Ich bin mit Reese Witherspoon, der Schauspielerin, aufgewachsen. Charaktere wie Elle Woods in Natürlich Blond waren, wenn auch von Stereotypen geprägt, gleichzeitig quirlig und tough. Darauf folgten weitere Blockbuster wie Walk the Line, Sweet Home Alabama und Wasser für die Elefanten. Alles Kassenschlager, aber ohne hohen, emotionalen Stellenwert für mich persönlich. Irgendwas fehlte. Denn genau wie Witherspoon habe auch ich mich in den vergangenen 17 Jahren weiterentwickelt und wollte andere Filme sehen, etwas Neues gezeigt bekommen, etwas, das mich berührt. Erst 2017 konnte ich meine Liebe für die Südstaatlerin wiederentdeckten – als Schauspielerin, aber vor allem als Produzentin. Der von ihr co-produzierte Serienhit Big Little Lies hat Millionen von Zuschauer*innen weltweit gepackt, mich inbegriffen. Vier Frauen in einer US-amerikanischen Kleinstadt verbünden sich gegen den gewalttätigen Mann von Celeste Wright (Nicole Kidman). Gefesselt von dem herausragenden Storytelling sowie der schauspielerischen Leistung aller Beteiligten betrieb ich größtes Fangirling, empfahl die Miniserie allen Freund*innen, deren Müttern, Tanten und entfernten Verwandten. Es war also auch keine große Überraschung, dass vier Golden Globes und acht Emmys ihre Wege in die Hände der Macher*innen fanden und sich eine zweite Staffel mit Meryl Streep als grandioser Neuzugang bereits in der Vorproduktion befindet. Ach, ganz nebenbei profitiert der komplette Cast von dem bahnbrechenden Erfolg: Alle Involvierten bekommen eine dicke Gehaltserhöhung!
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„Hello Sunshine“, Hello Women!
Und all das, weil Witherspoon ein Buch von der Autorin Liane Moriarty gefunden hatte, das sie einer filmischen Umsetzung würdig fand und diese ohne über Los zu gehen mit ihrer eigenen Produktionsfirma anpackte, die außerdem Gone Girl zu einem Hit machte. 2016 löste sie sich von ihren Partner*innen und gründete mit „Hello Sunshine“ eine neue Firma. Heute gehören ihr damit die Rechte an vielen Büchern, hauptsächlich von weiblichen Autorinnen. Was für Geschichten sie wohl noch so auf Lager hat, dachte ich und forschte nach. Was ich fand, waren vorerst unzählige Zeitungsartikel von der New York Times bis hin zu Variety und allen weiteren renommierten Publishern, die über Witherspoon, die Power-Produzentin, schrieben. Dann erst fand ich ihre IMDB-Seite und muss gleich vorweg sagen: Ein Projekt hört sich besser an, als das andere.
A White Lie basiert wieder auf einem Bestseller aus Frauenhand: Karin Tanabes Roman The Gilded Years. Zendaya wird die Hauptrolle übernehmen und eine hellhäutige Afroamerikanerin spielen, die sich als Weiße ausgeben muss, um einen Studienplatz zu bekommen. Es gelang Witherspoon bereits, Sony davon zu überzeugen, den Thriller zu finanzieren. Schreiben wird das Drehbuch ebenfalls eine Frau, Monica Beletsky (bekannt aus Fargo). Das sind die Arten von Geschichten, die ich heute sehen will. Geschichten über Frauen, mit denen man sich identifizieren kann, von Frauen erzählt und aus dem Blickwinkel einer Frau gedreht. Witherspoon hat verstanden, was am Markt fehlt und präsentiert einen Women-led-Knaller nach dem nächsten.
Wissen, was gefragt ist – von Podcasts & Apple
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Das meiner Meinung nach spannendste und zeitgenössischste Projekt ist Are you Sleeping. Das Drama wird aktuell gedreht und soll 2019 auf Apple erscheinen. Ja, die mit den iPhones. Dieses und ein weiteres Hello-Sunshine-Drehbuch sollen die ersten Schritte des Konzerns in Richtung Fernsehen sein. Wenn das kein Ritterschlag ist, weiß ich auch nicht. In der Serie mit Oscar-Gewinnerin Octavia Spencer, Lizzy Caplan und Aaron Paul (Breaking Bad) wird es um den aktuellen, international um sich greifenden Hype der True-Crime-Podcasts gehen. Ich bin seit Serial großer Fan des Genres, höre gerade einen neuen und kann es kaum abwarten, bis es die Podcast-Thematik es endlich auf den Bildschirm schafft. Apropos Podcasts: Storytelling für die Ohren macht Witherspoon auch. How it is ist ein, wieder auf Apple, erscheinender und unglaublich relevanter Podcast, der Betroffenen der #MeToo-, #TimesUp- und weiteren starken Frauenbewegungen ein Medium und die Zeit zum Sprechen gibt.
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Frauen, die Frauen Jobs ermöglichen
Nah dran an der Mitte der Gesellschaft zu sein, will – besonders als Prominente der A-Klasse – gelernt sein und erfordert sicherlich etwas Arbeit. Aber man merkt, dass Witherspoon einen guten Blick für das hat, was das Publikum, zumindest in weiten Teilen der USA und Europas, beschäftigt und auch für das, wonach wir uns sehnen. Jennifer Aniston in einer richtig guten Produktion zu sehen, ist zum Beispiel eine meiner persönlichen Sehnsüchte. Nach Friends kam da nicht mehr viel. Vielleicht bedarf es ja der Feder und Vorstellungskraft einer Frau, sie wieder als einen Charakter darzustellen, der gefeiert wird. Ich hoffe, dass das noch namenlose, gemeinsame Projekt Witherspoons und Anistons genau diesen Effekt haben wird. Wieder hatte Apple Glück und sicherte sich bereits jetzt die Rechte an der geplanten Miniserie über das nicht nur US-amerikanische Phänomen des Frühstücksfernsehens. Was sind das für Menschen, die anderen regelmäßig dabei helfen, in den Tag zu starten? Genau mit dieser Frage wird sich das Produzentinnen- und Schaupielerinnen-Duo beschäftigen.
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Die letzte bisher bekannte Serie der Hello-Sunshine-Storytelling-Maschine trägt den Namen Little Fires Everywhere. Neben Witherspoon selbst wird eine meiner liebsten Schauspielerinnen, Kerry Washington, darin zu sehen sein. Celeste Ng ist die Autorin des gleichnamigen New York Times Bestseller-Romans und erzählt darin die Geschichte einer alleinerziehenden Mutter, die in eine der in den USA berühmt berüchtigten Gated Communitys zieht und die dort sonst herrschende Ruhe und Ordnung stört. Wieder eine Story, in die sich Eltern und Kinder Alleinerziehender hineinfühlen können. Brilliant!
Hollywood braucht mehr Frauen wie Reese Witherspoon
Ich würde gern Mäuschen spielen dürfen, wenn Witherspoon Bücher bestellt, sie durchwälzt und sich Notizen und Gedanken zu den darin beschriebenen Charakter macht. Weil das leider nicht möglich ist, werde ich weiterhin das tun, was dem am nächsten kommt: Ihrem webbasiertem Buchclub folgen wie das Fangirl, das ich bin. Für mich ist Witherspoon eine der smartesten, vorausschauendsten und interessantesten Geschichten-zum-Leben-Erweckerinnen unserer Zeit. Sie zieht mich in ihren Bann und inspiriert mich dazu, mehr zu Lesen (aktuell liegt das von ihr empfohlene Something in the Water auf meinem Nachttisch). Aber darüber hinaus teilt sie ihren Erfolg mit anderen – vor allem mit anderen Frauen. Neben dem Kauf der Rechte an Büchern von Autorinnen verpflichtet sie bewusst weibliche Screenwriterinnen und kämpft dafür, Schauspielerinnen auch Credits als Produzentinnen zu ermöglichen. Kurzum: Sie verhilft Frauen zu guten Jobs in Hollywood und das zu einer Zeit, in der diese immer noch weniger lukrative Angebote bekommen als ihre männlichen Kollegen, wie das gerade viral gegangene BBCs Leading Ladies Video passend parodiert. Witherspoon beweist nicht nur, dass Ehrgeiz – besonders für Frauen – alles andere als „ein dreckiges Wort“ ist oder gar etwas, für das sie sich schämen sollten, sondern dass Selbstverwirklichung, beruflicher Erfolg und die Bereicherung anderer durchaus Hand in Hand gehen kann; dass man Frauen nur die richtigen Chancen geben muss, sodass dabei Geschichten herauskommen, von denen ich und Millionen anderer Menschen nicht genug bekommen. Ein Hoch auf Reese Witherspoon als Vorbild von echtem, gelebten Female Empowerment!
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