Seit dem Atombombenangriff auf Hiroshima, während des zweiten Weltkriegs, hatte kein amerikanischer Präsident mehr die Stadt besucht. Erst Barack Obama reiste wieder nach Japan und nahm den Besuch in Hiroshima zum Anlass für eine atomwaffenfreie Welt zu plädieren.
Im folgenden Artikel erzählt eine Überlebende, wie sie die Geschehnisse damals als Kind erlebt hat.
Heute vor 70 Jahren warf das amerikanische Militär die erste Atombombe auf Hiroshima. 140.000 Menschen kostete dieser Angriff ihr Leben, mehr als die Hälfte von ihnen starben sofort, die andere Hälfte erst in den Jahren danach, an den Folgen der atomaren Verstrahlung.
Drei Tage nach Hiroshima, griff die USA dann Nagasaki mit einer zweiten Atombombe an. Bis zu 70.000 Menschen mussten ihr Leben lassen. Dies brachte die japanische Regierung dazu, innerhalb einer Woche zu kapitulieren und leitete damit, zumindest formal, das Ende des zweiten Weltkriegs ein.
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Bis heute gibt es nur ungefähre Schätzungen, wie viele Menschen wirklich bei den Angriffen getötet wurden. Viele der Überlebenden, im japanischen ‘Hibakusha‘, fiel es einfach zu schwer über ihre Erlebnisse zu berichten.
Die Künstlerin Toshiko Tanaka ist eines der Opfer. Als die Bombe morgens um 8:15 Uhr einschlug, war sie gemeinsam mit ihren Freunden auf dem Weg zur Schule. Obwohl sie unglaubliches Leid und den Tod vieler Menschen erleben musste, sprach sie ihr gesamtes Leben eigentlich nie darüber – noch nicht mal mit ihren Kindern. Als sie 70 Jahre alt wurde, änderte sich das, ihr wurde bewusst, dass sie endlich reden müsste, zum Einen um die Toten zu ehren, zum Anderen um die nachfolgenden Generationen aufzuklären und für eine Atomwaffenfreie Welt zu kämpfen.
Bis heute lebt Toshiko in Hiroshima. Refinery29 hat sie ihre Geschichte erzählt.
An was erinnern Sie sich noch vom 06. August 1945?
„Ich erinnere alles noch so, als ob es gestern gewesen ist. Ich war 6 Jahre und 10 Monate alt. Zusammen mit einer Freundin, verließ ich morgens das Haus. Plötzlich streckte meine Freundin den Arm aus und zeigte in den Himmel: „Sieh mal, da ist ein Flugzeug.“ sagte sie.
Wir schauten nach oben und plötzlich sahen wir so etwas wie einen Blitz, ein helles gleißendes Licht. Wie automatisch legte ich meinen linken Arm zum Schutz über meine Augen. Das ist auch der Grund, warum mein linker Arm, so wie mein Hals, aber auch Teile meines Gesichts starke Verbrennungen hatten. Ich erinnere mich auch noch gut daran, wie der Tag weiterging … es war schrecklich.”
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Was passierte direkt nachdem die Bombe eingeschlagen war?
„Ich hatte schwere Verbrennungen und litt unter den Folgen des Angriffs, aber ich konnte noch laufen und fand den Weg nach Hause. Als ich dort ankam, war unser Haus zerstört, aber ich konnte meine Mutter sehen. Diese erkannte mich allerdings nicht, da meine Haare verkohlt und auch meine Haut verbrannt war. Ich war am ganzen Körper schwarz.
Im Laufe des Tages, sah ich viele Menschen, die an unserem Haus vorbei liefen, ihre Kleider waren komplett verbrannt und sie hatten schwere Verletzungen. Alle versuchten einfach irgendwie zu entkommen. Einige hatten viele Verbrennungen, manche waren, zumindest äußerlich, unversehrt. Aber alle bewegten sich unglaublich langsam. Viele starben direkt vor meinen Augen. Zur damaligen Zeit wussten wir kaum etwas über den Schaden, den Radioaktivität anrichtet. Heute ist bekannt, dass viele der Menschen an den Folgen der atomaren Verstrahlung gestorben sind. Auch wenn sie äußerlich keinerlei Verletzungen hatten, hatte die Bombe sie getötet.
Bis heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich eine gegrillte Tomate sehe, denn der Anblick erinnert mich daran, wie die Opfer damals aussahen. Die Haut löst sich langsam ab, und unter den verkohlten Hautfetzen, kommt das Fleisch zum Vorschein.
Am Abend des 06.08. wurde ich bewusstlos und befand mich ca. 4 Tage lang in diesem Zustand, aber an das Einschlagen der Bombe erinnere ich mich klar und deutlich.
Wie ging es dann weiter? Wie haben Sie die Tage darauf erlebt?
“Ich hatte eine Tante, ihr Haus war eingestürzt und sie hatte schlimme Verletzungen. Niemand konnte ihr mehr helfen. Wir mussten fliehen, alles um uns herum brannte und wir mussten sie zurücklassen. Wir hörten sie unter den Trümmern des Hauses rufen, aber wir konnten nichts tun, außer ihr zu sagen, dass es uns leid tut und uns zu verabschieden, wir mussten das Gebiet schleunigst verlassen. Das war einer der schmerzhaftesten Momente überhaupt.
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Meine kleine Schwester war von den Trümmern schwer am Kopf verletzt worden, ein Stück Glas war in ihrer Stirn stecken geblieben. Später wurde es entfernt, immer wurde sie durch die Narbe an die Geschehnisse erinnert.
Am Tag der Bombe, konnten wir natürlich nicht mit Hilfe rechnen, aber auch in den nächsten Monaten, bekamen wir keine Unterstützung. Die Krankenhäuser waren zerstört worden, viele der Ärzte waren tot und es gab nur wenige Leute, die arbeiten konnten. Wir versuchten unsere Wunden mit Gurkenstücken zu behandeln, uns mit dem zu helfen, was wir zur Verfügung hatten. Endlich nach einigen Monaten, kam externe Hilfe – Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich zum ersten Mal einen Arzt aus der Schweiz sah, der mit echter Medizin versuchte den Überlebenden zu helfen.”
Wussten die Menschen um die genauen Ausmaße der Zerstörung, die die Bombe angerichtet hatte?
„Nein. Die Amerikanische Regierung, sowie die japanischen Medien, untersagten es den Menschen insgesamt sechs Jahre lang, über die Auswirkungen der Atombombe zu sprechen. Dafür, dass das auch eingehalten wurde, sorgten unglaublich einflussreiche Abgesandte der Regierung. Außerhalb der Stadt, wurde so getan, als ob der Schaden nicht so schlimm gewesen wäre, es weitaus weniger Tote gegeben hätte und dass alles schon wieder seinen geregelten Gang ging. Das war natürlich nicht im Geringsten der Fall.
Zusätzlich, mussten die Opfer unter einer enormen Diskriminierung durch den Rest der Japaner, leiden. Sie hatten ja keine Ahnung von den Verstrahlungen der Hibakusha und worunter wir wirklich litten. Für uns Frauen, war es sehr schwer zu heiraten, denn kein Mann wollte eine Frau, die Opfer der Bombe geworden war. Sie fürchteten, dass wir keine Kinder bekommen könnten, oder die Babies mit Behinderungen zur Welt kommen würden.“
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Wie gehen die Überlebenden mit ihren Erinnerungen um, ist es ihnen mittlerweile möglich, offen über das Erlebte zu sprechen?
„Ich stehe für viele der Opfer der Bombe. Niemand möchte auch nur im Ansatz über den schrecklichen Angriff reden, geschweige denn, den Schmerz und das Leid, das wir erfahren mussten, mit anderen zu teilen. Es ist zu schmerzhaft sich zu erinnern. Ein paar Wochen vor dem Bombenangriff, war meine Familie aus der Stadt aufs Land gezogen. Das hat uns damals das Leben gerettet. Alle meine Freunde aus der Stadt wurden durch die Explosion getötet. Heute habe ich das Gefühl, dass ich über sie sprechen muss, um ihre Geister zu ehren. Die Menschen müssen von ihnen erfahren und auch, was damals wirklich passiert ist, denn nur dadurch, dass wir von ihnen sprechen, werden sie erinnert. Erst heute, mit 70 Jahren, bin ich soweit, dass ich das realisiert habe und endlich über alles sprechen kann.“
Was möchten Sie jungen Menschen mitgeben? Was können sie von ihnen lernen?
„Die letzten 6 Jahre, habe ich aktiv über meine Geschichte gesprochen. Dieses Jahr konnte ich an der Kunstaktion Love to Hiroshima teilnehmen, bei der Kinder aus der ganzen Welt, ihre Kunstwerke eingesendet hatten. Als ich all diese Arbeiten der Kinder sah', wurde mir einmal mehr bewusst, wie unverzichtbar es ist, mit den Menschen in Kontakt zu treten. Es ist unglaublich wichtig, möglichst viele Menschen auf der ganzen Welt zu treffen und dadurch den Gedanken des Friedens an sie weiterzugeben. Ich habe kein Geld oder politischen Einfluss, alles was ich habe ist mein Wille, Freundschaft zu schließen. Nur so, können wir eine Welt gestalten, die ohne Krieg und Atomwaffen auskommt. Mein zuhause, habe ich zu einer Begegnungsstätte gemacht, in das ich Menschen einlade, miteinander Zeit zu verbringen und ihre Geschichten zu teilen. Das ist der Beitrag, den ich aus meiner kleinen Ecke der Welt leisten kann. Das ist das, was ich für die Welt tun kann.“
Anmerkung der Redaktion: Refinery29 möchte ein besonderes Dankeschön an Fumi John Stewart aussprechen, der leitenden Geschäftsführerin der „World Peace Prayer Society“. Ohne ihre Übersetzung des Interviews vom Japanischen ins Englische, wäre dieser Beitrag nicht möglich gewesen. Außerdem gilt unser Dank Robert Croonquist von Hibakusha Stories, der den Kontakt zu Toshiko Tanaka herstellte.
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