Ich bin nicht wie andere Frauen, wenn man es mal ganz genau nimmt: Ich bin eine statistische Anomalie. In den USA kommen ungefähr drei Prozent aller Babys mit einer Behinderung zur Welt – und ich war eins davon. Das beeinflusste enorm, wie ich mich selbst sah. Während meiner Jugend war ich der festen Überzeugung, niemand könnte mich jemals lieben. Weil ich genau an der Grenze zwischen Millennial und Gen Z geboren wurde, spiegelte sich mein Selbsthass in meinem geschmacklosen 2000er-Style wider: Ich versteckte mich hinter mehreren Klamottenschichten, trug Krawatten über T-Shirts und Paillettenshirts über hautengen Hüftjeans. Ih! Heute könnte ich mir das nicht mal vorstellen. Ich rechtfertige mich gegenüber niemandem für meinen Style und tobe mich in Sachen Mode genau so aus, wie ich will. Bis hierher war es aber ein weiter Weg.
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Ich lebe mit dem Maffucci-Syndrom, einer extrem seltenen Knochenerkrankung, von der es bisher weniger als 200 dokumentierte Fälle gibt. Als Kind versuchte ich, alle damit einhergehenden Symptome zu verstecken: Ich kam mit schmerzhaften Knochentumoren am ganzen Körper und Gefäßtumoren an meinen Händen und Füßen zur Welt. Meine Beine waren am stärksten betroffen: Mein rechtes Bein war deutlich kürzer als das linke und wuchs nicht gerade, sondern im Zickzack. Demnach hatte ich natürlich ein ausgeprägtes Humpeln und musste einen speziellen Schuh tragen, der das rechte, kürzere Bein in der Höhe ausglich. Je älter ich wurde, desto größer wurde der Längenunterschied zwischen meinen Beinen. Das erforderte irgendwann mehrere Operationen.
Schon mit sechs Jahren hatte ich die erste meiner (bisherigen) 19 invasiven OPs. Danach war ich weitestgehend auf einen Rollstuhl angewiesen, verließ nur selten das Haus und wurde auch zu Hause unterrichtet. Meine Behinderung hielt mich davon ab, Freund:innen kennenzulernen, mit denen ich heimlich gekritzelte Notizen ausgetauscht hätte, denen ich meinen coolen neuen Bleistift gezeigt hätte, der nach Weintrauben duftete, und mit denen ich zusammen gekreischt hätte, wenn mir ein Junge einen Zettel mit Herzen rund um meinen Namen zugesteckt hätte. Meine Behinderung hielt mich von den Parks fern, in denen ich vom Klettergerüst gehangen hätte, und von den Klassenzimmern, in denen ich bei Vokabeltests sicher ins Schwitzen geraten wäre. Stattdessen lernte ich schon sehr früh, Pillen zu schlucken, und mein Schmerz wurde immer intensiver.
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Wenn ich ohnehin schon für meine Behinderung angestarrt werde, kann ich den Leuten wenigstens auch noch was Ikonisches zum Anstarren geben.
Samantha Jade Durán
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Mein Orthopäde forderte meine Mutter auf, mich den Großteil meiner Zeit im Rollstuhl sitzen zu lassen. Ich weigerte mich aber, diese Regel zu befolgen, wenn ich gerade keine Schmerzen hatte. Ich weiß noch, dass ich Mama eines Abends darum bat, „Breakaway“ von Kelly Clarkson anzumachen. Ich stand aus dem Rollstuhl auf und tanzte humpelnd durchs Wohnzimmer, während ich mich an den Möbeln um mich herum festhielt und in die Fernbedienung sang: „I’ll spread my wings and I’ll learn how to fly…“
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Mama nahm die ganze Performance für den Familien-Gruppenchat auf, damit auch unsere Verwandten in Venezuela was davon hatten. Weil ich mehrmals pro Woche bei meinem Orthopäden war, zeigte meine Mutter ihm das Video ebenfalls. Anstatt sie aber dafür zu kritisieren, dass sie mich zum Tanzen aus dem Rollstuhl hatte aufstehen lassen, postete er das Video auf der Website des Krankenhauses. Bei unseren unzähligen Untersuchungsterminen begegneten Mama und ich dann immer wieder den Eltern von Kindern mit Behinderung, die genauso aussahen wie ich. Sie erzählten uns, mein Video habe sie zum Weinen gebracht, mit Hoffnung erfüllt und ihre eigenen Kinder dazu inspiriert, es mir gleichzutun – und zwar mit einer Behinderung zu leben, aber doch frei zu sein, ohne sich dafür zu rechtfertigen oder zu entschuldigen.
Im Krankenhaus galt ich als Heldin, doch zu Hause war das ganz anders. Weil ich so komplizierte OPs hinter mir und offene Wunden von den externen Fixatoren hatte, die mein Bein stabilisierten, war ich anfällig für Infektionen. Dadurch bestand das Risiko, dass mir irgendwann mein ganzes Bein amputiert werden müsste – und ich durfte demnach nur selten das Haus verlassen. Bei den seltenen Anlässen, wenn mich mein Vater zum Einkaufen mitnahm, kassierte ich entsetzte Blicke. Eltern forderten ihre Kinder dazu auf, wegzugucken oder umzudrehen, sobald sie mich entdeckten. Manche waren sogar mutig genug, um meinen Vater zu fragen, was mit mir „nicht stimme“. Aber selbst damals, mit unter zehn Jahren, wusste ich schon, dass mit mir nichts „falsch“ war – dass meine körperlichen Unterschiede nicht bestimmten, wer ich war. Das wahre Problem war der Ableismus.
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Mit der Zeit ging mir das Mobbing aber doch sehr nah. Ich hörte auf, Röcke, Kleider und Shorts in der Öffentlichkeit zu tragen. Der dauernde Ableismus redete mir ein, wegen meiner Behinderung oder meiner tiefen Narben könne mich niemals jemand lieben. Dann, mit etwa zwölf Jahren, hatte ich aber eine Eingebung: Wenn mich irgendjemand wegen meiner Behinderung verurteilen will, liebt oder mag mich diese Person gar nicht wirklich – und verdient demnach auch keinen Platz in meinem Leben. Diese Erkenntnis inspirierte mich dazu, meine Behinderung ganz offen auszuleben, ohne mich dafür zu schämen oder gar zu entschuldigen.
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Selbst damals, mit unter zehn Jahren, wusste ich schon, dass mit mir nichts „falsch“ war – dass meine körperlichen Unterschiede nicht bestimmten, wer ich war. Das wahre Problem war der Ableismus.
Samantha Jade Durán
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Von dem Tag an spiegelten meine Klamotten mein wahres Ich wider: Ich trug Röcke. Und Kleider. Und Shorts. Ohne es selbst mitzukriegen, begann ich damit meine „maximalist era“. Ich spielte mit meinem Style und nutzte ihn als Mittel, mir die Selbstbestimmung über meinen Körper und die Symptome zurückzuholen, die ich oft nicht kontrollieren kann. Als Teenagerin wurde ich zur Fashionista und bekam Komplimente für mein Selbstbewusstsein und meinen Style. Anfang der 2010er trug ich High-Waist-Hosen und Crop Tops. Ich ließ mir meinen Pony immer kürzer schneiden und mir schließlich sogar einen Pixie Cut verpassen. Ich fing sogar an, Plateausandalen zu tragen, bevor die überhaupt zum Trend wurden.
Heute style und schminke ich mich jeden Tag – ganz egal, wie stark meine Schmerzen gerade sind. Selbst dann, wenn ich den ganzen Tag im Bett bleiben muss und meine Symptome nicht unter Kontrolle bekomme, kann ich sehr wohl beeinflussen, was ich anziehe. Mein maximalistischer Kleidungsstil ist für mich eine Art Bewältigungsstrategie. Und dafür setze ich auf die folgenden fünf Tipps.
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Trag bunte Klamotten.
Du solltest niemals die stimmungsaufhellende Wirkung eines bunten Outfits und farbenfrohen Lippenstifts unterschätzen! Das nennt sich übrigens „dopamine dressing“, und meiner Meinung nach ist das in gewisser Hinsicht sogar eine Art von natürlicher Medizin. Es hilft gegen meine Schmerzen, mit warmem Wasser zu duschen und mir dann ein pink-gelbes Outfit anziehen kann – mit dazu passenden Accessoires, strahlendem Lippenstift und magnetischen Wimpern.
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Selbst dann, wenn ich den ganzen Tag im Bett bleiben muss und meine Symptome nicht unter Kontrolle bekomme, kann ich sehr wohl beeinflussen, was ich anziehe.
Samantha Jade Durán
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Wenn du dich von Farben sonst eher fernhältst oder Angst davor hast, neue Farbkombis auszuprobieren, empfehle ich dir unbedingt ein Buch zur Farbenlehre. Ich persönliche liebe Sanzo Wadas A Dictionary of Color Combinations. Das Buch gibt dir 348 einzigartige Farbkombinationen – und das ist so praktisch, wenn du nicht weißt, was du anziehen sollst, aber gern neue Farbkombis testen würdest.
Extravagante Accessoires, bitte!
Die richtigen Accessoires sind für jedes Outfit entscheidend, ganz egal, welchen Style du trägst. In der Welt der Mode werden absurde, extravagante Accessoires meiner Meinung nach extrem unterschätzt – sind aus meinem maximalistischen Kleiderschrank aber nicht mehr wegzudenken. Ob du es glaubst oder nicht: Ich besitze 29 Baskenmützen (und es werden immer mehr), für jeden erdenklichen Anlass und in jeder Farbe des Regenbogens.
Als jemand mit einer mehrfarbigen Garderobe weiß ich genau, dass eine große Auswahl an Accessoires einen Look perfekt ergänzen und dafür sorgen kann, dass du viel seltener exakt dasselbe Outfit trägst. Zu meinen liebsten Accessoires zählen extravagante Handtaschen – wie diese pinke Puppenhaus-Tasche. Ich habe auch diverse Telefon-Handtaschen. (Mit denen kann ich dann easy so posieren, als sei ich wirklich am Telefonieren.) Und wenn du keine kitschigen Handtaschen magst, greif doch vielleicht zu auffälligen Ohrringen. Ganz egal, wofür du dich entscheidest: Die Möglichkeiten für edle Accessoires sind wirklich endlos.
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Stimme die Farben deines Outfits aufeinander ab.
Die Kunst der Farbkombination ist eine weitere Styling-Superkraft, die viele Leute viel zu selten nutzen. Sie kann selbst das schlichteste, alltäglichste Outfit in einen Runway-Look verwandeln. Sagen wir mal, du trägst eine simple Jeans und ein Print-T-Shirt mit pinken Akzenten; wenn du das mit weißen Sneakern und einer schwarzen Umhängetasche kombinierst, kann das schnell öde aussehen.
Jetzt stell dir mal vor, du trägst dazu stattdessen eine pinke Handtasche, pinke Plateau-Heels, pinke Flamingo-Ohrringe und eine pinke Baskenmütze. Plötzlich trägst du ein elegantes, durchdachtes Outfit – und hast trotzdem eigentlich nur Basics an. Genau so nutzt du die Farbkombination für dich.
Investiere in ein Paar (oder zwei, oder drei) Plateau-Heels.
Ich wollte schon immer Heels tragen, um mich wie eine Prinzessin fühlen zu können – selbst dann, wenn es nur zu Halloween oder zu einem anderen besonderen Anlass war. Weil mir mein Orthopäde aber vorgeschrieben hatte, ich müsse immer meinen speziellen Schuh tragen, der meine ungleich langen Beine ausglich, waren Heels für mich früher keine Option. Weil ich heute aber immer im Rollstuhl sitze, kann ich sie jeden Tag tragen.
Viele gehen davon aus, alle Absatzschuhe seien unbequem. Das stimmt aber einfach nicht. Die Art von Absatz macht nämlich in Sachen Komfort und praktischer Anwendung einen riesigen Unterschied. Wenn du also nicht gerade die Balance und Knöchelstärke eines Kunstturners oder einer -turnerin hast, rate ich dir von Stilettos ab. Ich persönlich kam schon zu dem Schluss, dass Blockabsätze und Plateauschuhe die nötige Stabilität und Bequemlichkeit liefern, um darin gut laufen zu können, bevor das Laufen für mich keine Option mehr war. Okay, auch damals konnte ich nie länger als 15 Minuten am Stück laufen, aber mit meinen Mobilitätseinschränkungen sollten zumindest diese 15 Minuten so bequem wie möglich sein.
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Ich persönlich habe Heels in quasi jeder Farbe. Aber es reichen auch schon ein, zwei Paare in verschiedenen Farben, damit du mehr Optionen hast, um dein Outfit zu ergänzen.
Akzeptiere dich so, wie du bist.
Dieser Tipp gilt für uns alle, insbesondere aber für andere Ikonen mit Behinderung: Akzeptiere dich genau so, wie du bist. Das tue ich zum Beispiel, indem ich auch meine Mobilitätshilfen zum Accessoire mache. Die sind von sich aus meist ziemlich unstylisch und oft negativ stereotypisch belastet; wenn ich aber zum Beispiel meinem Rollstuhl einen speziell für mich angefertigten Speichenschutz verpasse, kommuniziere ich damit: „Ich bin stolz darauf, ich zu sein.“
Wenn ich ohnehin schon für meine Behinderung angestarrt werde, kann ich den Leuten wenigstens auch noch was Ikonisches zum Anstarren geben. Ich versuche, Accessoires zu finden, die zu meinen farbenfrohen Outfits passen – und das jeden Tag. Die Rückenlehne des Rollstuhls kannst du mit Aufnähern verzieren, die Räder mit Blumen, und so weiter. Lass deiner Fantasie freien Lauf. Das tun Ableist:innen schließlich auch.
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