre damit verschwendet habe, mir einzureden, ich dürfe nicht tragen, was ich wollte. Dieses Gefühl verblasst aber glücklicherweise langsam. Und vielleicht ist es schon ganz fort, wenn der nächste 2000er-Trend die Runde macht.
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