Warum ein gemeinsamer Urlaub eure Freundschaft zerstören kann

Manche Freundschaften haben einen ganz eigenen Kontext: Mit der einen Freundin gehst du am liebsten feiern. Mit diesem Kumpel gehst du mit deinem Hund Gassi. Mit dieser Bekannten triffst du dich immer zum Abendessen. Da kann es sich wie etwas ganz Besonderes anfühlen, wenn du eine Freundschaft findest, die in jedem Kontext funktioniert – und das sind dann womöglich auch am ehesten die Freund:innen, mit denen du gerne mal in den Urlaub fahren würdest.

Viele von uns mussten allerdings schon auf die harte Tour lernen, dass es mit Freundschaften, die im normalen Leben total glatt laufen, im Urlaub überraschend bergab gehen kann. Die Comedienne und Schauspielerin Savannah Gracey, 23, hat genau dazu ein TikTok gepostet, in dem sie eine albtraumhafte Urlaubsbegleitung spielt: Die Freundin, die dich frühmorgens ins Hotel-Fitnessstudio zerrt, dir vor lauter Unternehmungen keine Zeit am Pool gönnt und es dir übel nimmt, wenn du irgendwas ohne sie machen willst. Etwas Ähnliches haben wir wohl alle schon mal erlebt. Gracey erzählt gegenüber Refinery29: „Ich war noch nie mit einer Gruppe aus Freund:innen im Urlaub. Mit 16 war ich aber mit ein paar Leuten auf einem Festival, und es war schwierig, die Stimmung über vier Tage hinweg gut zu halten. Und von Freund:innen habe ich schon so oft gehört, dass sie im gemeinsamen Urlaub irgendwelche Dramen ertragen mussten.“ In den Kommentaren unter ihrem Video verlinken Tausende Leute ihre Freund:innen, wohl in Erinnerung an eine besonders schlimme Reise mit einer bestimmten Person.

Tatsächlich kann es ordentliches Konfliktpotential mit sich bringen, einen gemeinsamen Urlaub mit völlig verschiedenen Erwartungen anzugehen. Die 28-jährige Lily* hat genau deswegen schon mal schlimme Erfahrungen im Urlaub mit einer engen Freundin gemacht. Die ersten Warnzeichen waren schon von Anfang an da; Lily musste „alles planen“, von der Unterkunft bis hin zur Tagesplanung. Dann bat Lilys Freundin sie schon am Flughafen um Geld. „Ich fand das komisch, weil wir diesen Trip schon vor Monaten geplant hatten. Sie hatte außerdem während des Urlaubs Geburtstag, deswegen dachte ich, sie hätte bestimmt ein bisschen Geld bekommen.“ Enttäuschend war dann auch die Erkenntnis, „wie unordentlich sie war“, erzählt Lily, deren Freundin im Hotelzimmer ein echtes Chaos anrichtete. „Ich fühlte mich total unwohl und hatte am Ende den Eindruck, sie überhaupt nicht zu kennen“, sagt sie.

„Ein Urlaub kann aufregend sein und Spaß machen, doch bringt das Reisen ein paar einzigartige Stressfaktoren mit sich“, erklärt die Psychotherapeutin und Autorin Liz Kelly. Eine neue Tagesroutine, hohe Kosten, eventuelle Zeitumstellungen, Schlafmangel, Verspätungen oder Absagen bei der Anreise: So etwas kann selbst die allerbesten Freundschaften auf die Probe stellen. „Wenn wir gestresst oder müde sind, haben wir nicht dieselbe emotionale Kapazität für Geduld gegenüber anderen“, ergänzt Kelly. Deswegen erfordern gemeinsame Reisen viel Toleranz.

Im Urlaub spielen auch Social Media eine große Rolle – zumindest für diejenigen, die danach gern tolle Fotos und Videos posten wollen (und das sind viele von uns). Und hier gerieten Lily und ihre Freundin aneinander. „Ich musste an ihrem Geburtstag über eine Stunde lang Fotos von ihr machen“, erzählt Lily. „Sie ist Mikro-Influencerin. Deswegen waren ihr die Fotos extrem wichtig, und sie weigerte sich, das Hotel zu verlassen, bevor sie das perfekte Bild hatte. Ich hatte das Gefühl, dass wir ganz unterschiedliche Vorstellungen davon hatten, wie ein Urlaub aussehen sollte. Ich wollte gern in Museen gehen oder mir Sehenswürdigkeiten anschauen. Ihr war es aber wichtiger, dass es auf Instagram so aussah, als hätten wir viel Spaß, glaube ich.“

Nach dem Urlaub entfernten sich Lily und ihre Freundin immer weiter voneinander, bis die Freundschaft schließlich zerbrach. „Heute überlege ich mir genau, mit wem ich Urlaub machen will. Ich wollte das Thema eigentlich danach nochmal ansprechen, schob es aber immer wieder auf – und dann war der richtige Zeitpunkt dafür vorbei.“ Der Psychotherapeutin Caroline Plumer zufolge kann die Intensität eines gemeinsamen Urlaubs Konfliktpunkte zwischen Freund:innen auftun, die sonst nicht so leicht zu erkennen sind. „Wir verbringen meistens nicht 24 Stunden am Tag mit unseren Freund:innen. Selbst wenn wir zusammenwohnen, konzentrieren wir uns zwischendurch ja auch auf die Arbeit, verbringen Zeit alleine, oder treffen uns mit anderen Freund:innen. Im Urlaub besteht dann aber oft der Druck, jede Minute miteinander zu verbringen“, erklärt Plumer. Von dieser Erwartung sollten wir uns daher vielleicht besser lösen und einander auch im gemeinsamen Urlaub den Freiraum ermöglichen, individuellen Interessen nachzugehen.

Schwierig wird es vor allem dann, wenn man im Urlaub völlig verschiedene Dinge machen möchte. Die 36-jährige Rachel* verreiste mit einer Freundin von der Uni nach Kopenhagen. „Wir hatten so viel gemeinsam. Deswegen dachten wir, ein gemeinsamer Wochenendtrip könnte cool sein. Ich war daher total überrascht, als dem nicht so war“, erzählt sie. „Wir hatten uns Kopenhagen ausgesucht, weil wir beide Fans von gutem Essen sind. Anstatt an diesen drei Tagen aber das ganze Essen auszuprobieren, wofür die Stadt so berühmt ist, verbrachten wir den Großteil der Zeit damit, Zeug für ihre neue Wohnung zu shoppen.“ Nachdem Rachel vorgeschlagen hatte, sich aufzuteilen, damit ihre Freundin shoppen und Rachel sich ein paar Sehenswürdigkeiten ansehen könnte, weigerte sich ihre Freundin – mit der Begründung, sie brauche Rachels Meinung beim Möbelshopping. Als wollte sie Rachel noch ein bisschen Salz in die Wunde streuen, schickte ihre Freundin ihr nach dem Urlaub Fotos von ihrer neu dekorierten Wohnung. Scheinbar hatte sie nicht mal bemerkt, wie genervt Rachel während des Urlaubs gewesen war. Noch dazu hatte sie „nie ihren Anteil an unserer Unterkunft gezahlt, weil sie meinte, sie hätte schon so viel Geld beim Shoppen ausgegeben“, erinnert sich Rachel.

Für manche ist es genau wegen solcher Situationen am besten, direkt ganz allein zu verreisen. Eine Umfrage von Solo Traveller ergab, dass 40 Prozent der befragten Frauen, die 2023 alleine verreist waren, das getan hatten, weil sie andere Interessen als ihre Freund:innen haben. Auch Rachel überlegt, nochmal alleine nach Kopenhagen zu reisen, um alles auf ihrer persönlichen Liste abzuhaken.

Rachel und Lily haben nach einem solchen Urlaub ihre Freundschaften verloren. Dabei ist es auch möglich, eine Freundschaft selbst nach so einem Flop-Trip weiterzuführen. Plumer und Kelly schwören dazu beide auf offene Kommunikation – so unangenehm die auch sein mag. „Sprich ehrlich, aber einfühlsam mit deiner Freundin oder deinem Freund. Unternehmt gemeinsam etwas, das ihr beide liebt, um eure Freundschaft wieder in die richtige Bahn zu lenken. Wenn das Vertrauen, die Kommunikation oder der Respekt zwischen euch einen großen Knacks bekommen hat, erfordert es vielleicht auch ein tiefgründiges, eventuell schwieriges Gespräch“, sagt Plumer. Wichtig bei einem solchen Gespräch ist es, Sätze mit „Ich…“ zu beginnen anstatt mit „Du hast…“. Dadurch klingt das Ganze nicht wie ein Vorwurf, und es ermöglicht eine ruhigere Diskussion. „Sei auch offen für die Perspektive deines Gegenübers und bedenke, dass ihr vielleicht beide ein bisschen Zeit braucht, um den Urlaub zu verarbeiten. Es ist nicht garantiert, dass ihr das alles in einem Gespräch geklärt bekommt“, ergänzt sie.

Denk dran: Deine Freund:innen müssen nicht alles gleichzeitig für dich sein. Vielleicht sind sie keine gute Urlaubsbegleitung für dich – und das ist okay.

Bevor ihr irgendwas bucht, empfehlen Plumer und Kelly ein ehrliches Gespräch über Geld. „Sprecht über euer jeweiliges Budget. Bedenke dabei, dass dein Gegenüber vielleicht deutlich mehr oder weniger verdient als du. Das kann euren Urlaub beeinflussen“, warnt Plumer. „Wer weniger Geld hat als die eigenen Freund:innen, schämt sich außerdem vielleicht dafür, das zuzugeben, und gibt dann womöglich mehr aus, als er oder sie sollte. Beide Szenarien können viel zusätzlichen Stress auf euren Urlaub ausüben, und für Groll sorgen.“

Ebenfalls wichtig ist es, eure jeweiligen Erwartungen abzuklären. Kelly empfiehlt, realistisch zu bleiben. „Urlaub bedeutet für alle etwas anderes. Vielleicht stopfst du deine Tage am liebsten mit Unternehmungen voll, während andere lieber am Pool rumhängen“, sagt sie. „Sprecht vorher darüber, was ihr gemeinsam unternehmen wollt, und was ihr vielleicht lieber allein macht. Vielleicht stellt ihr dann auch fest, dass ihr dahingehend so unterschiedlich seid, dass ihr lieber nicht zusammen verreisen solltet.“

Kurz gesagt: Wenn die Freundin, mit der du am liebsten im Café sitzt, ihre Urlaube ganz anders angeht als du, bleibt ihr vielleicht doch lieber bei euren Kaffee-Dates.