Damals war alles anders. Damals hätte ich die Frage, was Luxus in der Mode für mich bedeutet, noch einfacher beantworten können als heute. Mit damals meine ich eine Zeit, in der ich noch an der Schule war, es kein Social Media gab, man sich mit seinem Nebenjob gerade mal alle paar Monate im Sale bei den bekannten High-Street-Modeketten neu eindecken konnte und eine Tasche von Chanel oder Louis Vuitton auf der unerreichbar scheinenden Wunschliste ganz weit oben stand.
Heute verdiene ich mein eigenes Geld, habe mittlerweile meine Chanel-Tasche durch ständiges Tragen so herunter gerockt, dass sie auseinander zu fallen droht und meine Louis-Vuitton-Tasche zwar zur Lederreparatur gebracht, dann aber wochenlang vergessen, sie dort abzuholen, weil ich sie sowieso kaum trage. Was Luxus in der Mode für mich bedeutet, kann ich heute nicht mehr ganz so einfach beantworten wie damals mit 16.
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In einer Zeit, in der wir als Konsumgesellschaft gefühlt alles per Knopfdruck haben und alles, was es auf der Welt da draußen gibt, per Scroll auf Instagram entdecken können, fällt es schwer, sich für ein Kleidungsstück oder Accessoire noch richtig zu begeistern. Und mit richtig meine ich so, wie ich mich damals für das eine (!) Teil begeistert habe, auf das ich lange sparen musste und das ich vor allem erstmal lange in Vintage- und Second-Hand-Läden suchen musste. Und so wie mir geht es einigen eigentlich Modebegeisterten.
Künstliche Verknappung ist hier das Stichwort, dessen sich auch viele Brands heutzutage bedienen. Wie kreiert man als Label am ehesten einen Hype? In dem das Haben-Wollen-Gefühl bei den Konsument*innen geweckt wird. Gefühlt im Wochentakt droppt hier und da ein Brand irgendeine limitierte special collabo, um die sich dann die Kund*innen weltweit kloppen. Wieso ich bis dato da nicht mitgemacht habe, ist ganz einfach: Mir fehlte bislang die Geschichte dahinter, die Emotion, der neue Kick, der von etwas wirklich Neuem ausgelöst wird.
Als ich von Dead White Mens Clothes hörte, war ich zum ersten Mal seit Langem wirklich hooked, wie man auf Neudeutsch so schön sagt. Die Story dahinter: interessant. Die Kleidungsstücke: nice! Erste Intuition: I want!
Hinter dem neuen Label, das auch mit DWMC abgekürzt wird, verbergen sich der ghanaische Künstler Jojo Gronostay und Moritz Grub, Kreativchef und Gründer der Amsterdam Berlin GmbH. Zusammen branden sie Kleidungsstücke, die sie auf dem Kantamanto Markt in Ghana gekauft haben, mit ihrem Logo neu und wollen damit einen Diskurs über Kapitalismus und den Wert von Mode ins Rollen bringen. Aber wieso nicht direkt neue Kleidungsstücke aus den alten formen? „Wir wollen die Kleidung nicht verändern oder neu gestalten, sondern sie durch Branding in einen neuen Kontext stellen“, erklärt Moritz Grub das Konzept. „Der Gedanke, ausrangierte Kleidung durch einen neuen Kontext wieder ganz nach oben zu bringen, hat uns fasziniert. Wenn man die Kollektion sauber aufgereiht auf der Stange sieht, hat das nichts mehr mit Second Hand zu tun. Trotzdem erzählt jedes Teil eine eigene Geschichte, was es für uns interessant macht.“
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Der Gedanke, ausrangierte Kleidung durch einen neuen Kontext wieder ganz nach oben zu bringen, hat uns fasziniert.
Moritz Grub, Mitgründer von Dead White Mens Clothes
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Der Kantamanto Markt im ghanaischen Accra ist übrigens weltweit eine der größten Sammelstellen für gebrauchte Kleidung und somit perfekter Schauplatz für das Vorhaben des Labels. Hier findet man neben billig hergestellten Kleidungsstücken aus China auch gespendete Second-Hand-Ware aus Asien, Australien, Europa und Nordamerika – Stoff, aus dem nun wortwörtlich das Label Dead White Mens Clothes gemacht ist.
Alleine die Geschichte des Label-Namens – großartig! Dieser basiert auf dem ghanaischen Begriff "obroni wawu", was übersetzt in etwa „das Kleid des toten weißen Mannes“ bedeutet. Als die erste Welle der Second-Hand-Kleidung aus dem Westen nach Ghana kam, konnten dessen Einwohner gar nicht glauben, dass diese hochwertige Kleidung einfach weggegeben wird und nahmen schlichtweg an, die vorherigen Besitzer müssten verstorben sein.
Um das Label branchenentsprechend zu präsentieren, wurde vorab ebenfalls ein Kampagnenfilm gedreht. „Für den Erfolg unseres Labels muss die Präsentation stimmen, damit es auch als echtes Modelabel wahrgenommen und akzeptiert wird. Die Kampagne unterstreicht die Frage nach dem Luxus der Zukunft. Sie zeigt ein altes, dekadentes Bild von Luxus und setzt es in den Kontrast zur Moral als neuer Luxusform der DWMC-Kleidung“, erklärt Grub.
Nach einer allerersten Kollektion, die im kleinen Rahmen in Wien präsentiert wurde, zeigte das Brand gestern zum ersten Mal während der Pariser Modewoche. Die ”Collection II” besteht aus 118 Teilen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Jedes Teil gibt es nur ein einziges Mal, in einer einzigen Größe – jedes Teil ein Unikat. Da wären wir wieder bei dem Prinzip der Verknappung. Spannend ist ebenfalls die Frage nach dem Logo – immerhin haben in den letzten Monaten so einige große Modehäuser ihre Umstrukturierungen ebenfalls mit neuen Logos untermauert und diese ausführlich ihren Kunden erklärt. Romano Dudas, Art Director bei Amsterdam Berlin und verantwortlich für das Logo erklärt: „Beim Corporate Design von Dead White Mens Clothes haben wir uns des gleichen Mechanismus bedient, der auch einem Kunstprojekt zugrunde liegt: Das Logo, gesetzt in Arial Narrow – einem Typeface, das weltweit auf fast allen Computer installiert ist – erhält durch minimale Anpassung und den Einsatz von reichlich Weißraum die sterile Eleganz einer Luxusmarke. Das Trademark-Symbol unterstreicht somit den Ursprung der Textilien ein weiteres Mal.“
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Für die Accessoires hat sich das Label die Berliner Designerin Malaika Raiss mit ins Boot geholt, die kurzerhand aus abgebrochenen Schuhabsätzen Accessoires wie Ohrringe entwarf. Neben den re-modellierten Unikaten gibt es ebenfalls eine Merchandise-Kollektion, deren großflächige Prints auf dem Rücken die Texte der aus den Second-Hand-Kleidungsstücken gewonnenen Etiketten zeigen. Frei nach dem Prinzip Sharing Is Caring sollen die Erlöse der Merchandise- sowie eigentlichen Kollektion eingesetzt werden, um Modestudenten in Ghana zu unterstützen.„Wir sprechen zur Zeit mit einer Modeschule in Ghana über die Möglichkeit, ein Dead-White-Mens-Clothes-Stipendium einzurichten, mit dem ein Schüler ein Jahr lang kostenlos dort studieren kann,” erklärt Grub das Vorhaben.
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Nachhaltigkeit ist die neue Form von Luxus.
Moritz Grub, Mitgründer von "Dead White Mens Clothes"
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Ob Dead White Mens Clothes das neue Hype-Label der Stunde wird, wird sich zeigen. Als Zielgruppe sieht Grub „Menschen, die sich zum einen mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander setzen und zum anderen viel Wert auf Individualität legen; All diejenigen, die die Uniformität der Mode satt und ihren eigenen Stil haben.“
Spannend zu verfolgen ist es allemal – und wer eines der Teile ergattern will, muss schnell sein, denn: Jedes ist ein Unikat. Mitgründer Moritz Grub hat übrigens eine ganz klare Antwort auf die Frage, was Luxus in der Mode für ihn heute bedeutet: „Nachhaltigkeit ist die neue Form von Luxus“.
„Dead White Mens Clothes” findest du auch auf Instagram.