Achtung: Spoiler zum Film Don’t Worry Darling direkt voraus!
In der Welt des Ortes Victory aus Don’t Worry Darling – einem sonnendurchfluteten Städtchen mitten in der Wüste – scheint das Leben samt 1950er-Gender-Rollen einfach zu schön, um wahr zu sein. Zurecht, wie sich herausstellt: Alice (Florence Pugh) begreift im Laufe des Films mit Entsetzen, dass sie sich ihr trügerisch tolles Vorstadtleben aus Hausputz, Schmorbraten und Dinner-Partys mit Freund:innen selbst gar nicht ausgesucht hat – genauso wenig wie die anderen Frauen in ihrer Nachbarschaft. Sie alle sind tatsächlich in dieser Welt gefangen, auf Wunsch ihrer Ehemänner; dazu zählt auch Alices eigener vermeintlicher Traummann Jack (Harry Styles). Diese Erkenntnis ist das zentrale Thema von Don’t Worry Darling und beleuchtet die finstersten Aspekte toxischer Männlichkeit – sowie deren grausame Konsequenzen nicht nur für Männer, sondern auch die Frauen in ihrem Leben.
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In vielerlei Hinsicht ist aber auch der Film selbst gefangen. Trotz der grandiosen Performance von Florence Pugh (im Ernst, sie allein trägt die Story auf ihren Schultern) hat sich Olivia Wildes zweites Regie-Werk in einem Netz aus öffentlichen Streits und angeblichen Set-Konflikten verheddert. Don’t Worry Darling ist damit das aktuellste Beispiel dafür, wie der eigentliche Film von seinem Hinter-den-Kulissen-Drama und wilden Gerüchten in den Hintergrund gestellt werden kann.
Falls dir die ganze Aufregung ein bisschen entgangen ist, hier nochmal eine kleine Zusammenfassung: Pugh und Wilde sind angeblich zerstritten, weil Pugh Behauptungen zufolge selbst die Regie in die Hand nehmen musste, da Wilde zu sehr mit ihrer neuen Beziehung beschäftigt gewesen sei (und weil Pugh nur wenig für den Film geworben hat, sind sich Fans sicher, dass hier auf jeden Fall etwas schief gelaufen sein muss). Shia LaBeouf, der ursprünglich im Film mitspielen sollte, wurde entweder von Wilde gefeuert (um Pugh zu schützen, sagt Wilde; kurz nach LaBeoufs Rückzug aus dem Projekt wurde er von einer ehemaligen Partnerin öffentlich des Missbrauchs beschuldigt) oder entschied sich selbst dazu, zu gehen (LaBeouf hat Nachrichten und ein Video geteilt, in denen Wilde ihn scheinbar davon abhalten will). Dann spekulierten Fans, Wilde und der Pop-Superstar Harry Styles, der Shia LaBoeuf ersetzte, hätten am Set eine Beziehung begonnen, während Wilde noch mit Jason Sudeikis verlobt gewesen sei. Und zu guter Letzt durchforstete das ganze Internet einen Clip nach dem anderen vom Venice Film Festival, um herauszufinden, ob Styles dort tatsächlich seinen Co-Star Chris Pine angespuckt habe. Das Ganze nannte sich dann #Spitgate.
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Don’t Worry Darling rückte dabei immer weiter in den Hintergrund. Überraschend ist das allerdings weniger; obwohl die Presse-Tour rund um den Film zwar so chaotisch war wie kaum eine andere zuvor, sind Gerüchte, Affären und Fehden hinter den Kulissen natürlich nichts Neues in Hollywood. Es gab schon unzählige Dramen in zahllosen Produktionen, die beinahe – oder gar komplett – die tatsächliche Arbeit vor der Kamera überschattet haben. Ziemlich zu Beginn von Grey’s Anatomy wurde die Serie von Gerüchten geplagt, am Set gäbe es jede Menge Streit, insbesondere zwischen Katherine Heigl und den restlichen Darsteller:innen und der Crew. 2008 wurde Heigl dann als „undankbar“ und „schwierig“ abgestempelt, nachdem sie ihren Namen aus der Emmy-Nominierung zur „Besten Nebendarstellerin in einer Dramaserie“ zurückgezogen hatte – was viele als Beleidigung der Produzent:innen der Serie verstanden. Ein Jahr später sprach sie öffentlich über die Arbeitsbedingungen am Set, was weiter den Eindruck befeuerte, sie sei eine schwierige Mitarbeiterin. Und so ikonisch die Serie Beverly Hills, 90210 auch war: Der kollegiale Hass am Set zwischen den Hauptdarstellerinnen Jennie Garth, Tori Spelling und Shannon Doherty ist heute fast berühmter als die Show selbst. Im späteren Reboot der Serie schaffte es diese Fehde sogar in den Storylines ihrer Charaktere ins Drehbuch. Und obwohl das Paar mittlerweile nicht mehr zusammen ist (und die Missbrauchsvorwürfe gegen Brad Pitt Grund zur Sorge sind), stellte die vermeintliche Affäre zwischen Brad Pitt und Angelina Jolie am Set von Mr. & Mrs. Smith, während Pitt noch mit Jennifer Aniston verheiratet war, den eigentlichen Film komplett in den Schatten.
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Die Diskussionen rund um Don’t Worry Darling fühlen sich aber irgendwie anders an – und vieles davon hat mit altbekannter Misogynie zu tun. Obwohl Wilde hinsichtlich der Message ihres Films zu den Gefahren der toxischen Männlichkeit eindeutig zu viel versprochen hat (um es kurz zu machen: Der Film ist lediglich… in Ordnung), ist es wohl kaum ein Geheimnis, dass Frauen in der Filmbranche für ihren Erfolg doppelt so hart arbeiten müssen wie Männer und es ohnehin nur selten auf den Regiestuhl schaffen. Die öffentliche Verachtung, die Wilde aus vielen Ecken entgegenschwingt, würde einem männlichen Regisseur so sicher nicht begegnen. Tatsächlich haben schon zahlreiche Studien bewiesen, dass unsere Gesellschaft erfolgreiche Männer und Frauen völlig unterschiedlich betrachtet. Laut Lean In müssen Frauen in Machtpositionen beispielsweise auf eine Art sympathisch wirken, die für Männer in denselben Positionen nicht gilt. Genau deswegen ist es zum Beispiel schwer, sich den Black-Swan-Regisseur Darren Aronofsky dabei vorzustellen, wie er sich für die Message hinter seinem Film einsetzen muss, um dessen Wert unter Beweis zu stellen – sowohl gegenüber den Studio-Chefs und -Chefinnen als auch dem Kinopublikum. In anderen Worten: Aufgrund von Sexismus war Wilde dazu gezwungen, die Message ihres Films künstlich aufzubauschen, um dessen Wert zu demonstrieren. Don’t Worry Darling konnte eben nicht bloß ein Film mit einer weiblichen Regisseurin sein – nicht einmal der einer Regisseurin, deren Debüt Booksmart extrem gut ankam.
Tatsache ist, dass der Film von seinem eigenen negativen Ruf überschattet wird. Alices Erkenntnis, dass sie in ihrer Retrowelt eine Gefangene ist, deutet darauf hin, worum es im Kern von Don’t Worry Darling eigentlich gehen soll; auf genau diese feministische Pointe wollte Wilde in den zahlreichen Interviews zum Film eindeutig hinaus. Das allein wäre noch in Ordnung gewesen – doch sagt das ganze Drumherum des Films so viel mehr über Feminismus und Frauenhass als jede Zeile seines Drehbuchs. Genau deswegen ist Don’t Worry Darling ein Film, dessen eigener Wert – ob gut, schlecht oder, in diesem Fall, durchschnittlich – nie so richtig zur Geltung kommen kann. Dasselbe Schicksal ereignete auch schon der brutal unterbewertete Film Melancholia von 2011, in der Kirsten Dunst die Rolle einer Frau spielt, die in ein Leben gedrängt wird, das sie sich gar nicht wünscht. Der Film, der seine Premiere 2011 beim Cannes Film Festival feierte, rückte dank kontroverser Kommentaren seines Regisseurs Lars von Trier leider komplett in den Hintergrund, als dieser sagte, er verstünde Adolf Hitler, und spaßhaft verkündete, er sei ein Nazi.
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Kunst ist eine wichtige Plattform für Diskussionen und kann manchmal auch reale Veränderungen bewirken. Die Kontroversen von Don’t Worry Darling haben jedoch dafür gesorgt, dass potenzielle Debatten rund um das Thema des Films allerdings gegen Klatsch und Tratsch verloren. Don’t Worry Darling konnte nie selbstständig und für sich allein stehen. Das ist schade; so ging uns eine wichtige, zeitgemäße Message zu den Extremen toxischer Männlichkeit, der Incel-Kultur und der Macht des weiblichen Widerstands verloren. Klar: Vielleicht hätte Don’t Worry Darling gar keinen echten gesellschaftlichen Einfluss gehabt. Wir werden es aber wohl nie erfahren.
Ist das fair gegenüber Wilde und ihrem Film? Nein. Zahllose männliche Regisseure haben Darstellerinnen am Set schon respektlos behandelt (*räusper* Quentin Tarantino *räusper*) und werden dennoch bis heute als großartige Künstler gefeiert. Was ein großer Triumph auf der großen Leinwand hätte werden können, ist jetzt nichts weiter als eine Fußnote in all dem einhergehenden Drama – und lässt uns als Zuschauer:innen mit einer Story zurück, die so hohl ist wie die Eierschalen in Alices Küche.
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