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Wenn Rassismus & sexuelle Belästigung Oscars gewinnen: La La Land und Manchester by the Sea

Foto: Getty Images.
La La Land war bei den 89. Academy Awards für 14 Preise nominiert – so viele wie zuletzt Titanic (1997) und Alles über Eva (1950). Gewonnen hat das Team um Damien Chazelle sechs Preise – unter Anderem für die beste Hauptdarstellerin.
Manchester by the Sea wiederum war für sechs Oscars nominiert und nahm zwei mit nach Hause: einen für das beste Drehbuch und einen für den besten Hauptdarsteller.
Der Knackpunkt: Keiner der beiden Filme hätte meiner Meinung nach überhaupt erst zugelassen werden, geschweige denn Oscars gewinnen dürfen.

Casey Affleck & das Problem mit der sexuellen Belästigung

Aber fangen wir von vorn an: Casey Affleck ist ein renommierter Schauspieler und der jüngere Bruder von Hollywoodgröße Ben Affleck. Außerdem wurde er 2010 von zwei Kolleginnen wegen sexueller Nötigung am Set angezeigt. Affleck habe eine der beiden Klägerinnen sogar halbnackt im Bett aufgesucht. Einen gerichtlichen Prozess gab es nie, die beiden Fälle wurden außergerichtlich beigelegt – die Kontroverse um den Schauspieler nicht.
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Gestern Abend gewann Affleck den Oscar als bester Hauptdarsteller für seine Rolle in Manchester by the Sea.
Im Zweifelsfall für den Angeklagten, so heißt es. Wie oft kann sich ein Angeklagter jedoch dazu berechtigt fühlen, eine Straftat zu begehen, bevor er versteht, dass das falsch ist? Wenn man es ihm nicht schwer macht – und einen Mann mit dieser Vergangenheit mit einem Oscar zu prämieren, ist nun wahrlich keine Strafe –, wird er es auch nicht lernen. Von nichts kommt schließlich nichts, auch keine Lektion für diejenigen, die meinen, es sei in Ordnung, sich an Kolleginnen und Kollegen zu vergehen. Noch weniger ist zudem den Opfern solcher Taten geholfen, indem ihnen nicht geglaubt oder alternativ einfach Geld zugeschoben wird.
Affleck ist übrigens bei Weitem nicht allein. Zur Kategorie „Männer in der Filmbranche, die wegen sexueller Belästigung, Nötigung oder sogar Vergewaltigung auffallen“ zählen unter Anderem auch Roman Polanski und Mel Gibson. Letzterer hat neben häuslicher Gewalt auch noch mit Rassismus- und Antisemitismusvorwürfen zu kämpfen. Auch er war bei der gestrigen Verleihung vertreten – und wurde ebenso wiederholt gelobt.
Casey Affleck mag ein großer Schauspieler sein, Mel Gibson ein großartiger Filmemacher, ebenso wie Roman Polanski. Wenn man ihnen allerdings immer wieder Preise verleiht und solche Taten nicht dazu führen, dass man von prestigeträchtigen Veranstaltungen wie den Academy Awards ausgeschlossen wird, passiert es einfach immer wieder.

Das Problem mit der Repräsentation in La La Land

La La Land ist die verträumt-romantische Geschichte eines Jazzpianisten und einer angehenden Schauspielerin, gespielt von Leinwandtraumpaar Ryan Gosling und Emma Stone. Die beiden lernen sich kennen, verlieben sich auf Umwegen – und das Ende verrate ich hier für all diejenigen, die den Film noch sehen wollen, nicht. Eine schöne Geschichte, möchte man meinen. Ist sie auch, nur leider fehlbesetzt. Das liegt weder daran, dass ich kein Fan von Goslings Hey-Girl-Memes bin und auch nicht daran, dass ich Emma Stones rauchige Stimme nicht liebe. Vielleicht an meiner leichten Aversion gegenüber Musicalfilmen? Auch nicht.
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Meine Frustration gegenüber der Besetzung von La La Land bezieht sich voll und ganz auf den unsensiblen Clash von Inhalt und Hauptdarstellern. Das Thema Jazz nimmt eine zentrale Rolle im Plot ein. Es ist das Instrument, das Goslings Charakter Sebastian zu seinem Herzblut macht. Es ist, was ihn bewegt, wofür er zwischenmenschliche Beziehungen aufs Spiel setzt. Er spielt einen Virtuosen, der sich als vermeintlich letzter Ritter eines fast toten Genres darstellt. Darauf, dass besagtes Genre eine grundlegend afro-amerikanische Geschichte hat, wird hierbei leider wenig geachtet.
Und bevor jemand zum Wutausbruch ansetzt: Es geht hier nicht um „mein“ und „dein“. Es geht um Repräsentation. Es geht darum, dass in einem Film, in dem Jazz einer der Hauptakteure ist, John Legend im Hintergrund plänkelt, während ihm ein weißer Mann den Jazz überhaupt erst erklärt. Den Jazz – die Musik, die von Sklaven und ihren Nachkommen erst ins Leben gerufen wurde.
Das ist ein bisschen so, als würde die Maus dem Vogel das Fliegen beibringen wollen.
Rostam Batmanglij, Mitglied der Band Vampire Weekend, schreibt in einem persönlichen Tweet sehr bezeichnend: „Schwarze haben Jazz erfunden – und jetzt sollen wir einen weißen Mann brauchen, um den Jazz zu retten? Danke, aber dieses Narrativ funktioniert 2016 nicht mehr.“
Am Ende des Tages ist die Frage nicht, ob Gosling und Stone schlechte Arbeit geleistet haben (haben sie nicht), und auch nicht, wer den Jazz erfunden hat oder ihn am besten beherrscht. Die Frage, die sich jede und jeder selbst stellen sollte, lautet: Würde ich den Film genauso wahrnehmen, würden die zwei Protagonisten nicht weiß sein? Würde ich mich genauso einfach einfühlen und zum Träumen verleiten lassen können, von zwei Personen, die womöglich nicht so aussehen wie ich oder würde mir der Film plötzlich ein wenig fremder vorkommen? Kann ich dann nicht auch ein bisschen nachempfinden, was bei der Auswahl der zwei Protagonisten schief gelaufen ist?
Wenn Filme wie La La Land und Schauspieler wie Casey Affleck ohne Weiteres Oscars gewinnen können, dann haben sowohl Rassismus als auch sexuelle Belästigung über die Wahrheit, die Vernunft und das allgemeine Verständnis von Menschenwürde gesiegt.
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