Dieser Artikel erschien zuerst bei im gegenteil!
Dating ist etwas Wunderbares. Wunderbar kribbelig, warm und ein kleines bisschen abenteuerlich. Das gehört dazu, zumindest für diejenigen, die sich von anderen Menschen romantisch und/oder sexuell angezogen fühlen.
Die Seite imgegenteil.de habe ich vor nicht allzu langer Zeit beim Stöbern auf Facebook entdeckt. Interessante Blog-Einträge, sex-positive Haltung und das alles noch schön gestaltet – »Doch«, dachte ich mir, »das könnte etwas für mich sein.« Und dann bin ich irgendwann auf der Dating-Rubrik gelandet und da stand: Sucht Boys. Sucht Girls. Sucht beides. So.
Alles in bester Ordnung, nicht? Die Heterosexuellen kommen auf ihre Kosten, die Schwulen und Lesben auch, sogar an die Bisexuellen wurde gedacht. Es ist schön zu sehen, dass sich das langsam aber sicher in den (nicht-konservativen) Mainstream einschleicht.
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Wenn ich diese Eingrenzungen jedoch höre, weiss ich nicht, bei welchen Menschen ich mich melden dürfte und bei welchen nicht.
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Wenn ich diese Eingrenzungen jedoch höre, weiß ich nicht, bei welchen Menschen ich mich melden dürfte und bei welchen nicht. Denn ich bewege mich nicht innerhalb der beiden binären Geschlechter. Das heißt, ich sehe mich weder als Frau noch als Mann und bin äußerlich auch keinem dieser Geschlechter zuteilbar. Und bevor die Frage auftaucht: Nein, ich fühle mich nicht »ein bisschen mehr« wie das eine oder das andere binäre Geschlecht.
Es ist kaum möglich, sich in unserer Welt als nicht-binärer Mensch zu bewegen. Von Kindesbeinen an lernen wir, Menschen automatisch in die Kategorien männlich und weiblich einzuordnen. Angefangen bei Spielkamerad*innen über Toiletten- und Waschräume bis hin zu Jobprofilen, wird heute fast alles durch unser Geschlecht bestimmt. Wer nicht in dieses Raster passt, wird bestraft – mit Ignoranz.
Das ist beim Dating besonders schwierig: Viele Menschen wissen (unabhängig von ihrem Geschlecht), dass sie auf Frauen oder auf Männer stehen. Wenn ich mich nun auf eine dieser Annoncen melde, hintergehe ich sowohl mich als auch die andere Person:
Angenommen, ich melde mich auf eine Anzeige, in der eine Frau gesucht wird. Damit negiere ich meine Geschlechtsidentität, da ich ja weiß, dass ich keine Frau bin. Zudem ist die Chance hoch, dass die*der Partner*in nicht bekommt, was sie*er will, nämlich eine Frau. Hm, problematisch.
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Für mich ist es natürlich einfacher, Bisexuelle zu daten, da sie häufig den weiblichen und männlichen Geschlechtsausdruck attraktiv finden, aber …
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Aber es gibt ja auch noch bisexuelle Menschen, höre ich schon einige rufen. Ja, das stimmt. Und für mich ist es einfacher, Bisexuelle zu daten, da sie häufig den weiblichen und männlichen Geschlechtsausdruck attraktiv finden. Nur wissen auch sie häufig nicht, dass es Menschen gibt, die sich zwischen – oder außerhalb – von männlich und weiblich bewegen und nicht vornehmlich im einen oder anderen.
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Wenn ich einen Menschen kennenlerne, frage ich mich immer: Wann ist der beste Zeitpunkt, ihm*ihr zu sagen, dass das Pronomen, welches sie*er für mich benutzt (egal ob es das Pronomen «er» oder «sie» ist), sich für mich falsch anfühlt? Wie wird die Reaktion darauf ausfallen? Bedeutet es das Ende meines Flirts, diese Information zu kommunizieren?
Denn »dann wird alles so kompliziert«, »was sage ich denn meinen Freund*innen?« und »kannst du nicht einfach normal sein?« – diese Aussagen können sehr verletzend sein und gestalten das Outing für mich jedes Mal wieder als neue Herausforderung.
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Ich habe aber auch schon sehr positive Reaktionen auf mein Outing bekommen.
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Ich habe aber auch schon sehr positive Reaktionen auf mein Outing bekommen. Sätze wie: »Okay, wie soll ich dich denn ansprechen?« oder »ja, das passt irgendwie viel besser zu dir als männlich/weiblich« ermöglichen einen Dialog, der in unserer Gesellschaft längst überfällig ist.
Manche mögen sich nun fragen, woher sie das alles mit dieser Geschlechtsidentität denn wissen sollen, wenn ihnen das niemand sagt. Wenn man nicht mit diesen Themen in Berührung kommt, erscheinen sie auf den ersten Blick sehr fremd. Deshalb ist es wichtig, dass Aufklärungsarbeit geleistet und ein Dialog geführt wird. Erst wenn es ins allgemeine Bewusstsein sickert, dass es Menschen gibt, die nicht den herkömmlichen Vorstellungen einer Frau oder eines Mannes entsprechen, können diese anfangen, sich frei und sicher zu bewegen.
Das Gleiche gilt für Menschen mit Behinderungen, Menschen, die unter alltäglichem Rassismus leiden, intergeschlechtliche Menschen, binär lebende Trans*Personen und viele andere. Wenn ich in einem dieser Bereiche zur privilegierten Gruppe gehöre, sehe ich es als meine Pflicht, mich zu informieren – spätestens dann, wenn ich mit Menschen aus einer marginalisierten Gruppe zu tun habe.
Das klingt alles sehr kompliziert. Ist es aber gar nicht. Wenn wir miteinander sprechen und uns gegenseitig respektieren, ist der Grundstein schon gelegt.
Und nun? Neugierig sein. Reden. Daten. Go!