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Ich habe es satt, mit der Partnersuche zu warten, bis ich mich „perfekt“ fühle

Foto: Paola Vivas.
Im Gegensatz zu vielen meiner Freund:innen, die häufig von ihren Dating-Eskapaden und Beziehungshöhen und -tiefen berichten, war ich nie eine begeisterte Daterin. Egal, ob es um die Schule, die Karriere oder meine psychische Gesundheit und mein persönliches Wohlbefinden ging, andere Aspekte meines Lebens hatten meist Vorrang vor dem Swipen auf Tinder und dem Was-Trinken-Gehen mit Fremden, in der Hoffnung auf sprühende Funken. Das bedeutet, dass ich viele unglaubliche Möglichkeiten hatte, mich zu entwickeln und meine Ziele zu erreichen, aber es gab auch Zeiten, in denen ich das Gefühl hatte, dass ich niemanden an meiner Seite hatte, mit dem ich meinen Erfolg teilen konnte. Ich habe das Glück, ein fantastisches Netzwerk aus unterstützenden Familienmitgliedern und Freund:innen zu haben – aber fast 28 meiner 29 Jahre lang jede Nacht allein einzuschlafen, hat mir ganz schön zugesetzt.
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Ich habe immer Gründe oder Ausreden gefunden, warum ich nicht daten wollte. Ich wollte warten, bis ich einen neuen Job gefunden hatte. Ich wollte mir erst ein neues Auto kaufen. Ich wollte in ein anderes Viertel der Stadt ziehen.

Obwohl ich jemand bin, die unglaublich zufrieden damit ist, Single zu sein und in erster Linie die Beziehung zu mir selbst zu pflegen, merke ich jetzt, wo ich auf die 30 zugehe, dass sich meine Prioritäten geändert haben und ich nun einen Partner suche. In den letzten neun Jahren hatte ich fast immer mehrere Dating-Apps gleichzeitig auf meinem Handy und hatte viele erste Dates (und andere Treffen). Trotzdem habe ich mich nie wirklich konsequent und absichtlich auf eine Beziehung eingelassen. Abgesehen von meiner einen ernsthaften Partnerschaft habe ich immer Gründe oder Ausreden gefunden, warum ich nicht daten wollte. Ich wollte warten, bis ich einen neuen Job gefunden hatte. Ich wollte mir erst ein neues Auto kaufen. Ich wollte in ein anderes Viertel der Stadt ziehen. Und die wichtigste, allgegenwärtige Ausrede: Ich wollte abnehmen. Ich könnte unzählige Argumente für die Berechtigung all dieser Hindernisse auf meinem Dating-Weg anführen, aber sie laufen alle auf eine Kernmotivation hinaus: Ich wollte für jeden potenziellen Partner, den ich kennenlernte, die „beste“ Version meiner selbst sein.
Anstatt meine jetzige Version von mir zu zeigen, mit all ihren Fehlern und Schwächen, bin ich die meiste Zeit meines Erwachsenendaseins davor zurückgeschreckt, mich zu verabreden, weil ich diese Idealvorstellung davon hatte, wer ich sein wollte, wenn ich endlich meinen Traumpartner treffe. Das mag traurig klingen – und ich habe festgestellt, dass es das auch ist –, aber ich weiß, dass ich damit nicht allein bin.
Tara, 34, führte in ihren 20ern Langzeitbeziehungen, bis sie merkte, dass sie nicht wusste, wer sie war, weil ihre Identität von diesen Partnerschaften verschlungen worden waren. „Meine 20er waren die Konsequenz dessen, mit wem ich damals zusammen war. Ich brauchte eine Beziehung, die meine Welt völlig aus den Angeln hob, um zu erkennen, dass ich im wahrsten Sinne des Wortes existierte, um das Glück eines anderen Menschen zu erfüllen. Also nahm ich mir eine Auszeit. Ich hörte auf, mich zu verabreden. Ich wusste, dass ich Raum für mich selbst brauchte, um herauszufinden, wer ich wirklich war – als ich selbst. Was ich wollte, was ich schätzte, was ich respektierte, was ich genoss – nicht nur bei einem Partner, sondern im Leben.“ Das ist natürlich ein guter Grund, sich nicht mehr zu verabreden – aber was passiert, wenn die Beweggründe nicht so gesund sind?
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Ziele, die als Bedingung für eine Beziehung gesetzt werden, basieren auf einer Motivation – einer Emotion – und diese Motivation ist nicht nachhaltig. Sie schwankt, wankt und versagt an verschiedenen Punkten des Prozesses.

Dr. LaNail Plummer
„Man kann und sollte immer persönliche Ziele haben, aber nicht, um sich ‚für die nächste Beziehung zu verbessern‘. Diese Ziele sollten persönlich sein, weil man sie für sich selbst erreichen will, sie sollten nichts mit einer Beziehung zu tun haben“, sagt Dr. LaNail Plummer, eine Psychologin. „Wenn eine Person sagt: ‚Wenn ich abnehme, bin ich attraktiver oder bereit für eine Beziehung‘, könnte sie das Gewicht wieder zunehmen, wenn die Beziehung nicht innerhalb kurzer Zeit zustande kommt oder wenn sich die Beziehung verändert. Ziele, die als Bedingung für eine Beziehung gesetzt werden, basieren auf einer Motivation – einer Emotion – und diese Motivation ist nicht nachhaltig. Sie schwankt, wankt und versagt an verschiedenen Punkten des Prozesses.“
Logischerweise weiß ich, dass es kein effektives oder hilfreiches Ziel ist, mit der Partnersuche zu warten, bis ich eine konventionellere Version von mir selbst bin. Aber es ist leicht, diese Ausrede dazu nutzen, um nicht daten zu müssen – und den Schmerz der Ablehnung oder des Scheiterns zu spüren, wenn es mit einer neuen Beziehung nicht klappt. Kate, 24, hat eine ähnliche Erfahrung gemacht, als sie damit wartete, sich zu verabreden, bis sie ihren Doktortitel abgeschlossen hatte. Der Stress und der Zeitplan, die mit dem Abschluss verbunden sind, gaben ihr das Gefühl, dass sie Dates aufschieben muss, bis sie verfügbarer und weniger überfordert ist – zum Wohle der anderen Person. „Ich denke immer wieder, dass ich eine bessere Partnerin und sympathischer bin, wenn ich weniger beschäftigt und gestresst bin“, sagt sie. „Ich bin seit über vier Jahren Single und es fühlt sich erdrückend an, eine weitere Quelle von Stress und potenziellem Schmerz zu meinem Leben hinzuzufügen – obwohl ich eine Beziehung führen möchte. Und obwohl ich unbedingt die Vergangenheit loslassen will – Menschen, die mich verletzt haben, Was-wäre-wenn-Fragen und so weiter – und in eine glücklichere Zukunft gehen will, habe ich nicht das Gefühl, dass ich dazu bereit bin oder dass ich es verdiene. Ich denke dann, wenn ich erst einmal den ganzen Stress und die Schwierigkeiten des Studiums überwunden habe, werde ich ein besserer Mensch sein und die Leute werden mit mir ausgehen wollen, so wie sie es jetzt nicht tun würden.“
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Plummer räumt ein, dass es nichts Schlechtes ist, sich gesunde und erreichbare Ziele für sich selbst (und nicht für eine:n zukünftige:n Partner:in) zu setzen, fügt aber hinzu, dass ein Mangel an Selbstvertrauen niemals eine solide Grundlage für eine Beziehung bilden wird. „Selbstvertrauen muss man sich erarbeiten. Es braucht Arbeit, Strategie, Disziplin, Konsequenz und sogar ein wenig Misserfolg, um zu sehen, wie wir uns wieder aufrappeln oder Resilienz aufbauen. Anstatt Werkzeuge zu benutzen, um eine Beziehung auf instabilem Boden aufzubauen, ist es besser, diese Werkzeuge zu benutzen, um uns selbst aufzubauen. Und seien wir ehrlich: Einige von uns haben keine geschliffenen Werkzeuge oder sogar gar keine Werkzeuge. Dann kommt die Therapie ins Spiel, um die Werkzeuge zu erkennen; und es gibt Meditation, um zu wissen, wann man die Werkzeuge einsetzen muss; und die Spiritualität, um zu verstehen, wie man die Werkzeuge einsetzt und welche Werkzeuge für uns einzigartig sind – insbesondere für unsere Ziele, unsere Leidenschaften und unsere Beziehungen.“
Ich bin seit vielen Jahren in Therapie, was mir geholfen hat, mich zu bessern und schmerzhafte Dating-Erfahrungen in der Vergangenheit zu verarbeiten. Ich habe viele Fortschritte in Bezug auf mein Selbstvertrauen und meine Selbstliebe gemacht, aber ich habe noch einen weiten Weg vor mir, denn ich verspüre immer noch den Zwang, mich für einen zukünftigen Partner oder eine Beziehung zu „verbessern“. Ich weiß aber, dass ich an diesen Dingen mit einem Partner arbeiten kann, wenn ich einen kennenlerne. Das ist das Schöne an einer gesunden und soliden Beziehung: Man kann gemeinsam wachsen und sich verbessern. Deshalb schiebe ich die Partnersuche nicht länger auf, bis ich mein bestes Selbst für jemand anderen geschaffen habe. Ich weiß, dass mich die richtige Person für mich lieben wird.
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