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Es ist immer peinlich, geil zu sein – nicht nur für Adam Levine

Foto: Axelle/Bauer-Griffin/FilmMagic/Getty Images.
Geilheit wird oft als lustiges Problem dargestellt. Einem Cartoon-Wolf ploppen die herzförmigen Augen raus, während seine Zunge teppichartig auf den Boden rollt. Jason Biggs beglückt in American Pie den Apfelkuchen. Zwei Beispiele von vielen, in denen Geilheit schon fast als Slapstick durchgeht. In Wahrheit sieht sie aber natürlich ganz anders aus. Manchmal tut es körperlich fast schon weh, geil zu sein. Wenn wir das Foto einer heißen Person sehen, reagieren wir darauf häufig mit einem gequälten Aufseufzen. Wenn gewisse Männer einfach bloß ein weißes T-Shirt tragen… Furchtbar. Schlimm. Komme ich gar nicht drauf klar. Und mal ehrlich: Für viele Leute reicht es schon zum Geilwerden, wenn Frauen einfach bloß existieren.
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Geilheit ist der Ort, an dem absolute Verletzlichkeit und Lust aufeinandertreffen. Ein pinker Nebel zieht sich durch dein Hirn und lässt dich bizarre Dinge tun – wie die absurden Verrenkungen für ein Selfie, auf dem Brüste und Po zu sehen sind, das du dann an einen Kontakt in deinem Handy schickst, den du (eigentlich aus gutem Grund!) „ARSCHLOCH! BLOSS NICHT RANGEHEN!!!!“ genannt hast. Und wenn du so etwas abschickst, erhoffst du dir im Idealfall eine Antwort à la:
Fuckkkkkk
Dafür würde ich alles tun“
Denn genau das macht gutes Sexting aus: Zwei gequälte Seelen, die sich für die Chance, ihre dreckigen Gedanken auszuleben, selbst freiwillig erniedrigen. Leider leben wir in einer Zeit, in der schon ein lieblos abgeschicktes Feuer-Emoji auf Instagram als „Flirten“ gilt – weswegen heterosexuelle Männer fast schon amüsant schlecht im Sexten sind. Das hat zum Teil mit Angst zu tun, zum Teil mit Unsicherheit oder Unfähigkeit – vor allem aber mit Gleichgültigkeit. Schon seit Jahren beschweren sich Frauen darüber, sich selbst beim Flirten quasi ein Bein auszureißen, nur um dafür ein mäßig enthusiastisches „Wow“ zu bekommen. Genau deswegen verwirrt es mich ein wenig, dass Adam Levines „flirty“ Nachrichten an das Model Sumner Stroh überwältigende Kritik ernten – nicht, weil er angeblich seine schwangere Frau (Victoria’s-Secret-Model Behati Prinsloo) betrogen haben soll, sondern wegen der enttäuschenden erotischen Qualität dieser Nachrichten. Eine Person schrieb, Levine würde „sexten, als sei er 17 und hätte noch nie Sex gehabt“.
Was dabei aber niemand so richtig zu akzeptieren scheint, ist das: Sexting ist extrem peinlich, weil Geilheit extrem peinlich ist. Das Einzige, was demütigender ist, als beim Sex erwischt zu werden, ist es, beim Versuch erwischt zu werden,Sex zu haben. Überleg mal: Wie oft hast du dich schon im Büro oder im Bus in Gedanken an jemanden verloren, auf den oder die du stehst, und bist 20 Minuten später „aufgewacht“, ohne zu wissen, wie viel Zeit vergangen ist oder wo du gerade bist? Wie oft bist du wieder zu jemandem ins Bett gekrochen, der oder die dich schon respektlos behandelt hat, aber einfach so gut aussieht? Wie kindisch, wie pubertär ist es eigentlich, dich von einem tiefen Ausschnitt oder einer gut sitzenden Jeans dermaßen aus der Bahn werfen zu lassen, dass du hintereinander sechs DMs voller Rechtschreibfehler abschickst? Wahre Geilheit ist ein völlig überwältigendes Gefühl – wie ein Zauber, oder eher ein Fluch, der dich dazu bringt, Sachen zu tun oder zu sagen, die du sonst weder tun noch sagen würdest. In vielerlei Hinsicht ist Geilheit unser sechster Sinn. Alle anderen Sinne verabschieden sich, sobald er das Ruder übernimmt, und erscheinen uns umso stärker, wenn er wieder verschwindet. Im kalten Tageslicht werden uns dann auch all seine Begleiterscheinungen schmerzhaft bewusst: die Verzweiflung, das Betteln, die Scham. Aber all das gehört leider eben irgendwie dazu.
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Adam Levine ist, anhand der Nachrichten, die wie ein Lauffeuer im Internet kursieren, ganz offensichtlich zutiefst geil. Von „Es ist echt unwirklich, wie fucking heiß du bist“ bis hin zu „Deinen Arsch auf diesem Tisch wackeln zu sehen, wird für immer Narben in mir hinterlassen“: Diese Nachrichten zeigen uns einen Mann, der sämtliches rationales Denken und seinen Selbstrespekt abgeschaltet hat. Er ist quasi auf seinen Knien und bettelt, und das passiert nun mal häufig, wenn du Sex haben willst. The Cut nannte die Nachrichten ein „Verbrechen an der Romantik“, während Jezebel schrieb, der Maroon-5-Frontmann sei „kein großer Wortschmied“. Ich weiß ja nicht, wie es dir geht – aber wenn ich mir Romantik wünsche, suche ich mir jemanden, der oder die mir meine Joints rollt und mich um halb eins nachts zu Burger King fährt. Wenn ich mir Poesie wünsche, lese ich Joan Didion. Wenn mir jemand in einer sorgsam formulierten, grammatikalisch korrekten WhatsApp-Nachricht schreiben würde, wie sehr er oder sie auf mich steht – wie James Joyce, der Nora Barnacle schrieb, er wolle die Fürze aus ihrem Arsch ficken –, würde ich um mein Leben rennen. Mein Motto: Lass dich auf keinen Typen ein, der deine Nacktbilder sieht und darauf mit etwas Verständlicherem als tity huge booby ,, fuck reagieren kann.

Wahre Geilheit ist ein völlig überwältigendes Gefühl – wie ein Zauber, oder eher ein Fluch, der dich dazu bringt, Sachen zu tun oder zu sagen, die du sonst weder tun noch sagen würdest.

Klar sind Adam Levines Nachrichten insofern absolut verurteilenswert, dass er (vermeintlich) während der Schwangerschaft seiner Frau eine Affäre hat. Was ihre Qualität als Sexting-Nachrichten angeht, sind sie aber vollkommen okay. Vielleicht sogar gut. Auf jeden Fall sind sie mutig. Schließlich können wir alle Timothée Chalamet oder Harry Styles anschmachten und tiefgründige, akademische Essays über ihre unaufdringlichen Reize schreiben. Wir zögern nicht lange, bevor wir ein „mommy!“ unter TikToks von Doja Cat schreiben oder unsere Münder aufreißen, damit Slowthai reinspucken kann. Wenn es aber darum geht, uns jemandem zu öffnen, mit dem oder der wir wirklich etwas anfangen könnten, zucken wir oft zurück – aus Angst davor, abgelehnt zu werden. Oder aber wir geben uns der ungehemmten Peinlichkeit hin. So wie Adam Levine.
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Ganz egal, aus welchem Blickwinkel du das Thema betrachtest: Beim Sex geht es immer um Macht. Wie viel Macht überlässt du deinem Gegenüber – welche Macht, und wem? Ich persönlich würde nie auf eine Sexting-Nachricht reagieren, die sich nicht so anhört, als würde der:die Verfasser:in für eine Chance auf Sex mit mir auch freiwillig über glühende Kohlen laufen. Als ich das so in etwa in meinen Storys schrieb, kommentierte dazu jemand: „Wenn meine Sexts jemals das Tageslicht erblicken würden, würde man mich (zurecht) dafür fertigmachen. So ist das einfach.“ Das sehe ich auch so. Wir können Adam Levine dafür hassen, wie er sich in Sachen Ehe und Anstand verhält (und meinetwegen auch für seine Musik) – aber nicht dafür, dass er das ausspricht, wofür viele von uns heute viel zu feige sind: „Ich muss deinen Arsch sehen.“
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