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Green Book: Warum der Film – trotz des vielen Lobs – gescheitert ist

Als Green Book am 11. September 2018 bei den Toronto Festspielen Weltpremiere feierte, war vielen Kritiker*innen schnell klar, dieser Film wird höchstwahrscheinlich einige namhafte Preise absahnen. Und so kam es dann auch: Green Book wurde bei den Academy Awards 2019 mit dem Oscar für den besten Film und das beste Drehbuch ausgezeichnet. Schauspieler Mahershala Ali, der in dem Film den queeren schwarzen Musiker Don Shirley spielt, wurde mit dem Oscar für den besten Nebendarsteller ausgezeichnet. Außerdem gab es in den gleichen Kategorien auch Golden Globes für den Film und noch mehrere weitere Auszeichnungen bei Filmfestivals und anderen Awardshows. Green Book sollte also auf den ersten Blick ein einziger Erfolg für die Macher*innen sein.
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In den Augen der Fans ist es auch so. Der Film handelt von dem schwarzen Musiker Don Shirley und seinem weißen, rassistischen Fahrer Tony Vallelonga (Viggo Mortensen), die in den 1960er-Jahren gemeinsam durch die Vereinigten Staaten touren und irgendwann richtige Freunde werden. Green Book ist für viele ein inspirierender Einblick in eine ungewöhnliche Freundschaft, die über Rassen- und Klassengrenzen hinausgeht. Damit ist es sozusagen ein Trostpflaster für unsere eigene, stark gespaltene Gesellschaft. Vielleicht ist eben auch das der Grund, warum der Film so viele Auszeichnungen erhalten hat.
Aber nach einiger Zeit wurde der Ruf des so gefeierten Films immer schlechter. Die Besucherzahlen waren weltweit eher bescheiden und auch das kontroverse Verhalten von Schauspieler Viggo Mortensens in Interviews sorgte von Anfang an für viel Kritik. Noch dazu sprach die Familie des portraitierten Shirley ihren Unmut über die Darstellung der Person aus und auch die Erzählstruktur des Films war für viele problematisch... Damit wurde Green Book in kürzester Zeit vom Lieblingsfilm der Kritiker*innen zu einem Paradebeispiel für die typischen Fehler, den viele Filmemacher*innen in Hollywood machen.
Viele anfangs noch hochgelobte Filme verfallen irgendwann der Kritik der Massen. Und meistens liegt es an bestimmten Punkten: Realitätsbezug, Kritik an den Schauspieler*innen, eine kontroverse Erzählstruktur... Die Liste ist lang – und bei Green Book kommen gleich mehrere dieser Punkte zusammen:

Fall 1: Der Film geht nicht genug in die Materie

Natürlich ist es schwer jeden wichtigen Aspekt einer Geschichte in einem zweistündigen Film zu berücksichtigen. Wenn die Geschichte zu langatmig ist, haben selbst die interessiertesten Zuschauer*innen irgendwann keine Lust mehr weiter zu schauen. Aber im Fall von Green Book hätten die Drehbuchautor*innen ruhig ein paar Minütchen dafür einplanen können, um mehr über das Green Book an sich zu reden. Wenn man bedenkt, dass der Titel des Films so lautet, wäre es doch recht sinnvoll gewesen... Der Negro Motorist Green Book war nämlich ein Reiseführer, der alle Unterkünfte, Restaurants und Tankstellen anzeigte, die afroamerikanische Menschen in der Zeit der Rassentrennung in den USA besuchen durften.
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Alissa Wilkinson, Filmkritikerin des Magazins Vox , schrieb in ihrer Kritik, dass das Green Book zwar der Titel des Films sei, die Geschichte des Dokuments darin aber kaum zur Sprache kam. „Das ist letztlich der Grund, warum sich Green Book für mich falsch anfühlt, egal wie gut gemeint der Film auch ist: Er zeigt die schlechte Angewohnheit Hollywoods, die Realität bei Filmen aus den Augen zu verlieren. Man nimmt den Namen eines wichtigen Artefakts der Geschichte, dessen bloße Existenz das Ergebnis von Vorurteilen und einer tief verwurzelten weißen Vorherrschaft war, und macht ihn zur Grundlage für eine Komödie.“ Außerdem weißt die Kritikerin darauf hin, dass die beiden Hauptfiguren im Film nie wirklich über das Dokument sprechen.
In Sachen Rassismus muss Hollywood noch oft lernen, wie das Thema richtig angegangen werden kann. Zu oft noch machen Menschen, die noch nie Rassismus am eigenen Leib erleben mussten, Filme von und für Menschen, die tagtäglich damit umgehen müssen. Helfen könnte es ja, wenn mehr PoC die Regie solcher Filme übernehmen würden oder ihren kreativen Input geben dürften – das wäre meiner Meinung nach logisch...

Fall 2: Schauspieler*innen geraten mit kontroversen Aussagen in die Kritik

Nicht nur schlechte Kritik für den Film selbst, kann seinen Erfolg trüben. Manchmal reicht dafür auch eine unangebrachte Aussage, von einem oder einer der Schauspieler*innen, die bei dem Projekt mitgemacht haben. Im Fall von Green Book traf es Viggo Mortensen. Sein Ausrutscher kam im November 2018 während einer Gesprächsrunge nach der Vorführung in Los Angeles. Mortensen sprach darüber, wie weit Amerika seit der Rassentrennung in den 60ern – vor allem in Bezug auf Hassreden – gekommen ist. Dabei tat er aber etwas, dass in den USA eigentlich unverzeihlich ist: Er verwendete das N-Wort. „Niemand sagt mehr N****r“, sagte Mortensen und prompt war der ganze Saal ganz still. Kurz darauf machten die Leute ihre Empörung im Internet deutlich.
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Mortensen hat sich kurze Zeit später für seine Wortwahl entschuldigt. In einer Erklärung gegenüber dem Hollywood Reporter sagte er: „Ich habe das Wort ausgesprochen, weil ich zeigen wollte, wie normal es für Menschen 1962, also zu der Zeit, in der der Film spielt, war. Dabei habe ich nicht das Recht mir auch nur vorzustellen, wie schmerzhaft es für eine schwarze Person sein muss, dieses Wort von einem Weißen zu hören – egal in welchem Kontext. Ich benutze es weder privat noch in der Öffentlichkeit. Es tut mir sehr leid, dass ich gestern Abend das Wort verwendet habe und ich werde es nicht noch einmal aussprechen.“
Auch Liu Yifei, der Schauspielerin der bald in den Kinos laufenden Live-Action-Verfilmung von Disneys Mulan, trat mit nur einer Aussage in ein ziemlich großes Fettnäpfchen. Während der Demonstrationen in Honkong hatte sie sich nämlich öffentlich auf die Seite der Polizei und somit gegen die Demonstrant*innen gestellt. In einem Post auf der chinesischen Online-Plattform Weibo, teilte die Schauspielerin die Grafik einer regierungstreuen chinesischen Zeitung, in der stand: „Ich unterstütze die Polizei in Hongkong. Ihr könnt mich jetzt alle verprügeln. Was für eine Schande für Hongkong.“ Vor allem in westlichen pro-demokratischen Ländern stieß dieser Post auf viel Kritik. Besonders wütend macht die meisten aber, dass Liu Yifei selbst in den USA, einem demokratischen Land, lebt, aber eine Regierung unterstützt, die ihre Bevölkerung unterdrückt. Ihr Post wurde auch auf anderen Social-Media-Seiten geteilt und der Hashtag #boycottmulan trendete.
Eben solche kontroversen Aussagen der Schauspieler*innen, seien sie nun ungewollt oder beabsichtigt, können dem Image des gesamten Films schaden.
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Fall 3: Der Film basiert auf wahren Begebenheiten, entspricht aber nicht der Wahrheit

Green Book basiert auf einer wahren Geschichte. Eine der Drehbuchautoren, Nick Vallelonga, ist sogar des Sohn, des von Mortensen dargestellten Tony Vallelonga. Und doch scheint der Film ganz und gar nicht das zu zeigen, was damals wirklich passierte. Maurice Shirley, der Bruder von Don Shirley, sagte zum Beispiel, dass die Darstellung der Shirley-Familie vollkommen aus den Haaren gegriffen sei. Im Film behauptet Don, dass er und seine Brüder keinen Kontakt zueinander haben. Laut Maurice hatte er 1962 drei lebende Brüder und mit allen habe er den Kontakt gepflegt.
Familie Shirley bestreitet auch, dass Shirley und Vallelonga jemals wirklich Freunde waren. „Es war eine Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehung“, sagte Patricia Shirley, Don Shirleys Schwägerin, während eines Interviews mit Shadow und Act.
Auch beim Filmhit The Blind Side aus dem Jahr 2009 gab es große Probleme mit der Darstellung der wahren Begebenheiten. Darin ist das Leben des NFL-Spielers Michael Oher portraitiert. Oher selbst kritisierte, dass der Film ihn als Football-Anfänger und Faulenzer darstelle, nur um die Geschichte noch emotionaler zu machen. Aber so ist das mit Hollywood – für eine gute Story wird die Wahrheit auch mal etwas angepasst.
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