Hast du dich selbst schon mal gefragt, was du mit einem Therapeuten oder einer Therapeutin besprechen würdest, wenn du die Chance dazu hättest? Wir bitten Dr. Sheri Jacobson, einer pensionierten Psychotherapeutin mit über 17 Jahren Berufserfahrung, um ihren Rat zu all den Angelegenheiten, über die wir uns insgeheim den Kopf zerbrechen.
„Ich war noch nie in einer Beziehung und habe auch noch nie gedatet, nicht mal zu Schulzeiten“, erzählt die 29-jährige Maya. „Einige meiner Freund:innen, Cousinen, Cousins und meine Schwester sind schon verheiratet, und ich glaube, das wäre ich auch gern. Sie sagen mir aber, eine Ehe sei eine enorme Verpflichtung, von der sie nicht glauben, dass ich dazu bereit sei. Sie wollen, dass ich Single bleibe.“
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Manchmal spürt Maya aber, dass sie gar nicht ewig Single bleiben will. „Leider bin ich fast 30 und habe Angst, dass ‚der Richtige‘ für mich niemals kommt. Was kann ich tun, um mich von dieser Angst nicht lähmen zu lassen?“
Dr. Sheri Jacobson: Lass uns zuerst mal über das Dating und deinen Blick darauf sprechen. Wenn es darum geht, Dating-Partner:innen zu finden, die Dates zu organisieren und sich dann tatsächlich zu treffen, empfehle ich immer, verständnisvoll mit dir selbst umzugehen: Lass dir Zeit und sei nachsichtig – sowohl gegenüber dir selbst als auch hinsichtlich deiner Erwartungen an die andere Person. Je mehr du dich einfach treiben lassen kannst und dich nicht davon kontrollieren lässt, wie Dating deiner Meinung nach aussehen sollte, desto besser kannst du mit Enttäuschungen umgehen und die positiveren Erlebnisse genießen. Vielleicht sagst du mal irgendwas Peinliches oder benimmst dich daneben; vielleicht gerätst du ins Stottern oder kannst dich vor lauter Nervosität gar nicht darauf konzentrieren, was dein Gegenüber erzählt. All das ist total normal! Je mehr Verständnis wir uns selbst entgegenbringen, desto entspannter bleiben wir in einer potenziell stressigen Situation.
Danach betrachte das Ganze doch mal so, als seist du eine außenstehende Person, die eine Freundin in dieser Situation unterstützen möchte. Würdest du dieser Freundin sagen, sie müsste alles perfekt machen, um es nicht zu versauen? Würdest du ihr vorwerfen, sie sei nicht gut genug und dass ihr Date das sofort erkennen würde? Oder würdest du ihr gut zureden und ihr versichern, dass es total okay ist, auch mal einen Fehler zu machen?
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Es ist klar zu erkennen, dass dich der Blick deiner Familie und Freund:innen auf deine Situation beeinflusst. Egal, wie sehr wir uns auch anstrengen: Wir können nie das kontrollieren, was andere über uns sagen, wie sie sich verhalten und was sie denken könnten. Es kann schwer sein, das zu akzeptieren. Das heißt aber nicht, dass es ein Versagen deinerseits sei, dich von diesen Meinungen beeinflussen zu lassen. Wir leben schließlich nicht in einem Vakuum, und wir sind empfindliche Kreaturen!
Du kannst aber sehr wohl mitbestimmen, wie du auf diese Gedanken, Gefühle und Meinungen anderer Leute reagierst. Wenn dein Selbstwertgefühl und dein Selbstbild stark genug sind, kannst du dich alldem nämlich entgegensetzen. Wenn du glaubst: „Ich bin gut genug“, werden dich die Reaktionen anderer Leute weniger aus der Bahn werfen. Dann kannst du anerkennen, dass sie durchaus ein Recht auf ihre eigene Perspektive haben – aber dass dich das nicht davon abhalten sollte, dich deinem eigenen Ziel zu nähern, ganz unabhängig davon, was sie davon halten.
Deswegen ist es in dieser Situation am wichtigsten, dir zu überlegen, was du eigentlich willst; nicht, was andere von dir wollen könnten. Die Therapie ist dazu ein sehr gutes Umfeld. Selbstgespräche und Gedanken sind zwar wichtig und gut; manchmal kann es aber helfen, mit jemandem darüber zu sprechen, um dich nicht ewig im Kreis zu drehen. Vermutlich wirst du auf die Frage „Was willst du?“ keine definitive Antwort finden. Im Laufe der Zeit kannst du dadurch aber ein besseres Verständnis von dir selbst entwickeln.
Dazu kannst du dich zum Beispiel mit deiner Beziehung zum Konzept der Ehe auseinandersetzen. Was bedeutet eine Ehe für dich? Was ist dir daran so wichtig, zu heiraten? Geht es dir dabei um den starken Bund? Um den Status? Um den gesellschaftlichen Druck – eine Erwartung, der du entsprechen willst?
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Ich verstehe, dass du große Angst davor hast, nie eine Beziehung führen zu können. Du kannst aber daran arbeiten, deine Zukunftsangst unter Kontrolle zu bekommen und gleichzeitig mit deiner aktuellen Situation glücklich zu sein. Wenn es uns gelingt, im Hier und Jetzt zufrieden zu sein und uns einen Überblick darüber zu verschaffen, was wir eigentlich schon erreicht und erlebt haben, fokussieren wir uns nicht so auf die unbekannte Zukunft. Dankbarkeit ist dahingehend eine gute Übung; sie hilft dir dabei, deine Gegenwart stärker zu schätzen. Dazu kannst du dir täglich morgens oder abends drei Dinge überlegen, für die du generell dankbar bist, gefolgt von drei Dingen, für die du in dir selbst dankbar bist. Es gibt viele Untersuchungen, die beweisen, dass sich diese Übungen enorm auf unsere Gesundheit, unser Wohlbefinden und unseren psychologischen Zustand auswirken können, weil wir uns dabei gezielt auf das konzentrieren, was wir haben, anstatt darauf, was uns fehlt.
Das Ziel sollte nicht sein, deine Angst zu verbannen, sondern sie zu kontrollieren, indem du dich auf die Gegenwart fokussierst. Nur so können wir nämlich lernen, das wertzuschätzen, was bereits da ist – und daraus zu erkennen, was wir uns in der Zukunft wirklich wünschen.
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