Dir wurde früher bestimmt auch immer gesagt, dass das Leben nach der Schule total anders aussehen würde. Größtenteils lässt sich wohl sagen: Stimmt. Was aber nervigerweise nie erwähnt wurde, ist, dass Freundeskreise und Cliquen auch im Erwachsenenalter noch ein Ding sind – und dass es ein enormes Privileg ist, als erwachsene Person so einer Gruppe anzugehören.
Wenn du dich mal umsiehst, wirst du schnell feststellen, dass diese Cliquen wirklich überall sind – in Städten, in Dörfern, am Arbeitsplatz, manchmal auch in der eigenen Familie. Ganz egal, wo und wie alt wir sind: Unsere Grüppchenbildung bleibt bestehen. Und wenn es dir so geht wie mir – die nur individuelle Freundschaften führt, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben –, weißt du sicher, wovon ich hier rede.
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Wenn es dir nicht so geht wie mir, kannst du dir das so vorstellen, als seist du ein Gastdarsteller in circa zehn verschiedenen Sitcoms. Ich werde immer wieder zu besonderen Ereignissen wie Geburtstagen oder Einweihungsfeiern in Gruppen eingeladen und schwebe dann irgendwo zwischen „gute Freundin“ und „Bekannte“. Und so schön meine Freundschaften mit individuellen Menschen in diesen Gruppen auch sein mögen: Am Ende des Tages schaffe ich es doch nie ganz in den innersten Kreis. Ich habe keine Gruppen-Chats bei WhatsApp, in denen Tag und Nacht getextet wird, und am Freitagabend habe ich nie einen sicheren Gruppenplan. Und das kann manchmal irgendwie angsteinflößend sein – vor allem zu einem Zeitpunkt in meinem Leben, an dem ich versuche, meinen Platz in dieser Welt zu finden.
Soweit ich weiß, bedeutet die Zugehörigkeit zu einem festen Freundeskreis als erwachsener Mensch, dass du dir nie wirklich darüber Gedanken machen musst, wo du hingehörst. Deine „Mitgliedschaft“ ist gesichert und nichts, worüber du dir den Kopf zerbrechen solltest. Du hast immer eine Handvoll Leute, an die du dich wenden kannst, und musst nie Angst davor haben, alleine zu einer Party aufzukreuzen. Du Glückspilz! Manche dieser Menschen strahlen quasi aus: „Ich weiß, dass ich Leute an meiner Seite habe, und ich bin froh darüber!“ Und warum sollten sie das auch nicht sein? Das Gefühl, nicht dazuzugehören, ist eine der größten Herausforderungen für einen Menschen – in jedem Alter, aber vor allem als junge:r Erwachsene:r, wenn du versuchst, deine eigene Unabhängigkeit zu finden und dich gleichzeitig als Teil einer Community zu fühlen.
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Natürlich verstehe ich diese Grüppchenbildung. Es gäbeschließlich auch gar keine Gruppen, wenn sie eben keine Grenzen hätten. Sie sind aus gutem Grund nach außen hin verschlossen; wenn sie alle reinlassen würden, ginge die Intimität verloren, die den Reiz einer solchen Clique ausmacht. Trotzdem ist es ziemlich deprimierend, immer so kurz vor der Grenze festzuhängen, unsicher, wie wichtig du den Menschen eigentlich bist, die du als enge Freund:innen bezeichnest.
Wenn du dich also wirklich nach einer solchen Gruppe sehnst und du es als unmöglich empfindest, dich einer bestehenden anzuschließen, kann das deine Gelegenheit sein, deine eigene Gruppe zu erschaffen. Die 31-jährige Alice hat beinahe ihr ganzes junges Erwachsenenleben ohne Freundeskreis hinter sich gebracht, weil ihre Clique aus Schulzeiten am Erwachsenenalltag zerbrach. Diese Gruppe war allerdings nur entstanden, weil die Schule eine ganz einzigartige Form von Nähe schafft – und jetzt, da sie diese hinter sich gelassen hatte, war das Alice’ Chance darauf, eine neue Gruppe aus Leuten zu finden, mit denen sie etwas Tieferes verband.
„Ich kam mit Frauen in meiner indischen Community in Kontakt. Unsere Eltern hatten sich schon seit Jahren gekannt, ohne dass wir Kinder uns jemals getroffen hatten“, erzählt sie. „Unsere Kultur brachte uns zusammen, und wir stellten fest, dass wir auch so viel anderes gemeinsam hatten. Ich gab mir sehr viel Mühe, um diese Gruppe zum Laufen zu bringen. Ich organisierte Dinnerpartys, Ausflüge und einen Gruppen-Chat (der tatsächlich jetzt gerade gut abgeht!). Es ist einfach so schön, endlich meine Leute gefunden zu haben.“
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Trotz der Einsamkeit kann es aber auch seine Vorzüge haben, keinen festen Freundeskreis zu haben. Die 24-jährige Elsa fand es anfangs schwierig, keine Clique um sich herum zu haben. Sie hat jedoch festgestellt, dass das zu tieferen Bindungen und bedeutsameren Beziehungen führte. „Ich habe manchmal das Gefühl, dass es ganz schön isolierend sein kann, keinen Freundeskreis zu haben, weil ich nicht einfach per Gruppennachricht fragen kann, wer gerade was macht – so wie früher“, sagt sie. „Größere Gruppen überfordern mich heute aber. Je älter ich werde, desto mehr lerne ich es zu schätzen, Leute allein zu treffen. Da kann ich ihnen intensiv zuhören und nur mit den Menschen Zeit verbringen, in die ich meine Energie wirklich investieren will.“ Und es stimmt wohl: Wenn du dich selbst weniger auf diverse Leute „aufteilen“ musst, kannst du ausgewählten Menschen umso mehr von dir geben.
Zu lernen, ohne eine Gruppe zu leben, ist sicherlich schwierig, und fühlt sich oft so an, als widerspreche es unserer sozialen Natur. Es macht dich aber sehr wohl stärker und zeigt dir, wer du bist, fernab der Wertschätzung durch andere. Oft ist dieser Weg recht einsam – aber vielleicht führt er dich sogar zu einem schöneren Ort, als du je vermutet hättest.
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