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Mit diesen perfiden Methoden geht Indien gegen die Übervölkerung vor

Neun Frauen sind in Indien bei einer Massensterilisation gestorben, 60 weitere kämpfen ums Überleben. Die Mitschuld trägt die Regierung und ihre perfide Strategie gegen die Überbevölkerung.
Die Nachricht von mindestens neun toten und über 60 verletzten indischen Frauen bei einer missglückten Massensterilisation hat Menschen in aller Welt aufgewühlt. Die Frauen waren nach offenbar verpfuschten Operationen, die innerhalb von wenigen Stunden und unter unerträglichen sanitären Bedingungen stattfanden, mit schweren Verletzungen in Kliniken eingeliefert worden und teilweise verstorben.
Eine Mitschuld daran hat auch die indische Regierung, die solche Massenoperationen forciert und überwacht. Sie will Frauen dazu bewegen, sich sterilisieren zu lassen – und lockt dabei nicht selten mit materiellen oder finanziellen Anreizen. So konnt man im indischen Bundesstaat Rajasthan eine Zeit lang per Los ein Auto gewinnen, wenn man sich freiwillig für den Eingriff meldete. Die Regierungen der Bundesstaaten loben auch schon mal Goldmünzen, Motorrädern und Fernsehern aus. Prämien, die vor allem Männer für die Eingriffe an ihren Frauen begeistern sollen. Außerdem "entlohnen" sie die OP mit umgerechnet 18 Euro.
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In der Vergangenheit gab regelrechte Zielvorgaben, wie viele Sterilisationen ein Bundesstaat pro Jahr erreichen sollte. Doch offiziell wurden diese bereits in den 1970er-Jahren abgeschafft. An ihre Stelle sind inzwischen kaum weniger befremdlich anmutende offizielle Richtlinien getreten, wie viele Operationen Ärzte pro Tag vornehem dürfen. Offiziell sind es 20, die Zahl wird jedoch regelmäßig überschritten, ohne dass jemand einschreitet.

Angehörige werfen Ärzten Pfusch vor

Problematisch sind die Eingriffe insbesondere wegen der äußeren Bedingungen. Oftmals werden die Frauen in staatlich organisierten "Gesundheitscamps" gesammelt und dann im Akkord operiert. Beim jüngsten Fall werfen die Angehörigen den Behörden vor, dass ein einziger Arzt und sein Assistent innerhalb von sechs Stunden über 80 Frauen nacheinander operiert hätten.
Die Angehörigen berichten darüber hinaus von medizinischem Pfusch des Ärzteteams. So sei das Hospital seit Jahren ein Rohbau, es gebe dort kaum technische Hilfsmittel und auf den Tabletten stehe kein Verfallsdatum.
"Viele dieser Camps werden in dreckigen Räumen abgehalten", sagt Kerry McBroom. Sie ist Direktorin der Abteilung für Reproduktionsrechte im Human Rights Law Network in Neu Delhi, das Menschenrechtler bei einem Gerichtsverfahren gegen die Sterilisations-Camps unterstützt. Demnach gibt es manchmal weder Strom noch fließend Wasser am Ort des Eingriffs. "Bei einem der Camps in Bihar operierte ein Arzt 60 Frauen in einer Nacht. Viele bluteten nach der Operation stark. Eine Frau war schwanger, was sie nicht wusste, und sie wurde vor der Sterilisation auch nicht getestet. Zehn Tage nach der Operation hatte sie eine Missgeburt."

Regierung zahlt Familien Entschädigungen

Dass die Rahmenbedingungen oft unzureichend sind, zeigt auch ein Beispiel aus dem vergangenen Jahr. Damals wurden dutzende Frauen nach einer Massensterilisation einfach auf einem Feld abgelegt, da das ausführende Krankenhaus überlastet war. Nach eigenen Angaben hat die indische Regierung zwischen 2009 und 2012 an die Familien von 568 Todesopfern von Sterilisationen fianzielle Entschädigungen gezahlt.
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Die Risiken der Sterilisation der Frau werden im Vergleich zur Vasektomie des Mannes von Gesundheitsorganisationen als wesentlich größer eingeschätzt. Dennoch sind in Indien einer Umfrage des Gesundheits- und Familieninstituts zufolge etwa ein Drittel der Frauen und nur ein Prozent der Männer sterilisiert.

Strukturelle Probleme in der Gesellschaft

Der Grund hierfür liegt auf der Hand: In der indischen Gesellschaft ist die Frau weitaus weniger angesehen als der Mann. Bei der Hochzeit müssen viele Eltern dafür bezahlen, dass der Ehemann sich ihrer Tochter annimmt. Oftmals werden weibliche Säuglinge direkt nach der Geburt getötet, alle 20 Minuten wird eine Frau vergewaltigt – und das ist nur die offizielle Zahl. In weiten Teilen des Landes müssen sich die Frauen dem Willen ihres Mannes beugen. Er will das Auto und schickt sie auf den OP-Tisch. Eine wirkliche Wahl haben viele nicht, bemängelt auch Human Rights Watch. Die ausführliche Beratung über die Risiken, Alternativen für die Verhütung, ärztliche Begleitung, Tests vor der Operation und Nachsorge finde in der Regel nicht statt.

Aufklärung angekündigt

Indiens Premierminister Narendra Modi hat derweil eine gründliche Untersuchung des Vorfalls angekündigt. Modi hatte sich dazu mit dem Minister des Bundesstaates Chhattisgarh, Raman Singh, getroffen, berichtet die Zeitung India Today. Singh hatte die Tragödie zuvor verniedlichend als "unglücklichen Vorfall" bezeichnet.
Unterdessen hat es der Oberste Indische Gerichtshof laut "Indian Times" abgelehnt, eine Untersuchung der Tragödie zu einzuleiten. Nach indischem Recht könnte das Gericht auch ohne Klage tätig werden, sofern ein öffentliche Interesse besteht. Doch die Richter wollen den Vorfall offenbar auf sich beruhen lassen.
Indiens Bevölkerung wächst unterdessen stetig weiter. Bereits heute sind es 1,25 Milliarden Menschen, die dort leben. Über Verhütungsmethoden sind viele Inder nicht ausreichend aufgeklärt oder haben keinen Zugang. Außerdem sind Kinder – vornehmlich Söhne – besonders für die ärmsten Bevölkerungsschichten die einzige Form von Altersvorsorge.
Die UN schätzt, dass Indien im Jahr 2030 China als bevölkerungsreichstes Land der Welt ablösen wird. Dort hat der Staat ebenfalls zu einem fragwürdigen Mittel gegriffen, der Bevölkerungsexplosion Herr zu werden: mittels der – inzwischen etwas gelockerten – Ein-Kind-Politik.
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