Lauren war spät dran für ihr Date – und schlecht gelaunt. „Ich hatte den Verdacht, dass er eine schlechte Wahl sein könnte. Er hatte mich vorher einige Male sehr spät nachts angerufen und wirkte ein bisschen zu arrogant“, erzählt mir die 26-Jährige. Trotzdem freute sie sich darüber, jemanden zu treffen, den sie über zwei Ecken schon kannte (er war mit einer ihrer Freundinnen befreundet), anstatt einen Fremden aus einer Dating-App. Sie war noch nicht lange Single, hatte die Apps aber schon jetzt satt.
Trotz Laurens Zweifeln fing das Date erstmal vielversprechend an. Nach ein, zwei Stunden ging aber alles plötzlich bergab, als Max* ohne Grund auf einmal anfing, ihr genau zu berichten, wie er seine Ex betrogen hatte – und das in einem Ton, der sich laut Lauren „fast stolz anhörte“.
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„Das war ein großes Warnsignal“, sagt sie. „Mir war das total unangenehm und ich fühlte mich respektlos behandelt. Dieser Typ sah mich scheinbar überhaupt nicht als potenzielle Partnerin, sonst hätte er das nicht gemacht.“
Für Lauren war die Sache klar: Dieses Date war vorbei. Die beiden trafen sich danach nie wieder. Am meisten hatte sie dabei Max’ fehlender Respekt schockiert. „Er zeigte überhaupt keine Reue für den Betrug und schien auch gar nicht zu merken, dass er sich mit dieser Erzählung vielleicht ein Eigentor schießen könnte.“
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Ich höre sogar gerne von den vergangenen Beziehungen meiner Partner:innen. Ich nenne das einen sexuellen Lebenslauf!
Lottie
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Klar, Laurens Story klingt vielleicht extrem – aber wirft sie doch eine Frage auf, die wir uns beim Dating alle wohl schon mal gestellt haben: Wie oft sollte man in einer neuen Beziehung den:die Ex erwähnen, wenn überhaupt? Und ab wann wird das ungesund oder sogar schädlich?
Das ist eindeutig ein kontroverses Thema. Als ich auf Twitter nachfragte, teilten sich die Antworten ziemlich gleichmäßig in zwei Lager auf. „Ich frage mich, wieso manche darüber sprechen“, schrieb jemand. „Würde man sich davon nicht eher selbst abhalten?“ Jemand anderes kommentierte: „Ich habe das Thema selbst angesprochen. Meine:n Partner:in trieb das in den Wahnsinn. Das ist mir heute noch unangenehm.“ Andere Antworten waren positiver. „Wie jemand von seinem:ihrer Ex spricht, verrät dir oft viel darüber, wie er:sie an eine Beziehung mit dir rangehen würde“, schrieb jemand und erklärte, dass sie aus diesen Gesprächen viel über ihre Partner:innen gelernt hatte – vorausgesetzt, sie fanden nicht zu häufig statt. Was ist also das Fazit? Gibt es eine Faustregel, wie oft man mit einem:einer neuen Partner:in über eine:n Ex sprechen sollte? Und wann sollte man damit aufhören?
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„Es gibt viele Gründe dafür, warum Leute mit ihren neuen Partner:innen über Ex-Beziehungen sprechen“, sagt die Psychotherapeutin Yuko Nippoda. „Eine neue Beziehung kann aufregend und stimulierend sein, gleichzeitig aber auch Unsicherheiten auslösen.“ Ein Grund für solche Gespräche ist Nippoda zufolge der Wunsch, keine alten Verhaltensmuster zu wiederholen und dies dem:der neuen Partner:in mitzuteilen. Das kann positiv sein.
Für die 30-jährige Lottie ist dieser Überblick über jemandes Vergangenheit eine gute Möglichkeit, neue Partner:innen auf Verhaltensweisen zu kontrollieren, mit der sie in ihren bisherigen Beziehungen Probleme hatte. „Ich höre sogar gerne von den vergangenen Beziehungen meiner Partner:innen“, erzählt sie. „Ich nenne das einen sexuellen Lebenslauf!“
Für Lottie ist das Sprechen über die Vergangenheit ein Teil davon, die andere Person kennenzulernen und herauszufinden, wie kompatibel die beiden sein könnten. „Zu erfahren, wie alte Beziehungen ausgingen (oder anfingen) und wie lange sie hielten, kann dir viel über einen Menschen verraten“, ergänzt sie. „Vor allem, wie sie über ihre Ex-Partner:innen sprechen, kann auch ein Warnsignal sein“, meint sie. Bei einem zweiten Date ist ihr genau das letztens passiert: Der Typ äußerte sich ziemlich frauenfeindlich über seine Ex. „Das war für mich ein großes Problem.“
Einige Leute, wie Lottie, sind der Meinung, dass das Gespräch über Ex-Beziehungen ein ziemlich guter Einblick darin sein kann, wie jemand an eine Beziehung mit dir herangehen und was er:sie sich von dir erhoffen könnte. Das findet auch die 23-jährige Rosie. Sie und ihr Freund sprechen sehr offen über ihre Ex-Partner:innen, weil es ihre Verbindung vertieft. Anstatt für Probleme zu sorgen, fühlt sich das für die beiden „befreiend“ an, erzählt sie.
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„Über alles aus der Vergangenheit ganz ehrlich sprechen zu können, gibt mir ein Gefühl von Sicherheit in der Beziehung“, sagt sie. „Es ist komisch, aber ich bin dabei gar nicht eifersüchtig. […] Seine Ex ist in einer neuen Beziehung, und wir sind uns überhaupt nicht ähnlich. Deswegen kann man sie und mich kaum miteinander vergleichen.“
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Nicht über eine:n Ex zu sprechen, kann so rüberkommen, als sei da etwas Schmerzhaftes vorgefallen oder als hättest du in dieser Beziehung etwas getan, worauf du nicht stolz bist – vielleicht hast du deine:n Ex verletzt oder betrogen.
Michaela Thomas
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Rosie ergänzt, dass ihr Freund das mit ihrer Ex-Partnerin ähnlich sieht. „Meine Ex gehört zu meinem Freundeskreis. Ich kann sie also nicht einfach rausstreichen“, erklärt sie. „Es hängt definitiv von der Beziehung ab, aber für uns ist das einfach eine Art, offen und ehrlich miteinander umzugehen.“
Dann erwähnt sie etwas besonders Wichtiges. „Wir lästern nicht über unsere Ex-Freund:innen oder so“, sagt sie. „Es ist immer mehr wie eine Therapiesitzung über spezifische Themen, oder wenn es eben gerade ins Gespräch passt.“ Und das ist der entscheidende Punkt: Wenn du über deine:n Ex spricht, kommt es vielleicht weniger darauf an, was genau du sagst, und mehr auf deine Absichten dahinter oder deine Gefühle zu der Trennung.
„In manchen Beziehungen, wo ein:e Partner:in vielleicht noch mit dem:der Ex befreundet ist, erwähnt man diese Person vielleicht, um den:die neue:n Partner:in eifersüchtig zu machen oder mehr Aufmerksamkeit von ihm:ihr zu bekommen“, sagt Nippoda. Die 24-jährige Jess weiß, wie sich dieses Verhalten anfühlt. „Mein Ex sprach dauernd über seine Ex. Er war immer noch sehr gut mit ihr befreundet und nannte sie oft seine beste Freundin“, erzählt sie. „Ich habe sie nie kennengelernt, und trotzdem wurde sie in den meisten unserer Gespräche erwähnt. Es war bizarr. Er sprach außerdem immer nur positiv von ihr, und das machte es umso merkwürdiger.“
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Jess meint, dass das letztlich ihre Beziehung ruinierte. „Wir stritten uns oft deswegen, weil er sich wohl damit fühlte, dauernd über sie zu reden. Er kam aber gar nicht damit klar, wenn ich ihm sagte, dass mir das wehtat.“
Du merkst schon: Bei Gesprächen über Ex-Beziehungen ist die richtige Balance gefragt. Wenn du das Thema aber ganz vermeidest, kann das als verdächtig empfunden werden, warnt die Psychologin Michaela Thomas. „Nicht über eine:n Ex zu sprechen, kann so rüberkommen, als sei da etwas Schmerzhaftes vorgefallen oder als hättest du in dieser Beziehung etwas getan, worauf du nicht stolz bist – vielleicht hast du deine:n Ex verletzt oder betrogen“, erzählt sie. Trotzdem solltest du deinen Verflossenen nicht so viel Raum in deiner neuen Beziehung einräumen, dass sich dein:e neue:r Partner:in davon überwältigt fühlen könnte.
Eine österreichische Studie von 2019 ergab, dass das Gender dabei auch eine wichtige Rolle spielen könnte. Sie fand heraus, dass Männer ihren Ex-Partner:innen gegenüber generell positiver eingestellt sind als Frauen. Die Studie führt dazu eine Reihe soziokultureller Gründe an. Zum Beispiel, dass „Männer eher für emotionale und praktische Bedürfnisse von ihren weiblichen Partnerinnen abhängig sind“, und dass „Frauen häufiger problematisches Verhalten als Trennungsgrund angeben, wie Untreue, Drogenmissbrauch oder geistigen oder körperlichen Missbrauch“.
Interessanterweise ergab die Studie außerdem, dass „Menschen, die sich nach ihren Ex-Partner:innen sehnten, daraufhin qualitativ minderwertigere Beziehungen führten“. Wenn du also von jemandem sprichst, weil du die Beziehung zu ihm:ihr noch immer verdaust, könnte das zum Problem für deine aktuelle Partnerschaft werden.
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Es gibt keine richtige oder falsche Art, mit einer Beziehung abzuschließen. Ob sich ein:e neue:r Partner:in damit wohl fühlt, Geschichten über deine:n Ex zu hören – ob nun die schönen oder die schlimmen –, hängt ganz von dessen:deren eigenen emotionalen Erfahrungen und Sicherheitsgefühl ab. Wichtig ist aber, wie ihr als Paar über solche Themen sprecht. „Wenn es deinem:deiner Freund:in wehtut, von deinen Verflossenen zu hören, reagiere darauf nicht wütend, sondern neugierig“, erklärt Thomas. „Macht er:sie sich Sorgen darüber, dass du deine:n Ex mehr mochtest? Dass du über ihn:sie noch nicht hinweg bist? Versichere ihm:ihr, dass du diese Beziehung hinter dir gelassen hast.“
Sie empfiehlt, das Thema aber nicht gleich ganz abzuwürgen – vor allem, wenn dich eventuelle schmerzhafte und/oder traumatische Erfahrungen zu dem Menschen gemacht haben, der du heute bist, und beeinflussen, was du von einer Beziehung brauchst oder erwartest. „Wenn dich eine ehemalige Beziehung bis heute beeinflusst, solltest du dich darauf konzentrieren, wenn du von deinem:deiner Ex erzählst“, erklärt sie. „Vor allem, wenn du körperlich oder emotional missbraucht wurdest. Das ist für neue Partner:innen immer wichtig zu wissen.“
Nippoda rät dazu, bei solchen Gesprächen immer darauf zu achten, in der Gegenwart zu bleiben. „Eure jetzige Beziehung gehört euch, nicht ehemaligen Partner:innen“, betont sie. „Wenn eure Partnerschaft davon profitiert, über Vergangenes zu sprechen, ist das vielleicht relevant oder sogar nötig. Es ist aber wichtig, es nicht zu übertreiben; ansonsten könnten eure intimen Grenzen darunter leiden.“
Thomas stimmt zu: Die richtige Kommunikation ist entscheidend, und ebenso der Fokus auf das Hier und Jetzt. „Dir soll ja nichts Schönes in der Gegenwart entgehen, bloß weil du in der Vergangenheit festhängt“, erklärt sie. „Es ist schwer zu sagen, wie viel zu viel ist, also frag deine:n neue:n Partner:in, was er:sie von solchen Gesprächen hält. Das kannst du dann als Barometer nehmen.“
*Name wurde von der Redaktion geändert.
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