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Ich bin 27 & wurde mit dem Coronavirus ins Krankenhaus eingeliefert

Photo courtesy of Jessica Morgan.
Millennials sind anscheinend nicht sehr beunruhigt über das sich verbreitende Coronavirus. Obwohl wir nicht alle längst so verantwortungslos sind wie die jungen Leute, die damals via Kamera beim Spring Break in Florida festgehalten wurden (wir erinnern uns: „Wenn ich Corona bekomme, dann bekomme ich es eben“), so liegen die größten Sorgen bei den Menschen doch eher bei den ökonomischen Wehen der Pandemie. Wir können vielleicht nicht mehr unsere Miete zahlen, aber hey, wir sind jung! Wir sind gesund! Wir können zwei mal die Woche irgendwelche online Bootcamps machen! Selbst wenn wir das Virus kriegen, werden wir okay sein. Immerhin war die Message ja ziemlich eindeutig: Je älter man ist, desto höher ist das Risiko, an COVID-19 zu erkranken.
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Aber das Blatt hat sich gewendet. Bei einer Pressekonferenz letzte Woche hat der Direktor-General der Weltgesundheitsorganisation (WHO) Tedros Adhanom Ghebreyesus die Warnung ausgesprochen: „Ich habe eine Message für die jungen Leute: Ihr seid nicht unbesiegbar, das Virus könnte euch für Wochen ins Krankenhaus verfrachten oder sogar töten.” Er hatte recht. Nur wenige Tage nach meinem 27. Geburtstag, wurde ich durch den Coronavirus ins Krankenhaus eingeliefert.
In den Wochen vor der Viruserkrankung war ich ziemlich gesund. Ich rauche nicht, ich trinke kaum und ich mache häufig Sport. Ich habe kein Asthma, nur leichten Heuschnupfen und brauche nur ganz selten einen Inhalator. Naja, zumindest war das bis jetzt so.
Am Mittwoch vor zwei Wochen habe ich angefangen, mich unwohl zu fühlen. Ich bin total müde und gerädert aufgewacht, als ob ich schlecht geschlafen hätte. Dabei war ich zuhause gewesen und hatte mich um meine Mutter gekümmert, die eine Woche zuvor positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Während mir irgendwie klar war, dass ich ebenfalls an dem Virus erkranken könnte, hatte ich nicht gedacht, dass es mich so schnell und hart treffen würde. In dieser Nacht wachte ich immer wieder mit hohem Fieber auf. Ich war von Schweiß durchnässt, mein Herz schlug wie wild und ich fühlte mich schwach. Als ich meine Temperatur maß, zeigte es 39 Grad an. Etwas war also ganz und gar nicht okay. Bereits am Freitag konnte ich nicht mehr aus dem Bett heraus. Mein ganzer Körper war komplett heruntergefahren. Ich habe die meiste Zeit des Tages geschlafen und konnte auch nichts essen. Am Samstag fühlte ich mich wie in einem Boxkampf, bei dem mir jemand konstant gegen die Schläfen haut. 
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Als Familie waren wir bereits über einen Monat in Selbst-Isolation und bis dahin hatte ich die Zeit damit verbracht, im Haus herum zu rennen und sicherzustellen, dass es meiner Mutter gut ging. Ich checkte ständig ihre Temperatur, gab ihr Suppe zum Essen und sprach mit den Ärzt*innen am Telefon über die Medikamente und ihren Krankheitsverlauf. Meine Angstzustände waren kritisch und ich hatte zwei Panikattacken an einem Tag. Ich machte mir Sorgen um meine Mutter, die selbst so voller Sorge war, dass sie weinte. Zu dieser Zeit waren die Infektions- und Todesraten im Land relativ gering – also gab es immerhin noch Hoffnung. Doch als sich die Gesundheit meiner Mutter verbesserte, verschlechterte sich meine rasant.
Bereits am Sonntag fühlte sich meine Brust seltsam beklemmt an und mir fiel es schwer, wirklich einatmen zu können. Ich hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen, konnte zudem nicht aufhören zu husten und mich zu übergeben. Ich fragte eine Freundin, die Ärztin ist, um Rat. Sie sagte mir, ich solle zehn Stöße meines Inhalators einnehmen, um das Keuchen zu minimieren. Das hat zwar für ein paar Stunden geholfen, danach wurde alles aber nur noch schlimmer. Da riet sie mir, ins Krankenhaus zu fahren, um mich untersuchen zu lassen. Mein Vater fuhr mich zur Notaufnahme ins Krankenhaus und nach ein paar Stunden gab man mir dort einen Nebulisator (eine Maschine, die Medikamente und Sauerstoff zu einem feinen Nebel vereint, der dann einfach von der Lunge eingeatmet werden kann), entnahm mir mit einem Stäbchen eine Speichelprobe und schickte mich nach Hause. Aber mein Zustand verschlechterte sich weiter und nur drei Stunden später musste ich einen Krankenwagen rufen.
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Auf einmal konnte ich nicht mehr atmen. Mein Brustkorb war einfach nur schwer und meine Lunge fühlten sich eingeklemmt an. Mein Hirn ratterte, mein Herz schlug wie wild. Ich hatte davor schonmal die Grippe gehabt, aber das, was hier passierte, fühlte sich tausendmal schlimmer an.
Die Fahrt zum Krankenhaus habe ich nur verschwommen wahrgenommen; Das Blaulicht, die Sirenen, ein Sanitäter, der Schutzkleidung sowie Maske mit Visor trug und mit seinen behandschuhten Händen meine drückte, um mir ein Gefühl von Sicherheit zu geben – alles während ich nur versuchte, so viel Sauerstoff wie möglich durch den Inhalator aufnehmen zu können. Meine Eltern durften wegen der Kontaktsperre nicht mitkommen, also war ich alleine und hatte schreckliche Angst. Als ich im Krankenhaus ankam, weinte ich die ganze Zeit, während die Krankenschwestern mich zu trösten versuchten, mir Blut abnahmen und mich an die Sauerstoffmaschine anschlossen. Währenddessen hörte ich, wie die andauernden Sirenen durch das Krankenhaus hallten. Überall hörte man gehetzte Fußstapfen und medizinisches Personal, die sich flüsternd unterhielten. Es war einfach nur beängstigend.
Photo by Jessica Morgan.
The author's view from her hospital bed.
Montag war der schlimmste Tag. Meine Lunge fühlte sich so an, als ob ich eine ganze Stange Marlboro geraucht hätte und währenddessen hundert Treppen gestiegen wäre. Bei jedem Atemzug fühlte ich einen stechenden Schmerz. Die Krankenschwester meinte, ich hätte eine Muskelzerrung von dem vielen starken Husten. Immerhin half der Sauerstoff, den ich durch ein Gerät einatmen konnte, auch dabei, meine Angstzustände unter Kontrolle zu halten. Ich schlief sehr viel. Also wirklich, sehr viel. Am Dienstag konnte ich immerhin schon im Bett aufrecht sitzen und wenigstens meine Umgebung wahr nehmen. Es gab acht Betten auf der isolierten Station. Viele davon waren mit geschlossenen Vorhängen abgeschottet, aber ich hörte das entfernte Geräusch der Sauerstoffgeräte der anderen. Mich überraschte, dass ich nicht die einzige “junge” Person dort war. Ein Typ auf der Station sah aus, als wäre er erst Mitte zwanzig, andere schienen in ihren 30ern und 40ern zu sein. Die Krankenschwester, die für mich zuständig war, erklärte mir, dass ich Glück hatte so schnell eingeliefert worden zu sein. Mir fiel auf, dass sie die Stimmung heben wollte, obwohl ihre Augen ihre Angst verrieten. Sie erzählte mir, wie stark ich sei und dass ich bald wieder gesund sein würde. Aber ich glaubte ihr nicht. Dann bekam ich eine Nachricht von einem Freund, der mich fragte, ob ich noch am Leben sei. Ich laß die Nachricht der Krankenschwester vor. „Noch am Leben? Na klar, ich passe auch auf dich auf!”, sagte sie lächelnd zu mir. Und ja, das tat sie wirklich.
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Am Donnerstag durfte ich nach Hause gehen, um mich dort weiter auszukurieren. Das erste, das ich tat, als ich aus dem Krankenhaus lief, war, in den Himmel zu schauen, die frische Luft einzuatmen und mir die Sonne ins Gesicht scheinen zu lassen. Ich war einfach nur erleichtert, dass ich einen weiteren Tag erleben durfte. 
Photo by Jessica Morgan.
The author leaving hospital.
Ich bin eine junge, gesunde Mittzwanzigerin, die es nie für möglich gehalten hätte, dass ich mit Coronavirus ins Krankenhaus eingeliefert werde. Ich habe überlebt; andere hatten nicht so viel Glück. Es ist nun zwanzig Tage her, dass ich in Quarantäne war und fünf Tage, seitdem ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde und noch immer kann ich kaum etwas machen, ohne erschöpft zu sein. Hätte ich mich nicht schon vorab in Selbst-Isolation begeben, hätte ich womöglich ohne es zu wissen, viele andere Menschen angesteckt. 
Mir bereitet es Sorge, dass junge Menschen das Coronavirus nicht ernst nehmen. Corona ist nicht da, damit wir alle mit Freunden im Park abhängen können. Das Virus hat so viel Leid über Familien auf der ganzen Welt gebracht – und ein Ende ist vorerst nicht in Sicht. Hört also auf die Ansage der Regierung – und bleibt zuhause!
Hilfreiche Tipps sowie tagesaktuelle Informationen zum Thema Coronavirus findest du auf der Seite des Bundesministeriums für Gesundheit. Solltest du Angst haben, möglicherweise selbst betroffen zu sein, kannst du dich unter 116117 an den ärztlichen Bereitschaftsdienst wenden. Gehörlose und Hörgeschädigte können eine Mail an info.gehoerlos@bmg.bund.de schicken oder das Gebärdentelefon (Videotelefonie) via https://www.gebaerdentelefon.de/bmg/ verwenden.
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