Anfang des Jahres wurde eine Anzeige von People Per Hour, einer Online-Plattform, die Unternehmen und Freelancer miteinander verbindet, von der Advertising Standards Authority (ASA) wegen Geschlechtsstereotypisierung verboten. Warum? Weil sie das Wort Girlboss verwendet haben.
„Du machst deine Girlboss-Sache. Wir kümmern uns um die SEO-Sache.“ Dieser Spruch stand auf dem Plakat, das die Marketingabteilung von People Per Hour anfertigen und an einer U-Bahn-Station aufhängen ließ. Diese Werbung sorgte schnell für viel Kritik, woraufhin ASA entschied, dass sie „schädigende Geschlechterstereotypen“ aufrecht erhält. Als Reaktion darauf entfernte People Per Hour das Wort “Girl“ aus der Werbung und entschuldigte sich dafür, dass die Anzeige auf Frauen „sexistisch und erniedrigend wirken könnte“.
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Die Girlboss-Kultur ist heute allgegenwärtig. Wie durch ein Wunder ist sie in den letzten Jahren zu einer Hauptstütze des jetzigen Feminismus geworden. Ich sehe sie überall: in der Werbung, auf Notizbüchern und ironischerweise auch auf T-Shirts, die in Ländern hergestellt wurden, in denen eine Frau für ihre Arbeit an dem Kleidungsstück höchstwahrscheinlich einen Hungerlohn bekommen hat.
Ich sage deshalb Wunder, weil dieses Wort meiner Meinung nach nichts weiter als ein sexistisches trojanisches Pferd ist. Vielleicht denkst du jetzt, ich übertreibe, aber überleg doch mal: Von außen wirkt es, als soll es Frauen anspornen, in einer von Männern dominierten Arbeitswelt für sich und ihre Kolleginnen Raum zu schaffen. In Wirklichkeit stellt es aber unsere Autorität in Frage. Allein der Begriff “Girl“ macht das doch schon deutlich. Wenn du ein Mädchen bist, dann bist du natürlich noch nicht erwachsen und meistens werden Minderjährige von Erwachsenen nicht gerade ernst genommen. Wenn eine weibliche Arbeits- oder Führungskraft also als #Girlboss bezeichnet wird, nehmen die Leute sie dann wirklich für voll? Wenn wir nicht so viel Angst vor der Macht der Frauen hätten, wären solche degradierenden Begriffe schon längst Geschichte. Wir müssten keine süßen Bezeichnungen für starke Frauen finden, denn sie sind genau das: stark.
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Hast du jemals gehört, dass ein männlicher Mitarbeiter #Boyboss genannt wurde? Nein, natürlich nicht!
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Und noch eine Sache: Hast du jemals gehört, dass ein männlicher Mitarbeiter #Boyboss genannt wurde? Nein, natürlich nicht. Das liegt daran, dass die männliche Dominanz am Arbeitsplatz immer noch die Regel ist. Es ist der Status quo. Eine Frau, die sich einen Teil dieser Dominanz aneignen will ist dagegen immer noch die Ausnahme; sie ist eine Anomalie.
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Das dürfte niemanden überraschen. Natürlich haben Frauen immer schon gearbeitet und sowohl bezahlte als auch die unbezahlte Arbeit verrichtet. Aber unser Platz in der Berufswelt ist immer noch relativ klein gehalten. Seit der Wiedervereinigung ist die Zahl der erwerbstätigen Frauen zwar um 15 Prozent gestiegen, aber Fakt ist auch, dass immer noch mehr Männer als Frauen eine Vollzeitbeschäftigung haben. Fast jede zweite festangestellte Frau arbeitet in Teilzeit. Bei männlichen Angestellten sind es nur rund zehn Prozent – da erübrigt sich auch die Frage, welches Geschlecht nun schneller befördert wird und in einer Führungsposition leiten darf.
Natürlich wird heute mehr denn je für die Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern in der Arbeitswelt gekämpft. Immer mehr Frauen verlangen, dass auch ihnen eine Karriere nicht verwehrt bleibt. Erst kürzlich brachte die BBC-Moderatorin Samira Ahmed ihren Arbeitgeber vor ein Arbeitsgericht, weil sie herausfand, dass sie für die gleiche Arbeit geringer als ihre männlichen Kollegen bezahlt wurde. Sie konnte sich durchsetzen und das Gericht kam einstimmig zu dem Schluss, dass BBC keine “überzeugende Beweise“ dafür vorlegen konnte, warum der Lohnunterschied aus einem anderen Grund als der geschlechtsspezifischen Diskriminierung entstanden ist. Ahmed bekam 440 Pfund pro Folge, während ihr Kollege, Jeremy Vine, 3.000 Pfund erhielt. Das muss man erst einmal verdauen.
Natürlich ist die Moderatorin ein Vorbild für andere Frauen, aber sie ist kein Girlboss! Ihr Sieg vor Gericht rechtfertigt keine “Yassss Qwueeeeen“-Kommentare auf Insta. Und Herz-Emojis haben da auch nichts verloren. Einfach schon aus dem Grund, weil das ihrem professionellen Auftreten in der ganzen Sache nur schaden würde – und mit Feminismus hat das ehrlich gesagt auch nichts zu tun. Sie hat dafür gekämpft, so wie ihre Kollegen behandelt zu werden, da hat das Wort “Girl“ vor so einem starken Wort wie “Boss“ einfach nichts verloren.
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Feminismus – und besonders die Punkte, die sich mit den geschlechtsspezifischen Unterschieden am Arbeitsplatz befassen – muss sich auf die wichtigen Dinge konzentrieren: das unterschiedliche Lohnniveau zwischen den Geschlechtern, flexible Arbeitszeiten und mehr Kita-Plätze zum Beispiel. Ja, diese Themen sind nicht sexy. Und für Marketingzwecke sind sie sowieso nicht geeignet. Sie anzugehen, ist aber nun einmal der einzige Weg, damit wir jemals echte Gleichberechtigung erreichen können. Durch die Girlboss-Kultur werden diese Themen aber nicht nur beschönigt, sondern regelrecht unter den Teppich gekehrt. Und sollten sie dann im Job doch mal zum Vorschein treten, sorgt #Girlboss dafür, dass wir schön den Mund halten, um nicht schwach zu wirken.
Letztes Wochenende besuchte mich eine gute Freundin. Als sie sich auf mein Sofa warf, merkte ich schon, dass sie wirklich erschöpft aussah. Der Grund dafür: ihr Job. „Mir wurde bei einer Umstrukturierung eine Arbeitskraft gekürzt“, erzählte sie mir, „so dass ich jetzt die doppelte Menge an Arbeit habe, aber eine Gehaltserhöhung hab ich nicht bekommen. Ich bin zu meinen Vorgesetzten gegangen, um es mit ihnen zu besprechen, und sie sagten nur: „Wir möchten, dass Sie sich durch diese Veränderung gestärkt fühlen und sie als eine Chance sehen“.
Geschichten wie diese kennen viele Frauen. Man sagt uns, wir sollen uns der Herausforderung stellen, uns selbst befähigen und ein Girlboss angesichts des Unmöglichen sein, aber im Grunde ist das Kapitalismus in seiner schlimmsten Form: Wir geben Einzelpersonen die Verantwortung mit strukturellen Schwierigkeiten umzugehen, ohne sie dafür zu entlohnen.
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Die Version des weiblichen Erfolgs, die von der Girlboss-Kultur verbreitet wird, ist schlichtweg sexistisch.
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Es ist sicher kein Zufall, dass die Girlboss-Kultur in den 2010er Jahren nach einem globalen Finanzcrash, der die wirtschaftlichen Möglichkeiten von Generationen junger Menschen verkümmern ließ und uns mit unbezahlbaren Wohnungen und stagnierenden Löhnen belastete, wieder in Schwung kam. Angestoßen von Sophia Amorusos Bestseller #Girlboss, wurde sie durch verschiedene Karrierebücher und Instagram zum Teil der Gesellschaft. Sie implizierte, dass alles möglich sei. In Wahrheit, ist das aber ganz und gar nicht der Fall.
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Die Version des weiblichen Erfolgs, die von der Girlboss-Kultur verbreitet wird, ist schlichtweg sexistisch. Sie ist kämpferisch, aber nie aggressiv. Sie ist schön, aber sie gibt sich nicht zu viel Mühe. Sie ist selbstbewusst, nie gestresst. Sie ist unnachgiebig, nie nervös. Sie ist immer nur auf der Höhe der Grenze und überschreitet sie nie. Sie verwendet kleine Smileys in E-Mails, sagt „VIELEN VIELEN DANK“, wenn eine Person etwas tut, wozu sie vertraglich verpflichtet ist, und lächelt, wie die Frau in der Anzeige von People Per Hour, wenn Ressourcen gekürzt werden.
Wir brauchen eine andere Vision. Eine, die die Realität einer arbeitenden Frau widerspiegelt und sowohl anspruchsvoll als auch realistisch ist. Wir haben dieses trojanische Pferd hereingelassen und zugelassen, dass es die Kultur der berufstätigen Frauen dem Klischee der Hausfrau aus den 1950er Jahren verschmutzt – sie tut alles und strahlt, obwohl sie weiß, dass ihr Partner sie betrügt. Der einzige Unterschied ist jetzt, dass der betrügende Partner der Feminismus ist.
Frauen haben definitiv noch einen weiten Weg vor sich. Wir sind immer noch dabei, herauszufinden, wer wir am Arbeitsplatz sein können und wie wir in einer Welt leben können, die uns noch immer so oft feindlich gesinnt ist. Wir sind noch nicht am Ziel. Sicher ist aber, eine vermarktbare Form des Feminismus – wie die Girlboss-Kultur – ist der falsche Weg uns zu empowern. Lasst uns lieber die wichtigen Themen besprechen und Lösungen für sie finden.
Wir leben im Jahr 2020. Wir brauchen keine weiteren Memes oder Launch-Partys für Co-Working-Spaces nur für Frauen. Wir brauchen einen Wechsel in der Politik. Wir brauchen noch viel mehr Frauen in der Politik, um Gesetze zugunsten anderer Frauen erlassen zu können. Nur so schaffen wir wirklich eine Veränderung.