Es gibt nicht die eine Art, Mutter zu sein. Im Laufe der Jahre hat sich das Konzept einer „Mama“ langsam verändert. Inzwischen sind sich die meisten Menschen darin einig, dass „Mutterschaft“ nicht immer gleich aussieht – und trotzdem bekommen vor allem gleichgeschlechtliche Eltern noch immer nicht die Akzeptanz, die sie sich wünschen.
Die Erfahrung einer „nicht-leiblichen“, „nicht-biologischen“ bzw. „nicht-austragenden“ Mutter unterscheidet sich stark von der Erfahrung der meisten anderen Mütter, vor allem während der ersten neun Monate. Das Muttersein wird nach wie vor mit einer Schwangerschaft verbunden, die die nicht-austragende Mutter nicht durchlebt. Daher lässt sich die Erfahrung der nicht-leiblichen Mutter am ehesten mit der Vaterschaft vergleichen. Dabei ist es natürlich absurd, davon auszugehen, dass nur das Austragen eines Kindes jemanden zur Mutter mache. Die Biologie allein macht noch niemanden zum Elternteil – vielen Menschen fällt diese Einsicht aber schwer.
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Das führt dazu, dass sich viele nicht-biologische Mütter mit Fragen, Sorgen und Ängsten quälen. Gleichzeitig ist es natürlich für viele queere Familien auch enorm spannend, keinen genauen „Bauplan“ dafür vorgegeben zu bekommen, wie ihre Familie aussehen sollte. Sie können innerhalb ihrer Familie selbst definieren, was „Mutterschaft“ für sie bedeutet – und es hilft natürlich auch, dass lesbische Paare mit Kinderwunsch oft entscheiden können, wer das Baby austrägt.
Refinery29 hat mit der 23-jährigen Rhiannon, einer Personal Trainerin, über ihr beginnendes Leben als nicht-biologische Mutter gesprochen, während ihre schwangere Verlobte Meg kurz vor der Entbindung steht.
Meine Partnerin Meg hat sich schon immer Kinder gewünscht und wollte sie immer selbst austragen. Wir waren uns direkt einig, dass sie unser erstes Baby bekommen würde: Sie ist fünf Jahre älter als ich und das Risiko damit größer. Noch dazu war ich nie besonders scharf darauf, schwanger zu sein. Vielleicht kommt dieser Wunsch in ein paar Jahren noch, wir werden sehen.
Wir haben es zweimal mit einer IUI (Intrauterine Insemination oder „assistierte Befruchtung“) versucht; beim ersten Mal klappte es nicht. Klar ist es auch enttäuschend, wenn du auf natürliche Art schwanger werden willst und es jeden Monat aufs Neue nicht funktioniert – es ist aber nochmal ein bisschen enttäuschender, wenn du dafür so viel Geld ausgegeben, alle Tests gemacht hast und die Spannung dadurch einfach so riesig war. Wir versuchten es zum Glück nochmal. Beim zweiten Mal klappte es dann, und dafür sind wir superdankbar.
Wir machten das ganze in der Londoner Samenbank, wo eine Runde IUI bis zu 1.500 Pfund kosten kann (umgerechnet rund 1.800 Euro). Woanders kann das auch noch teurer sein – vor allem, wenn du Fotos der Samenspender sehen möchtest. Prinzipiell gilt: Wo sie Geld verdienen können, werden sie alles dafür tun – alle Tests, Beratungen und Co. kosteten uns jeweils nochmal mindestens 150 Pfund (rund 180 Euro). Für unsere zwei Runden IUI haben wir vermutlich mindestens 6.000 Pfund ausgegeben (rund 7.200 Euro).
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[Anmerkung: Auch in Deutschland ist eine assistierte Befruchtung nicht günstig. Ein Behandlungszyklus kostet im Durchschnitt zwischen 500 und 1.000 Euro, kann aber auch – je nach körperlichen Schwierigkeiten, die beispielsweise eine Hormonbehandlung erfordern – deutlich teurer werden. Die Krankenkasse übernimmt dabei keine Kosten. Dazu kommen dann auch noch die Kosten für die Samenspende; meist sind auch das nochmal 500 bis 1.000 Euro.]
Das ist verdammt viel Geld. Ich weiß, dass überall diskutiert wird, ob gleichgeschlechtliche Paare finanziell bei der Befruchtung unterstützt werden sollten. Das wäre schön, aber wir versuchten es gar nicht erst, das zu beantragen. Das wäre zu viel Stress gewesen, und das ist das Letzte, was man will, wenn man sich ein Baby wünscht. Ich bin einfach dankbar dafür, dass wir überhaupt Kinder bekommen können – vor ein paar Jahrzehnten wäre das noch nicht so einfach gewesen.
Die Schwangerschaft läuft super. Meg ist eine echte Kämpferin, und bisher gab es keine Komplikationen, aber wir sind beide total übermüdet. Ich habe keine Ahnung, wie Meg es schafft, einen Menschen in sich rumzutragen, ihn wachsen zu lassen und zu ernähren. Als nicht-austragende Partnerin bin ich in diesen neun Monaten ein bisschen außen vor, weil ich nicht so viel tun kann. Ich freue mich total auf unseren kleinen Jungen – dann kann ich mich endlich beteiligen, mehr beitragen und mir meinen Titel als Elternteil verdienen.
Mich beschäftigt ein bisschen der Gedanke, dass du als biologisches Elternteil eines Babys behaupten kannst: Dieses Kind „gehört dir“, egal, was du tust oder nicht tust. Ich weiß, dass mir das egal sein sollte, und eigentlich stört es mich auch kaum. Trotzdem denke ich ab und zu, dass ich alle Erwartungen übertreffen sollte, um mich als Elternteil dieses Kindes zu beweisen. Mir ist klar, dass das so nicht sein sollte, aber ein Teil von mir will diesem Wunsch, diesem Bedürfnis, doch nachkommen.
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Ich weiß, dass ich genauso wie Meg seine Mama bin, und alle, die uns wichtig sind, betrachten mich auch als solche. Manchmal passieren aber doch Sachen, die mich daran erinnern, dass andere das nicht so sehen – zum Beispiel im Geburtsvorbereitungskurs, wenn andere Leute als „Papa“ oder „Mama“ bezeichnet werden, ich aber immer nur als „die Partnerin“. Es ist, als seien sie sich nicht sicher, wie sie mich nennen sollten. Viele haben mich schon gefragt: „Wie soll man dich denn nennen?“ Eine Frau fragte mich sogar direkt: „Bist du dann Mami oder Papi?“ Sie war schon ein bisschen älter und meinte es gar nicht böse. Mein Wohnort ist gar nicht so rückschrittlich, bloß nicht so richtig divers. Manche Leute haben hier einfach noch nie eine lesbische Frau getroffen und wissen nicht, wie sie damit umgehen sollen. Weil es aber nicht böse gemeint ist, reagiere ich darauf nicht beleidigt. Ich sehe das so: Ich kenne selbst kein anderes lesbisches Pärchen mit Baby – diese Dynamik habe ich daher noch nicht miterlebt. Und wenn selbst ich damit keine Erfahrungen habe, kann ich das nicht von einer 52-jährigen, weißen, cis Frau erwarten, die vermutlich noch nie meinen Heimatort verlassen hat. Es ist für uns alle etwas ganz Neues.
Sobald das Baby da ist, wird es wohl erstmal weiter so bleiben, dass Meg die erste Bezugsperson ist – schließlich muss sie das Baby stillen. Weil wir aber eben keinen Familienrollen-Stereotypen folgen können, werden unsere Rollen wohl durch unsere Persönlichkeiten bestimmt werden. Weil ich arbeiten muss, werde ich einige Sachen nicht übernehmen können, weil ich einfach nicht so viel da sein werde wie Meg. Aber wir schauen einfach, wie sich das ergibt – sowas lässt sich nicht planen.
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In dem Moment, als er gezeugt wurde, wurde ich automatisch zu seinem gesetzlichen Elternteil. Wir sind noch nicht verheiratet oder in einer Lebenspartnerschaft, weswegen wir in der Klinik einige Formulare unterschreiben mussten, um mich auch rechtlich zu seinem Elternteil zu machen. Wenn wir das so nicht gemacht hätten, hätte ich mein Kind später erst offiziell adoptieren müssen. [Anmerkung: In Deutschland sind eine Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft und die Adoption des Kindes Voraussetzung für die künstliche Befruchtung gleichgeschlechtlicher Paare.] Über das Gesetzliche mache ich mir keine Sorgen – aber darüber, wie es wird, wenn er zur Schule geht. Unser Wohnort ist, wie gesagt, nicht die diverseste Stadt der Welt, weswegen er vermutlich einer der sehr wenigen Schüler:innen mit gleichgeschlechtlichen Eltern sein wird. Ich mache mir ein paar Gedanken darüber, wie wir sicherstellen können, wie jedes andere Elternpaar behandelt zu werden – für ihn und für uns. Aber ehrlich gesagt mache ich mir nicht zu viele Sorgen. Ich glaube, wenn du dir zu viel Negatives vorstellst, wird es in irgendeiner Form wahr. Also versuche ich einfach, positiv zu bleiben und auf das Beste zu hoffen.
Ich habe das Gefühl, die LGBTQ+-Community ist deswegen so ängstlich, weil wir viele Horrorstorys hören. Wir bekommen nur sehr selten glückliche Familien zu sehen, die einen normalen Alltag haben und in Bezug auf ihre Sexualität kaum Probleme erleben.
Am wichtigsten ist mir, von anderen als nicht-biologisches Elternteil genauso behandelt zu werden wie ein leibliches Elternteil. Das heißt, stellt mir bitte keine Fragen wie: „Hast du keine Angst davor, dass du mit dem Kind dann nicht verwandt bist?“, oder: „Wie wird dich das Kind dann nennen?“ Obwohl das keine beleidigenden Fragen sind, würdest du dieselben niemals einem Vater oder einer schwangeren Frau stellen. Behandle uns einfach so wie jedes andere schwangere Pärchen! Wir sind nicht anders als andere Familien. Wir sind einfach bloß zwei Frauen, die ein Baby bekommen – mehr nicht.
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