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Was, wenn ich mehr als nur eine Love Language habe?

Foto: Refinery29.
Ich starre Frage Nr. 21 nachdenklich an, während mein grüner Textmarker über dem Blatt schwebt. „Er guckt nicht aufs Handy, während wir uns unterhalten“, lautet Option B. Klingt richtig. Aber da ist ja auch noch Option D: „Er bemüht sich aktiv darum, mir eine Last von den Schultern zu nehmen.“ Ich muss mich zwischen beiden entscheiden – und markiere zögerlich Option D.
Ich arbeitete mich durch dieses „Love Language Quiz“ (aus dem Buch Die 5 Sprachen der Liebe von Gary Chapman), um herauszufinden, welche meine stärkste „Love Language“ sein könnte – und es war nicht das erste Mal, dass mir schwer fiel, mich darauf festzulegen, wie ich Liebe am liebsten geben und empfangen möchte.
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„Die fünf Sprachen der Liebe wurden von Gary Chapman erfunden“, erklärt die Dating- und Beziehungsberaterin Dr. Kathrin Bejanyan. „Laut seiner Theorie geben und empfangen wir Liebe innerhalb einer Beziehung auf fünf verschiedene Arten. Dabei sind uns diese fünf Love Languages unterschiedlich wichtig.“

Was sind die fünf Love Languages bzw. Sprachen der Liebe?

Laut Chapman lässt sich unsere Art zu lieben in fünf „Sprachen“ aufteilen: „Lob und Anerkennung“, „Zweisamkeit“, „Geschenke, die von Herzen kommen“, „Hilfsbereitschaft“ und „Zärtlichkeit“. „Laut Chapman haben wir meist eine primäre Love Language, obwohl wir auch die anderen genießen können“, erklärt Bejanyan.
Ich verstehe, wieso diese Theorie so geschätzt wird: Sie ist sehr pragmatisch. „Die fünf Love Languages sind ein leicht zu verstehendes Werkzeug, um Beziehungen zu verbessern“, meint der Psychotherapeut Jack Worthy. „Chapman hat beobachtet, dass es bei unserem Ausdruck von Liebe zu Missverständnissen kommen kann, weil wir oft verschiedene Sprachen der Liebe sprechen“, sagt er. „Daher ist es wichtig zu wissen, wie dein:e Partner:in (oder Freund:in oder Verwandte:r) geliebt werden möchte, um diesem Menschen Liebe auf seine Art zu schenken, nicht auf deine (wozu wir häufig neigen).“
Es wäre untertrieben, zu behaupten, die fünf Love Languages seien ziemlich beliebt. Ich begegne nur selten jemandem (zumindest in meiner 30er-Altersklasse), der oder die nicht eine der Love Languages als eigene „Hauptsprache“ betrachtet. Ich selbst konnte aber noch nie mit Sicherheit behaupten, mich mit einer davon am meisten zu identifizieren.

Kann man sich auch mit mehreren Love Languages identifizieren? 

Mein Quiz lieferte mir folgendes Ergebnis: „Quality time“, also „Zweisamkeit“, brachte es mit acht Punkten auf den ersten Platz; „Geschenke“ landeten mit sieben Punkten auf Platz zwei; danach kam „Lob und Anerkennung“ („words of affirmation“) mit sechs Punkten; „Zärtlichkeit“ („physical touch“) mit fünf; „acts of service“, also „Hilfsbereitschaft“, war mit vier Punkten auf dem letzten Platz. Klar war jedenfalls: Sonderlich aussagekräftig war mein Ergebnis nicht. Interessanterweise machte ich das Online-Quiz ein paar Tage später nochmal, und wieder landete die Zweisamkeit ganz oben. Ich bin trotzdem nicht davon überzeugt, dass diese „quality time“ wirklich meine primäre Form von Liebe sein soll. Versteh mich nicht falsch: Sie ist mir trotzdem extrem wichtig – aber dasselbe gilt eben auch für die anderen Love Languages. Ich habe das Gefühl, bei diesen Quizzes geht es weniger um das Ergebnis und viel mehr darum, wie leicht es dir fällt, dich überhaupt für die Antworten zu entscheiden. Ich musste jedes Mal etwas auswählen – aber war bei fast jeder Frage total hin- und hergerissen zwischen den möglichen Optionen. Es fühlte sich für mich nie richtig an, eine Form der Liebesbekundung der anderen vorzuziehen. Ich will ihnen allen dasselbe Gewicht geben.
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Das kennt auch die 26-jährige Sophia. „Ich glaube, ich bin tatsächlich in allen fünf Sprachen der Liebe sehr aktiv. Das kommt aber immer darauf an, mit wem ich meine Zeit verbringe“, erzählt sie mir. „Ich würde sagen, ‚Lob und Anerkennung‘ und ‚Geschenke‘ sind bei mir am stärksten ausgeprägt, wenn ich mit Leuten zusammen bin, die mir wichtig sind. In einem romantischen Kontext schätze ich aber vor allem Zärtlichkeiten und Zweisamkeit. Ganz ehrlich: Ich finde, jeder Mensch zeigt oft alle Sprachen der Liebe. Deswegen ist es schwer, sich konkret für eine zu entscheiden.“
„Wir sind alle ganz individuell“, meint Bejanyan. „Manche haben vielleicht keine Vorliebe für eine spezifische Love Language, oder sie schätzen mehrere gleich stark. Dadurch lassen sich die Sprachen der Liebe für sie nur schwer hierarchisch einordnen.“
Ich hatte mich vorher sehr darauf gefreut, Chapmans Buch zur Vorbereitung auf diesen Artikel zu lesen. Nachdem ich es durch hatte, war ich aber ehrlich gesagt ein bisschen enttäuscht. 
Das Buch ist keine aufschlussreiche, generelle soziologische Untersuchung der verschiedenen Arten, wie Menschen lieben und geliebt werden. Stattdessen liest es sich wie eine heteronormative Ehe-Anleitung, die veraltete Gender-Rollen bestärken und sicherstellen will, dass Ehepaare auch verheiratet bleiben – komme, was wolle. Wie jemand auf Goodreads schreibt: „Es ist ziemlich offensichtlich, dass sich dieses Buch an weiße, christliche, monogame Hetero-Paare richtet.“ Die Theorie der Love Languages macht zwar durchaus Sinn – und ist, laut Bejanyan, eine „sehr solide und klare Möglichkeit, unsere verschiedenen Liebesbedürfnisse und -erfahrungen innerhalb einer Beziehung zu erklären“ –, aber das Werk, auf dem die Theorie fußt, ist tatsächlich ziemlich erschreckend.
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Das Buch wurde 1992 veröffentlicht, vor über 30 Jahren also, und das ist deutlich zu spüren. Es ist wichtig, dass wir uns immer weiter mit jahrzehntealten Beziehungstheorien und -trends auseinandersetzen – und sie hinterfragen –, während sich unsere Gesellschaft weiterentwickelt. (Das gilt zum Beispiel für die Bindungstheorie und Kompatibilitätstests.) Wenn nötig, müssen wir diese Theorien dann eben aktualisieren oder auch verwerfen. Wir müssen die Love-Languages-Theorie somit nicht als perfekten, unveränderlichen Geistesblitz betrachten, der sich niemals an aktuelle Gegebenheiten anpassen ließe. Wenn dir die Love-Languages-Theorie hilft, wie sie ist, ist das super! Die Sprachen der Liebe müssen sich aber nicht zwangsläufig auf fünf beschränken, und wir müssen uns auch nicht für den Rest unseres Lebens auf eine primäre Sprache festlegen. 
Die 24-jährige Liv liebt die Idee der fünf Love Languages. „Vor allem, weil sie die Leute dazu bringt, miteinander darüber zu sprechen! Alles, was mehr Gespräche über Intimität und emotionale Gesundheit anregt, ist für mich ein absoluter Erfolg.“ Sie betrachtet die Theorie aber eher als Ausgangspunkt, nicht als Endziel. „Das ist nicht die einzige Möglichkeit, wie du mehr über dich und deine emotionalen Bedürfnisse herausfinden solltest.“
Livs primäre Love Language ist „Lob und Anerkennung“. Sie ist aber nicht der Meinung, dass jeder Mensch eine primäre Sprache der Liebe hat. „Wir haben so viele Facetten, die sich nicht alle in eine Schublade stecken lassen“, meint sie. „Wenn ich nur selten gemeinsame Zeit mit meinem Partner hätte, wären mir Lob und Anerkennung auch egal. Eins kann das andere nicht ausgleichen.“
„Ich finde, die Theorie könnte auf jeden Fall davon profitieren, wenn man sie nicht so ernst nimmt“, denkt auch Bejanyan. „Nicht jeder Mensch lässt sich perfekt einer Kategorie zuordnen. Wir sind viel zu komplex dafür! Gleichzeitig kann die Theorie auch nicht alle Probleme in einer Beziehung erklären. Sie ist ein Werkzeug, das wir nutzen können, um uns selbst und unsere Beziehung besser zu verstehen – aber nicht, um uns selbst in klar voneinander getrennte Schubladen einzuordnen.“
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Noch dazu kann sich unsere Vorliebe für diese oder jene Love Language im Laufe der Zeit verändern. „Wir verändern uns konstant weiter. Als Konsequenz dessen können sich auch unsere Bedürfnisse innerhalb einer Beziehung verlagern“, erklärt Bejanyan. „Was wir als Liebesbeweis deuten, kann sich mit dem Alter und abhängig von unserer unserer Situation ändern. Mit 20 finden wir vielleicht Lob und Anerkennung besonders reizvoll – mit 40, mit Kindern, einem Vollzeitjob und einem vollen Kalender, freuen wir uns aber eventuell mehr über Hilfsbereitschaft.“
Es kann aber natürlich auch sein, dass du bloß noch nicht genau weißt, welche deine primäre Love Language ist. „Unser Temperament ist der Teil unserer Persönlichkeit, den wir vererbt bekommen“, erklärt Worthy. „Unser Temperament verändert sich nicht mit der Zeit – stattdessen entwickelt es meist einen immer stärkeren Einfluss auf unser Verhalten. Ich vermute, dass unsere liebste Love Language eine Konsequenz des Temperaments ist. Ich schätze also, dass wir uns mit zunehmendem Alter immer mehr zu einer bestimmten Love Language hingezogen fühlen, weil wir uns selbst immer besser kennenlernen.“
Selbst wenn du glaubst, dich mehreren Love Languages gleich stark verbunden zu fühlen, ist es dennoch hilfreich zu wissen, welche dir weniger wichtig sind, meint Worthy. „Dein:e Partner:in möchte bestimmt erfahren, dass du Geschenke beispielsweise weniger schätzt als Berührungen oder Komplimente.“
Letztlich ist es auch völlig okay, wenn du dich mit allen fünf Love Languages gleichermaßen identifizierst. Das kann aber natürlich dazu führen, dass dein Umfeld nicht genau weiß, wie es dir Liebe am besten zeigt. „Das ist nicht gierig. Du solltest dich dann aber auch in dein Gegenüber hineinversetzen: Wie gut ist er oder sie darin, deine emotionalen Bedürfnisse zu erfüllen? Wenn du mehr als eine Love Language für am wichtigsten hältst, sprich mit deinen Liebsten darüber, welche ihnen am leichtesten fällt. Davon habt ihr beide was.“
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Lass dir auch nie ein schlechtes Gewissen einreden, weil du mehr als nur eine Love Language „verlangst“ und selbst „sprichst“. „Zwing dich nicht dazu, in eine Kategorie zu passen, in die du einfach nicht gehörst“, meint Bejanyan. „Nutze die Love Languages einfach nur als Ausgangspunkt, um dich selbst, deine Beziehung und eure Erfahrung von Liebe besser zu erkunden. Wir sind so viel mehr als nur eine bestimmte Kategorie.“
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