Eine Frau wie mich zu daten, die sehr emotional und sensibel ist, ist nicht leicht. Meine Angst, als „verrückt“ abgestempelt zu werden, wurde irgendwann so überwältigend, dass ich lernte, meine Emotionen für mich zu behalten und so zu tun, als ob es völlig in Ordnung für mich sei, mit dem Strom zu schwimmen. Aber hin und wieder wird alles zu viel und ich kann meine Emotionen nicht länger zurückhalten. Dann schreibe ich dem Mann, den ich date, lange Nachrichten in der Hoffnung, dass er meine Sichtweise verstehen und auf meine Bedürfnisse eingehen wird. Das ging aber nie gut und endete meistens damit, dass ich mich schämte und Liebeskummer hatte. Nachdem genug Beziehungen auf diese Weise endeten, dachte ich irgendwann, dass etwas mit mir nicht stimmte.
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Glücklicherweise habe ich in meinen Therapiesitzungen gelernt, weniger nach Bestätigung von außen zu suchen und besser zu kommunizieren. Als ich meinen Verlobten kennenlernte, blieb ich mir selbst treu und äußerte meine Bedürfnisse und Gefühle. Zuerst war ich besorgt, dass er ausflippen und sich zurückziehen würde. Aber zu meiner Überraschung reagierte er positiv und gab mir das Gefühl, gesehen und verstanden zu werden, was meine Ängste schnell beseitigte. Alles fühlt sich so einfach an im Vergleich zu meinen früheren Beziehungen. Im Nachhinein betrachtet weiß ich, dass nicht meine emotionalen Bedürfnisse das Problem waren, sondern meine Schwierigkeiten damit, diese Bedürfnisse mitzuteilen, und die mangelnde emotionale Intelligenz meiner Ex-Partner, sie zu verstehen und zu erfüllen.
Meine Erfahrung ist nicht unbegründet. Eine 15-jährige Langzeitstudie, durchgeführt von Dr. James Parker, der eine Gruppe von über 300 Personen vom Grundschulalter bis zum mittleren Erwachsenenalter beobachtete, ergab, dass emotionale Intelligenz den Zufriedenheitsgrad und die Dauer einer Beziehung vorausbestimmt.
Im Allgemeinen wissen Menschen mit einer hoher emotionalen Intelligenz, was in ihnen vorgeht, und können das gut ausdrücken. Sie haben ein hohes soziales Bewusstsein und eine hohe Anpassungsfähigkeit. In einigen Forschungsmodellen wird auch Empathie – die Fähigkeit, sich in die Lage einer anderen Person hineinzuversetzen – als Teil von emotionaler Intelligenz definiert. Diese Eigenschaften helfen uns, unserer Bedürfnisse mitzuteilen, auf die Bedürfnisse unserer Partner:innen einzugehen und Konflikte effektiv zu bewältigen. Paare, die über das gleiche Niveau an emotionaler Intelligenz verfügen, sind in der Regel glücklicher miteinander und bleiben länger zusammen.
Allerdings ist emotionale Intelligenz nicht in allen Lebensbereichen gleich ausgeprägt. Das kann erklären, warum jemand bei der Arbeit eine erfolgreiche Führungskraft ist, aber eine schlechte Beziehungsqualität aufweist. Geoff Crane, einer der Forscher:innen, die an der oben genannten Studie beteiligt waren, und Gründer von Adaptimist Insights, sagt: „Emotionale Intelligenz kann sehr stark vom Kontext abhängen und sich von einem Ort zum anderen verändern. Verschiedene Umgebungen können unterschiedliche Ausprägungen bestimmter Aspekte unserer emotionalen Intelligenz hervorrufen. Wenn du zum Beispiel einen Job hast, der keinerlei zwischenmenschliche Interaktionen erfordert, kannst du dort keine zwischenmenschlichen Fähigkeiten entwickeln.“
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Die moderne Dating-Kultur normalisiert Praktiken ohne Intimität und Empathie wie Ghosting und Gelegenheitssex. Deshalb kann es passieren, dass Menschen, die sich häufig darauf einlassen, eine geringe emotionale Intelligenz in ihrem Liebesleben aufweisen. Wenn sie sich herausgefordert fühlen, ist es einfacher, sich zu trennen, als an sich selbst und der Beziehung zu arbeiten. Mit der Zeit kann es ihnen schwerfallen, befriedigende, dauerhafte Beziehungen aufzubauen. „Wir bringen anderen bei, wie sie uns behandeln sollen“, fügt Geoff hinzu und weist darauf hin, dass Menschen durch Rückkopplungsschleifen lernen, wie sie sich in verschiedenen Kontexten verhalten sollen. Wenn du in einer Beziehung selten Grenzen setzt oder sie nicht aufrechterhältst und so tust, als würde dich etwas nicht stören, obwohl es dich sehr wohl stört, förderst du so unerwünschte Verhaltensweisen deines Partners oder deiner Partnerin, selbst wenn er:sie in anderen Lebensbereichen Anzeichen von emotionaler Intelligenz an den Tag legt.
Es mag sich so anhören, als sei eine niedrige emotionale Intelligenz der ultimative Deal-Breaker, aber das bedeutet nicht, dass die Beziehung dem Untergang geweiht ist. Wenn der Partner oder die Partnerin mit geringer emotionaler Intelligenz dazu bereit ist, an sich zu arbeiten, und beide Partner:innen sich dafür einsetzen, dass die Beziehung funktioniert, können sich die Dinge verbessern. Es ist jedoch wichtig, zu verstehen, dass eine geringe emotionaler Intelligenz nicht bedeutet, dass jemandem die Beziehung einfach egal ist. Geoff sagt: „Personen mit einer geringen emotionalen Intelligenz verstehen vielleicht deine Perspektive und fühlen, was du fühlst. Wenn sie aber keine ‚empathischen Bedenken‘ haben, was bedeutet, dass du ihnen nicht wirklich so viel bedeutest, können sie auch keine Empathie zeigen.“
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Fünf Wege, um emotionale Intelligenz bei Partner:innen zu erkennen
1. Sie sind sich ihrer eigenen Gefühlswelt bewusst
Emotionales Verständnis ist ein grundlegendes Zeichen für emotionale Intelligenz. Cindy Barnes, eine Psychotherapeutin für hochsensible Personen, meint: „Wenn jemand über seine Gefühle spricht und erklärt, warum er sich so fühlt, wie er sich nun mal fühlt, ist das ein gutes Zeichen. Wenn sich eine Person nämlich nicht ihrer eigenen Emotionen bewusst ist, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie in der Lage ist, sie bei jemand anderem zu erkennen.“
2. Sie sind neugierig und wollen mehr über dich erfahren
Menschen mit einer hoher emotionaler Intelligenz weisen eine flexible Denkweise auf. Cindy sagt: „Sie sind eher offen und wollen gerne mehr über die andere Person erfahren. Sie stellen Beobachtungen über ihre Partner:innen an und fragen sie nach dem Warum.“
3. Sie sind eigenständig
Menschen mit hoher emotionaler Intelligenz kennen ihren Körper und ihre Gefühle und können deshalb ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen. Häufig hangry zu sein zum Beispiel, ist ein Zeichen für ein niedriges Körper- und Gefühlsbewusstsein. Die Person mit einer schlechten Hungerlaune ist sich nämlich nicht dessen bewusst, dass sie hungrig ist; sie bemerkt ihren eigenen Hunger nicht, bis sie gereizt und bissig gegenüber den Menschen um sie herum ist. Geoff sagt jedoch: „Ob das etwas ist, das die Beziehung beeinträchtigt, hängt von dem Paar ab und davon, wie viel Arbeit es in die Beziehung investieren will.“
4. Sie setzen klare Grenzen
Wenn Menschen sich ihrer selbst bewusst sind, wissen sie, welche Grenzen sie setzen müssen. Auf der anderen Seite ist es ein Zeichen für eine unterentwickelte emotionale Intelligenz, wenn eine Person Emotionen gegenüber dem rationalen Urteilsvermögen eine höhere Priorität einräumt und über schlechte Verhaltensweisen hinwegsieht. Beispiele dafür sind, wenn es Partner:innen schwerfällt, „Nein“ zu sagen.
5. Sie haben gesunde, andauernde, nichtromantische Beziehungen
Das Zusammensein mit anderen erfordert, dass ein Mensch zwischenmenschlichen Fähigkeiten hat oder entwickelt. Wenn dein:e Partner:in langjährige Freundschaften und ein enges Verhältnis zu seiner oder ihrer Familie hat, hat er:sie wahrscheinlich gelernt, was in Beziehungen funktioniert und was nicht, und verfügt daher über eine hohe emotionale Intelligenz.
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