Wie Carrie Bradshaw moderne It-Girl-Fashion prägte

Seit einem Vierteljahrhundert ist Carrie Bradshaw New YorksTV-It-Girl Nummer 1. Nach der Premiere von Sex and the City im Jahr 1998 spazierte die fiktive Figur – ursprünglich basierend auf Candace Bushnell, der Autorin der SATC-Kolumne und dem gleichnamigen Buch – über Jahre, diverse Staffeln und Filme hinweg in ihren Manolo-Blahnik-Schuhen durch die Metropole und inspirierte seitdem Tausende Leute dazu, selbst nach New York zu ziehen und es Carrie gleichzutun. Im Laufe dieser 25 Jahre haben ihre Fans beobachten können, wie Carries kontroverser Style immer mehr im kulturellen Zeitgeist ankam. Inzwischen lässt sich vielleicht sogar behaupten, Carrie (gespielt von Sarah Jessica Parker) sei das Style-Vorbild für das moderne It-Girl. 

„Genau wie viele andere Frauen, die ich in dieser Stadt kenne, spielt Carrie liebend gern mit ihrer Garderobe herum und probiert Verschiedenes aus“, meint die Kostümdesignerin Molly Rogers, die bei Sex and the City und auch dem aktuellen Reboot And Just Like That… mitarbeitete. „Ich denke, das spiegelt sich in ihren kreativen Fashion-Entscheidungen wider.“

Carries Outfits sind nicht unbedingt zeitlos oder klassisch. Ihr persönlicher Style überdauert jedoch seine Zeit, weil er der Mode immer ein bisschen voraus war. Carries müheloses Styling führte zu unorthodoxen Outfits, die sie gleichzeitig elegant und lässig aussehen ließen. Meine liebsten Carrie-Bradshaw-Outfits lassen mich immer überlegen, wieso ich selbst eigentlich nie auf dieses Styling gekommen war – dicht gefolgt von der Überzeugung, dass das Outfit ja eigentlich ziemlich easy nachzustylen sein sollte. Wenn ich dann aber selbst vor meinem Schrank stehe, wird mir jedes Mal klar, dass es eben doch nicht so einfach ist.

Carrie dient vielen heutigen It-Girls als Inspiration – ob bewusst oder unbewusst. Ihr Style ist gleichzeitig nahbar, nachahmbar und doch immer ein bisschen bizarr. Nehmen wir mal Bella Hadid als Beispiel, die von der Fashion-Plattform Lyst zur einflussreichsten Modeikone 2022 gekürt wurde. Sie hat ein Talent dafür, kontroverse Outfits zusammenzustellen, und hat damit eine ganze Generation inspiriert. So kombiniert sie zum Beispiel Jogginghosen mit weißen Hemden, oder Ugg-Boots mit weißen Boxershorts und einer Motorradjacke. Dann wäre da noch das It-Girl der 2010er, Jenna Lyons – die jetzt in der neuen Staffel von The Real Housewives of New York erneut im Rampenlicht steht –, deren Mischung aus Eleganz und Lässigkeit zu ihrem Markenzeichen wurde. Wer könnte zum Beispiel ihre Kombi aus weißem T-Shirt und langem Federrock zu Solange Knowles’ Hochzeit 2014 vergessen? Oder ihren Auftritt bei der Met Gala in einem grellpinken Rock und einer Jeansjacke? Und dann wäre da natürlich noch Chloë Sevigny, deren Style so begehrenswert ist, dass im Mai 2023 Hunderte Leute beim Verkauf ihrer Garderobe darum kämpften, die schönsten Stücke zu ergattern.

All diese Outfits könnten genau so auch in Carrie Bradshaws Schrank hängen, und wie auch Carrie sind Leute wie Bella Hadid und Jenna Lyons ein Produkt ihrer Stadt New York, meint der Kostümdesigner Danny Santiago. „Ich glaube, die Frauen in New York haben in Sachen Mode so viele Möglichkeiten, die jederzeit für sie verfügbar sind“, sagt er. „Du brauchst hier bloß eine Straße entlangzulaufen, und schon entdeckst du irgendwas, was du vorher nie gesehen hast.“ Selbst 25 Jahre nach Sex and the City entwickelt sich New York natürlich immer weiter – und erschafft dabei dank seiner Boutiquen, Secondhand-Läden und sogar Straßenverkäufer:innen eine Art „Cool Girl Fashion“-DNA. Dabei denke ich zum Beispiel an Emma Rodelius, Gründerin des New Yorker It-Geschäfts Rogue, deren community-basierte Strategie in Sachen Mode und Verkauf, Zusammenarbeit mit wenig bekannten Designer:innen und kreative Sale-Mottopartys dafür gesorgt haben, dass Emma inzwischen selbst zum It-Girl geworden ist. Ihr Style (eine Mischung aus Vintage-Fendi-Baguette-Taschen und Jeans im Used-Look) spiegelt die lebhafte, unperfekte Energie der Stadt wider.

Leider bleibt der It-Girl-Status oft jungen Frauen vorbehalten. Hadid zum Beispiel ist noch in ihren Zwanzigern, während sich Lyons’ Aufstieg zum It-Girl in ihren 30ern und 40ern entwickelte (heute ist sie 55 Jahre alt). In And Just Like That… sehen wir aber erstmals auch ein It-Girl in ihren Fünfzigern. „Ich finde, Style sollte zelebriert werden, egal, wie alt du bist“, meint Rogers.

In der ersten Staffel von And Just Like That… schlüpfte Carrie in die Rolle der Podcast-Moderatorin und dokumentierte gleichzeitig via Instagram den Streetstyle anderer Leute. Wir bekamen ihren Markenzeichen-Style in einer völlig neuen Lebensphase zu sehen – wie die Kombi aus Gucci x Balenciaga-Tasche mit Denim-Rock und Vintage-Print-Kleid, ein Vintage-Kostüm von Jean Paul Gaultier, und natürlich Röcke aus Tüll. Carrie trug auch einige ihrer älteren Pieces – wie den Nietengürtel von Valentino aus dem ersten SATC-Film, sowie die paillettenbesetzte Fendi-Baguette-Tasche, die sie zuerst in der dritten Staffel von Sex and the City trug. Im Laufe der ersten Staffel bekamen wir mit Carries Nachbarin und Schmuckdesignerin Lissette (gespielt von Katerina Tannenbaum) auch eine Art jüngere Version von Carrie gezeigt, mit jeder Menge Vintage-Klamotten und einer bunten Mischung aus täuschend schlichten Accessoires. Durch die Gegenüberstellung der Styles dieser beiden Charaktere wird klar, dass Carries Mode-DNA – und ihre Ignoranz gegenüber Trends und zueinander passenden Farben, Mustern oder Stoffen – auch heute noch eine jüngere Generation von It-Girls inspiriert, sowohl im TV als auch in der realen Welt.

In Staffel 2 wollen sich Rogers und Santiago hinsichtlich Carries Style noch mehr austoben. Obwohl Carrie nie viel darauf zu geben schien, was andere von ihren Modeentscheidungen hielten (ich meine, sie trug sogar einen Vogel auf dem Kopf!), geht es ihr Santiago zufolge in ihren 50ern darum, gesellschaftlichen Erwartungen zu widerstreben. „In deinen 50ern hast du einen Punkt in deinem Leben erreicht, an dem dir egal ist, was andere denken“, sagt er. „Es geht darum, womit du dich wohl fühlst und wie du dich der Welt präsentieren möchtest.“ Und ja, dazu kann auch eine taubenförmige Handtasche von JW Anderson zählen – oder eine Tasse an der Tasche.