WERBUNG
WERBUNG

Mein Freund ist ausgezogen & es hat unsere Beziehung gestärkt

Foto: Meg O'Donnell.
Sav war 24 Jahre alt, als sie ihren Freund Steve, 29, im Fitnessstudio kennenlernte. Obwohl sie erst seit unter einem Jahr zusammen waren, als die Corona-Pandemie losging, beschloss das Paar, zusammenzuziehen, um auch im Lockdown Zeit miteinander verbringen zu können.
Nachdem sie aber ein Jahr lang mit Steve und seinem Sohn gelebt hatte, der die Hälfte der Woche bei ihnen wohnte, fiel Sav das Zusammenleben immer schwerer. „Ich gebe von Natur aus immer nach“, erzählt sie. „Ich füge mich meistens dem, was andere von mir erwarten. So wurde ich erzogen. Das hat auch damit zu tun, dass ich das erstgeborene Kind in einem indischen Haushalt war.“
WerbungWERBUNG
„Das machte ich auch ganz natürlich so für Steve und seinen Sohn. Ich achtete immer mehr darauf, was sie wollten, als auf das, was ich wollte. Das sorgte aber dafür, dass ich es wochenlang kaum aus dem Bett schaffte. Ich war einfach so down. Ich konnte kaum reden, weinte sehr fiel und hatte Probleme, was zu essen. Das lag daran, dass ich alles für sie machte – und niemand mehr etwas für mich.“ Da wurde Sav klar, dass sie damit anfangen musste, sich selbst mehr zu priorisieren. Also zog sie aus und suchte sich eine eigene Wohnung.

Die meisten meinten: „Okay, ihr werdet euch definitiv trennen.“ Dabei war das nie meine Absicht. Es ging mir nur darum, mehr auf mich selbst zu achten.

Sav
Louise war 29, als sie ihren Partner Shaun, 32, im September 2019 zu daten begann. Im Dezember desselben Jahres suchten sie bereits nach einer gemeinsamen Wohnung. „Das war einfach ein natürlicher Schritt. Sein Mietvertrag war kurz davor auszulaufen. Er war sich unsicher, ob er ihn verlängern oder mit mir zusammenziehen sollte“, erzählt Louise. „Es ergab einfach Sinn für uns, zusammenzuziehen. Damals lebte ich noch bei meinem Vater.“
Die anfängliche Freude verebbte aber schnell. Shaun und Louise stellten schon nach kurzer Zeit fest, dass sie den Großteil ihres Geldes für die Miete ausgaben und kaum noch etwas für andere Dinge übrig hatten. Dann, im März 2020, schlug Corona zu. 
All diese Faktoren übten enormen Druck auf Louises und Shauns frische Beziehung aus, und vor allem Shaun wurde die Last zu viel. Nachdem er zwei Monate lang hin- und herüberlegt hatte, teilte er Louise schließlich mit, dass er ausziehen wollte. Louise war schockiert. „Ich sagte zu ihm: ‚Wenn du nicht mit mir zusammenwohnen willst, will ich nicht mit dir zusammen sein, weil das einfach wie ein großer Schritt zurück wirkt‘“, meint sie. Schluss machte sie dann aber doch nicht.
WerbungWERBUNG
Abgesehen davon, dass Louise versuchte, mit ihren eigenen Gefühlen rund um Shauns Auszug klarzukommen, fiel es ihr auch schwer, das damit einhergehende Stigma zu bewältigen. Viele ihrer Freund:innen sagten ihr, Shaun würde sie nur verarschen. „Viele Außenstehende erlauben sich schnell ein Urteil“, meint sie. Zum Glück bekam sie von ihrer Familie mehr Support. „Die sagten: ‚Ihr habt das mit dem Zusammenziehen ohnehin überstürzt.‘“
Sav erzählt, dass ihr engstes Umfeld ähnlich reagierte, als sie beschloss, aus der gemeinsamen Wohnung mit Steve auszuziehen. „Die meisten meinten: ‚Okay, ihr werdet euch definitiv trennen.‘ Dabei war das nie meine Absicht. Es ging mir nur darum, mehr auf mich selbst zu achten“, sagt sie.
Die Beziehungs- und Intimitäts-Coach Jodie Milton meint, es sei überhaupt nicht ungewöhnlich für Paare, schon zusammenzuziehen, bevor sie dazu bereit sind – und dann wieder ausziehen zu wollen. „Situationen wie ein Einkommensverlust, eine Kündigung eines Mietvertrags oder ein Umzug in eine neue Stadt können dafür sorgen, dass Pärchen zu früh zusammenziehen“, erklärt sie.
Ein zu schnelles Zusammenziehen ist aber nicht der einzige Grund, aus dem sich Paare dazu entscheiden, wieder getrennt voneinander zu leben. Jodie zufolge beschließen einige Pärchen auch einfach, aufgrund unterschiedlicher persönlicher Interessen und/oder Geschmäcker in verschiedenen Gegenden zu wohnen. Ein getrenntes Wohnen erlaubt es ihnen auch, genau das zu haben, was sie jeweils wollen. 
„Für manche Paare sorgt das Zusammenleben dafür, dass sich die Beziehung ein bisschen fad anfühlt. Wenn sie ihr Wohn-Arrangement verändern, kann das der Beziehung mehr Wertschätzung und Erotik einhauchen“, sagt sie. „Im Laufe der Zeit verlieren manche Menschen innerhalb einer Beziehung ihr Gefühl für sich selbst. Das Getrenntwohnen ist dann eine Möglichkeit, sich selbst wieder mehr Priorität einzuräumen.“
WerbungWERBUNG
Shaun und Louise gaben ihre gemeinsame Wohnung schließlich auf. Shaun zog wieder zurück zu seinen Eltern, Louise zu ihrem Vater, wo sie heute weiterhin in einem kleinen Zimmer wohnt. Das Zusammenleben hatte ihre geistige Gesundheit enorm beeinträchtigt. „Ich war nicht glücklich“, sagt sie.
Sav zufolge fiel Steve die Umstellung schwer, und sie gibt zu, dass sie ihm ihre Bedürfnisse besser hätte kommunizieren können. „Ich dachte dabei nicht wirklich an seine Gefühle“, räumt sie ein. „Ich steckte sehr in meinem eigenen Kopf fest, so nach dem Motto: ‚Oh, scheiße, ich muss hier weg.‘“
Jodie betont, dass es schwer sein kann, vom eigenen Partner bzw. von der eigenen Partnerin hören zu müssen, dass er oder sie nicht mehr mit dir zusammenwohnen möchte. Sie findet es daher sehr wichtig, dass die Person, die das Gespräch anstößt, ihrem Gegenüber versichert, dass es dabei nicht darum geht, die Beziehung zu beenden, und diese Entscheidung nichts über die Gefühle für den:die Partner:in zu sagen hat.
„Frage deine:n Partner:in, wie er oder sie darüber denkt, was du erzählt hast, und ob er oder sie dahingehend irgendwelche Sorgen oder Bedenken hat. Höre dir diese Ängste einfühlsam an und schmiedet gemeinsam einen Plan dafür, damit diese Ängste nicht real werden“, empfiehlt sie. „Ihr solltet das Thema auch mehrmals anschneiden, anstatt davon auszugehen, dass sich das Ganze in einem Gespräch klären lässt. Dein:e Partner:in braucht vielleicht mehr Zeit, um die eigenen Gefühle dazu zu verarbeiten.“
Für andere Paare wie Chloe, 26, und ihren Partner Alex, 27, war die Entscheidung zu einem Auseinanderziehen ziemlich einvernehmlich. Nachdem sie mit Anfang 20 in ihrem letzten Studienjahr zusammengewohnt hatten, beschlossen sie danach, aus finanziellen Gründen getrennt zu leben. „Es ergab Sinn, wieder bei meinen Eltern einzuziehen, damit ich ein bisschen was ansparen konnte“, erzählt Chloe. 
WerbungWERBUNG
Abgesehen davon, dass Chloe dadurch ihr Konto aufstocken konnte, erlaubte das Getrenntwohnen ihr und Alex auch wieder, auf richtige Dates zu gehen und bedeutsamere Zeit miteinander zu verbringen. „Wenn du mit jemandem zusammenlebst, ist es ganz normal, sich jeden Tag zu sehen. Man unternimmt zusammen nicht mehr so viel“, sagt sie. „Es war schön, uns auch mal wieder zu treffen und uns auf diese Treffen zu freuen.“
Nachdem sie drei Jahre lang getrennt gewohnt hatten, beschlossen Chloe und Alex im November 2019, wieder zusammenzuziehen. „Durch meinen Job war ich finanziell viel besser abgesichert“, sagt sie. „Während des Lockdowns verbrachten wir dann viel Zeit zusammen zu Hause, das war echt schön. Unser Zusammenziehen war vom Timing her super.“
Louise erzählt, dass auch sie und Shaun die Entscheidung schließlich als positiv empfanden, als Gras drüber gewachsen gewachsen war und beide wussten, wo sie beieinander standen. „Wir konnten uns wieder zu Dates verabreden, aber auch Zeit allein verbringen. Wir freuten uns wieder mehr darauf, einander zu sehen, und hatten gleichzeitig mehr Freiraum für uns.“
Vor ein paar Monaten beschlossen die beiden dann, dass sie inzwischen bereit waren, wieder zusammenzuziehen. Sie sind jetzt seit über dreieinhalb Jahren zusammen und Louise zufolge ist ihre Beziehung heute „viel stabiler“.
„Unsere Kommunikation hat sich verbessert. Wenn er sich wegen etwas Sorgen macht, können wir diese Sorgen zusammen angehen, als Team“, erzählt sie. „Die Leute sollten viel offener dafür sein, sich mehr Freiraum zu geben oder auch mal einen Schritt zurück zu machen. Manchmal ist das die gesündere Option, und daran ist nichts falsch. Vielleicht ist die Beziehung danach sogar stärker.“
WerbungWERBUNG
Obwohl Sav und Steve weiterhin getrennt leben, ist ihre Beziehung weiterhin stark. „Er bekommt jetzt auch meine ehrgeizige Seite zu sehen. Er hat dadurch eine ganz neue, selbstbewusste Freundin, die er nicht hatte, als ich mit ihm zusammenwohnte“, erzählt sie. „Es macht mich sehr glücklich zu entdecken, wer ich außerhalb unseres Zusammenlebens bin. Heute reden wir sogar davon, uns zu verloben und weiterhin getrennt zu leben.“
Sav hat ihre Geschichte auch auf TikTok geteilt, um anderen mit ähnlichen Probleme zu helfen. „Wenn du deine Beziehung über dich stellst, bedeutet das nicht, dass du dich oder deine:n Partner:in priorisierst, sondern die Idee eurer Beziehung über euch beide stellst. Das ergibt aber keinen Sinn“, sagt sie. „Also sei selbstsüchtig und entscheide dich, was du tun willst – aber stelle das auch klar.“
DashDividers_1_500x100_2
Lust auf mehr? Lass dir die besten Storys von Refinery29 Deutschland jede Woche in deinen Posteingang liefern. Melde dich hier für unseren Newsletter an!

More from Relationships

WERBUNG