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Die Problematik von humanitärer Hilfe & wie man sie lösen kann

Kabul ist für mich mehr als die Heimat meines Vaters. Es ist ein Ort, den ich aus Geschichten meiner Kindheit kenne. Wo Menschen leben, die tendenziell zu laut sprechen, die gut Witze erzählen können, die Gastfreundschaft regelrecht zelebrieren. Eine kulturell vielfältige und aufblühende Metropole – eine Stadt vor der politischen und soziokulturellen Degeneration Ende der 70er Jahre, vor Krieg, Zerstörung und linearem Verfall.
Dieses Bild aus meiner frühen Kindheit existiert unverändert in meinem Bewusstsein weiter, auch wenn ich durch die mediale Berichterstattung der letzten Jahrzehnte konsequent über eine andere Realität informiert werde. Eine gefühlte Koexistenz dieser beiden Welten, die eine utopisch, die andere dystopisch, prägt meine emotional diskrepante Verbindung zu Afghanistan.
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Dieser Zwiespalt und der Wunsch, die Heimat meines Vaters wieder zu dem Ort zu machen, den ich aus den Geschichten meiner Kindheit kenne, waren für mich die relevanten Faktoren, Visions for Children e.V. beizutreten. Der Verein setzt sich für die Verbesserung der Bildungschancen von Kindern in Afghanistan ein. Das Team besteht aus Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen, viele von ihnen haben auch afghanische Wurzeln. Dass die Arbeit des Vereins dadurch auf einem tiefen Verständnis der afghanischen Kultur basiert, macht vieles leichter, auch aus ganz pragmatischen Gründen – beispielsweise findet sich immer jemand, der schnell ein Dokument von Farsi auf Deutsch übersetzen kann.
Ein weiterer Vorteil des multikulturellen Teams ist die kontinuierliche Verbesserung unserer interkulturellen Kompetenzen – das ist für humanitäre Hilfe unglaublich wichtig. Wir lernen voneinander und bringen verschiedene Blickwinkel und Perspektiven in die Projektarbeit ein. Um anderen Menschen zu helfen, muss man sie zu allererst verstehen. Das wird schwieriger, sobald sie einer anderen Kultur angehören, gar eine andere Sprache sprechen, und umso bedeutender ist ein Austausch. Humanitäre Hilfe ist zweifellos wichtig, aber es ist ebenso wichtig, nicht nur die eigenen, westlich geprägten Wertesysteme vermitteln zu wollen, sondern die der anderen Kultur auch zu akzeptieren und gegebenenfalls sogar zu fördern.

Hilfe zur Selbsthilfe klingt eigentlich einfach, ist es aber nicht: Dafür sind auch wir zu sehr in Klischeedenken und den eigenen kulturellen Strukturen gefangen.

Ich selbst kämpfe nicht selten mit inneren Konflikten beim Thema Entwicklungshilfe – trotz meiner persönlichen Familiengeschichte. Hilfe zur Selbsthilfe, also Menschen zu empowern, aus eigener Kraft und eigenen Mitteln eine bessere und würdevollere Zukunft für sich zu formen, das klingt eigentlich echt einfach, ist es aber nicht. Denn dafür sind auch wir zu sehr in Klischeedenken und den eigenen kulturellen Strukturen gefangen, ob bewusst oder unbewusst. Gleichberechtigte kulturelle Kommunikation ist extrem schwierig.
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Eigentlich bedarf die Methodik von humanitärer Hilfe einer Re-Fokussierung. Denn man steht in diesem Feld generell vor dem Problem, das kulturwissenschaftlich als der Umgang mit „dem Anderen“ verstanden wird. Man sollte sich die Frage stellen, wie interkulturelle Kommunikation auf Augenhöhe überhaupt umgesetzt werden kann. Für Visions for Children e.V. ist es eine Priorität, bei der Durchführung von Projekten Ideale und Vorstellungen der Partnerkultur einzubeziehen und Projekte zu planen, die von den Menschen vor Ort betreut und stark mitgesteuert werden. Nur durch den Respekt und die Wertschätzung der Projektpartner*innen als Fundament kultureller Sensibilisierung im Bereich der humanitären Hilfe kann unsere Arbeit langfristig etwas bewirken. Ohne ein sensibilisiertes Verständnis und ein ausgewogenes Kraftverhältnis zwischen zwei Kulturen sind ehrlicher Austausch und echtes Verständnis kaum möglich.
Um ein kulturell sensibilisiertes Umfeld mit zu kreieren, könnte man sich häufiger folgende Fragen stellen: Wie begegnen wir als Gesellschaft und Individuen anderen Menschen? Wie positionieren wir uns ihnen gegenüber? Nehmen wir eine (vielleicht unbewusste) Haltung der Überlegenheit ein? Können wir uns von dem tief in unserer Gesellschaft verankerten Klischeedenken lösen?

Gerade junge Menschen zeigen wieder ein stärkeres Interesse am sozialen Engagement.

Trotz oder gerade wegen all dieser Überlegungen: Humanitäre Hilfe in Krisengebieten, ob durch ein langfristiges Ehrenamt oder eine einmalige Spende, ob vor Ort oder von Deutschland aus, ist jede Minute und jeden investierten Euro wert, wenn interkulturell sensibilisiert zusammengearbeitet wird. Und wenn ehrlich die Bedürfnisse des Partnerlandes evaluiert werden.
Zusätzlich gibt es bei der Auswahl eines Projekts, das man unterstützen will, ein paar weitere Dinge, auf die man achten kann (auch, um die weitverbreitete Skepsis, ob das gespendete Geld denn tatsächlich an der richtigen Stelle ankommt, zu minimieren). Um sich einen besseren Eindruck von einem humanitären Projekt machen zu können, empfiehlt es sich, zu recherchieren, wie transparent die durchgeführten Maßnahmen der NGO kommuniziert werden. Visions for Children e.V. beispielsweise ist Unterzeichner der Initiative Transparente Zivilgesellschaft, das heißt wir bieten freiwillig auf unserer Homepage Informationen an, die über die gesetzlichen Veröffentlichungspflichten für gemeinnützige Organisationen in Deutschland hinausgehen.
Mit dem Thema soziale Verantwortung korrekt umzugehen, bleibt eine Herausforderung. Gerade in Zeiten, die durch politische Veränderungen deutlich offenlegen, dass die Bedeutung von Empathie in unserer Gesellschaft immer mehr schwindet, ist gegenseitiges Verständnis die Prämisse für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Aus der jahrelangen Erfahrung unserer Vereinsarbeit lässt sich aber ablesen, dass gerade junge Menschen wieder ein stärkeres Interesse am sozialen Engagement zeigen. Denn für eine Sache, die einem am Herzen liegt, einzutreten, verbindet uns mit Gleichgesinnten und bringt uns als Gesellschaft voran.

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