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Meine 20er waren einsam – heute bin ich glücklicher denn je

Foto: Laura Chen.
Es ist peinlich – fast schon beschämend –, in den eigenen Zwanzigern zuzugeben, einsam zu sein. Jedenfalls empfand ich das damals so. Über einen großen Teil meines dritten Jahrzehnts hinweg fühlte ich mich völlig von allen anderen isoliert, wollte mir das aber nie eingestehen.
Das lag unter anderem daran, dass ich zwar einsam, aber nicht wirklich allein war. Meine Familie lebte weniger als eine Stunde von mir entfernt; ich teilte mir mit einem liebevollen Partner das Bett, und hatte mehrere langjährige Freundschaften, die nur einen Anruf entfernt waren. Daher kam es mir albern vor, mich trotz all dieser Intimität in meinem Leben doch so einsam zu fühlen.
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Woran lag das? Überleg mal: Fällt dir auch nur eine klassische Sitcom ein, die sich nicht irgendwie um einen Freundeskreis dreht? Vielleicht leben diese Leute zusammen (New Girl) oder arbeiten miteinander (The Office); vielleichtverbringen sie gefühlt jede freie Minute gemeinsam in einem Café (Friends) oder einer Bar (How I Met Your Mother). Im Herzen all dieser Serien steht eine Gruppe aus Leuten, deren Leben untrennbar miteinander verflochten sind.
Viele der Medien, mit denen ich aufwuchs, vermittelten mir, es sei völlig normal, in deinen Zwanzigern einen festen Freundeskreis aus Menschen zu haben, die du fast jeden Tag siehst. Dieser Eindruck prägte meine Erwartung daran, wie mein Leben später aussehen würde. Und als ich es nicht schaffte, dieser Erwartung tatsächlich zu entsprechen, fühlte ich mich unerträglich einsam.
Es half nicht gerade, dass ich auch während meiner Jugend nie einen festen Freundeskreis gehabt hatte. In der Schule und an der Uni war ich gern von Gruppe zu Gruppe geschwebt und hatte es genossen, mich mit so vielen Leuten wie möglich gut zu verstehen, ohne dabei auf meine Unabhängigkeit verzichten zu müssen. Ich habe immer schon lieber alles allein gemacht, anstatt auf die Meinungen anderer Rücksicht nehmen zu müssen. So gefiel mir mein Leben einfach besser. Das bedeutete aber auch, dass ich daraus eine Unsicherheit davor entwickelte, mich von mir aus bei Leuten zu melden, wenn ich denn mal nicht allein sein wollte. Später, während meiner Therapie, wurde mir dann klar, dass dahinter eine klassische Angst vor Ablehnung steckte. Damals war ich aber noch Jahre von dieser Erkenntnis entfernt. Stattdessen schloss ich die Uni ab und begann eine neue Lebensphase, in der ich nicht mehr einfach von Gruppe zu Gruppe hüpfen konnte. Stattdessen hing ich in der Schwebe, gefangen im Nirgendwo.
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Damals fühlte sich das an, als machte ich etwas falsch. Stieß ich Leute von mir? Gab ich mir nur nicht genug Mühe? Ich hatte den Eindruck, in meiner Jugend zu versagen. Zu einer Zeit, in der mir Freundschaft angeblich Stabilität und Stärke hätte verleihen sollen, war dieser sagenumwobene Freundeskreis nirgendwo zu finden.
Dank Plattformen wie Instagram fiel es mir umso leichter, mich selbst zu bemitleiden. Mir war bewusst, dass ich sehr eifersüchtig auf Leute und deren Sozialleben war, die ich gar nicht so gut kannte – oder die gar nicht erst existierten. Und ich war ja auch gar nicht wirklich allein! Ich hatte ja Freund:innen! Und meine Einsamkeit wirkte sich ja gar nicht wirklich auf mein Leben aus! Mir selbst all das einzureden, sorgte aber nicht dafür, dass ich mich weniger einsam fühlte.
Tatsächlich ist diese Erfahrung überhaupt kein Einzelfall. Reddit und TikTok sind voller Posts, in denen Leute davon erzählen, in ihren Zwanzigern von einer nagenden Einsamkeit gequält zu werden. 
Dazu tragen definitiv einige Faktoren bei. Es kann desorientierend sein, die Sicherheit der immer verfügbaren Freundschaften in der Schule oder Uni hinter sich zu lassen. Eine Job-Umgebung kann diese Lücken nicht unbedingt füllen; viele Arbeitsbedingungen sind dafür einfach nicht gemacht, zum Beispiel, wenn du selbstständig bist und dauernd mit anderen Leuten zu tun hast, ausschließlich im Homeoffice arbeitest oder öfter den Job wechselst.
Zeitweise hatte ich Angst davor, dass ich mich immer so fühlen würde. Diese Angst machte sich bei mir vor allem mit Mitte 20 breit. Als ich aber meinen Dreißigern näher kam (ein Jahrzehnt, vor dem sich junge Leute scheinbar dauernd gruseln), wurde mir vieles über mich selbst klar – unter anderem die Furcht davor, von anderen abgelehnt zu werden. Die Einsamkeit ließ nach, je wohler ich mich mit mir selbst fühlte.
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Die Anzahl der Menschen in meinem Leben hat sich zwar nicht verändert, sehr wohl aber meine Herangehensweise an meine Freundschaften. Im Laufe der Pandemie hörte ich damit auf, die Kontakte und Erlebnisse zu verfolgen, von denen ich glaubte, sie mir zu wünschen. Stattdessen konzentrierte ich mich auf die Beziehungen, die wirklich zum Rhythmus meines Lebens passten. Ich akzeptierte, dass ich es zwar liebe, in Gesellschaft zu sein – dass ich aber doch ein Wochenende für mich brauche, wann immer ich davor feiern war. Wegen eines Medikaments hörte ich auf, Alkohol zu trinken, und bemerkte danach, dass mich Alkohol tatsächlich unruhiger gemacht hatte. Die Kombination des Erwachsenwerdens und der Pandemie zwang mich dazu, mich von dem Leben zu lösen, von dem ich geglaubthatte, ich hätte es leben sollen. Als Konsequenz fühle ich mich den Freund:innen, die ich habe, heute näher denn je, obwohl ich sie nur so oft sehe wie früher auch (oder sogar seltener).
Vor allem aber musste ich diese schmerzhafte Wachstumsphase durchmachen, in der ich all die Vorstellungen dessen losließ, wie mein Leben aussehen „sollte“. Es ist eine Sache, zu verstehen, dass Erwartung und Realität auseinandergehen – und eine ganz andere, zu begreifen, dass dir die Akzeptanz dieses Kontrasts dabei hilft, dich wohl in deiner Haut zu fühlen.
Das Leben in den 20ern ist fast nie wie eine Sitcom. Freundschaften gibt es nicht ausschließlich in praktischer Cliquenform. Sie sind weit verteilt, mal intensiver, mal lockerer, und oft eben auch einsam. Ich habe aber festgestellt, dass es mich enorm weitergebracht hat, mich von meinen Erwartungen daran zu lösen, wie Freundschaften aussehen „müssten“. Heute bin ich deswegen glücklicher denn je – ohne wirklich bewusst etwas dafür getan zu haben. Ich lege keinen Wert mehr darauf, was entfernte Bekanntschaften, die mir weitestgehend egal sind, von meinem Leben halten könnten. Stattdessen lebe ich mein Leben jetzt einfach für mich. Und all denjenigen, die sich vielleicht ähnlich einsam fühlen, möchte ich versprechen: Irgendwann verschwindet dieses Gefühl auch für dich in der Vergangenheit.
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