Das ist keine gewöhnliche Bar: Hier wird kein Alkohol ausgeschenkt und es ist rund um die Uhr etwas los. Ich schaue auf mein Handy und bemerke, dass ich wie immer zu früh dran bin. Mein Date drückt meine Hand und bewegt die Augenbrauen auf und ab.
Wir sind mit einem anderen Paar verabredet. Ein paar Tage zuvor erhielt ich eine Nachrichtenanfrage auf Instagram. Sass und ihre Freundin Rubí waren gerade in die Stadt gezogen. Sie waren auf der Suche nach neuen queeren Freund:innen. Sie fragte mich, ob meine Partner:in und ich Lust hätten, mit ihnen auszugehen.
„Ja! Gerne“, schrieb ich zurück.
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Ich erblickte Sass und Rubí, die zusammen an einem Ecktisch saßen. Sie waren sogar früher dran als wir! Ich mochte die beiden jetzt schon.
„Das war eine dieser Erfahrungen, bei denen man sich sofort mit jemandem verbunden fühlt“, sagt Sass heute. „Nicht nur, weil sie einen Teil deiner eigenen Erfahrungswelt widerspiegelt, sondern weil du weißt, dass sie dein Leben auf irgendeine Weise bereichern wird.“
Sass und Rubí waren beide gutaussehende Femmes mit ansteckenden Lachern und einem ausgezeichneten Sinn für Humor. Wir verbrachten Stunden an der Bar. Verzaubert und voller Schmetterlinge ging ich an diesem Abend nach Hause.
Während der Lockdowns dachte ich an die Leichtigkeit dieses Abends zurück. Ich vermisste meine Freund:innen. Ich vermisste den Rausch eines Doppel-Dates, das an platonisch und verknallt grenzt. Würde es jemals wieder so sein?
Einen Monat vor dem ersten Lockdown zog ich für einen neuen Job in eine neue Stadt. Ich freute mich, endlich aus meiner Heimatstadt wegzuziehen. Das Büro war trendy und befand sich direkt über einem coolen Café. Vor meinem ersten Arbeitstag stellte ich mir vor, wie ich mit meinen neuen, schrulligen Kolleg:innen einen Kaffee trinken oder in meiner Mittagspause mit einem Buch in der Hand in den Park gehe würde. Dieser Traum zerplatzte aber schnell, als im Büro zum ersten Mal von COVID die Rede war: Ich erinnere mich noch genau an die Slack-Nachricht, die ich an diesem Tag erhielt: „Hast du schon von diesem neuen Virus gehört?“
Das Büro wurde eine Woche später ausgeräumt.
Für viele legte der Lockdown das Fundament ihrer Beziehungen frei – wackelig, stabil, erschöpft, liebevoll. Die Scheidungsrate stieg zu Beginn der Pandemie an, sinkt jetzt aber wieder. Jetzt, wo viele Menschen in der westlichen Welt zweifach geimpft sind, herrscht eine neue Dynamik bei der Partnersuche.
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Als polyamoröse, queere Frau trafen mich die Lockdowns hart. Für meinen neuen Job zog ich mit zwei Partner:innen zusammen. Uns allen war bewusst, dass das eine riskante Entscheidung war. Mit einem Partner oder einer Partnerin zusammenzuziehen ist schon ein Risiko. Aber gleich zwei?
Mit meinen Partner:innen zusammen zu wohnen war das seltsamste und längste Date, das ich je hatte, mit der Ausnahme, dass wir nicht essen oder ins Kino gehen konnten. Obwohl sich die Dynamik zwischen uns fast wie eine Doppelverabredung anfühlte, aber auf etwas wackeligen Beinen. Wir hatten viele liebevolle und lustige Momente miteinander und fühlten uns zueinander verbunden. Am Ende machte ich aber, wie viele meiner Freund:innen, eine Quarantäne-Trennung durch.
Wieder dachte ich an das unglaublich tolle Double-Date mit Sass und Rubí zurück. Abgesehen von den Lockdowns war ich außerdem neu in der Stadt und sehnte mich deshalb umso mehr nach der Art von Verbindung, die sich beim Daten entwickeln kann. Mit Sass und Rubí sprachen wir stundenlang über unsere Familien, Astrologie, kreative Projekte, wie es ist queer zu sein, und alle anderen Themen dazwischen. Wir waren alle so ins Gespräch vertieft, dass die Zeit wie im Flug verging und wir einen neuen, aufregenden Draht zueinander aufbauten, der stark genug war, um drei Umzüge, eine Trennung und eine weltweite Pandemie zu überstehen.
„Als jemand, der mit sozialen Ängsten zu kämpfen hat, nehmen Doppelverabredungen den Druck eines ‚normalen‘ Dates weg und geben mir Raum, meine Gefühle für jemanden zu entdecken“, erzählt Sass. „Es gibt so viele heteronormative Dating-Erwartungen, die ich durchkämmen musste – wie die Tatsache, dass Intimität erwartet wird – und eine:n Freund:in oder Partner:in bei einer Verabredung dabeizuhaben, erinnert mich daran, dass ich mir beim Knüpfen neuer Kontakte Zeit lassen und meinem eigenen Tempo folgen kann. Es gibt dir aber auch Bestätigung und hat etwas Nervenkitzelndes, wenn jemand anderes die Chemie, die ich mit neuen Liebschaften oder Freund:innen habe, live miterlebt.“
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Double-Dates sind der perfekte Weg, um wieder unter Leute zu kommen, da sich alle Beteiligten erst wieder daran gewöhnen müssen, unter Menschen zu gehen, und diese Herausforderung so nicht alleine bewältigen müssen. Du und dein Lieblings-Wingman oder deine Lieblings-Wingwoman könnt Zeit mit euren Crushes verbringen. Pärchen können neue Freund:innen, die ein Paar sind, treffen. Wenn du wie ich nicht monogam bist, steht dir jede Option offen. Manchmal verabreden meine Partner:innen und ich uns mit der Absicht, Freundschaften zu schließen und manchmal sind wir auf der Suche nach Liebhaber:innen. Was eine Verabredung wirklich bedeutet, ist die Verpflichtung, sich Zeit für jemand Neues zu nehmen, darauf zu achten, wer diese Person ist und in die Möglichkeit einer Beziehung zu investieren. Diese Beziehung kann platonisch, freundschaftlich, romantisch, sexuell, intim oder etwas anderes sein. Was eine Verabredung wirklich „wertvoll“ macht, ist die Aufmerksamkeit und Zeit, die du einer anderen Person schenkst.
Weil wir jetzt alle endlich geimpft und immer noch vorsichtig sind, haben mein:e Partner:in und ich Sass und Rubí zum Essen nach Hause eingeladen. Wir haben unsere Freund:innen seit einem halben Jahr (wenn nicht länger) nicht mehr gesehen. Ich fühle mich zuversichtlich und bereit für ein Wiedersehen. Unsere Doppelverabredung ist aus einem bestimmten Grund doppelt: Nach einem Jahr in Isolation macht die Gruppendynamik alles wesentlich einfacher. Außerdem wird der angstauslösende Druck, wieder unter Menschen zu sein, durch die gemeinsame Verantwortung, für Wohlbefinden und Leichtigkeit zu sorgen, geringer.
Ich höre sie schon vor der Tür. Ich muss jetzt weg, um ihnen aufzumachen.