Auch wenn sich Sex-und Beziehungsexpert*innen uneinig sind, ob es überhaupt möglich ist, süchtig nach Sex zu sein, gibt es Menschen, für die es Realität ist. Oftmals ist ihr Verlangen nach Sex so groß, dass es sich negativ auf ihre mentale Gesundheit und ihre Beziehungen auswirkt. Manche vernachlässigen dadurch sogar ihre Pflichten und verlieren schlimmstenfalls ihren Job.
Die Auswirkungen können also wirklich gravierend sein, weshalb Eytan Alexander, Gründer der britischen Suchtbehandlungsstelle UKAT, auch findet, den Betroffenen sollte professionelle Unterstützung angeboten werden – egal, ob es sich nun um eine anerkannte Sucht handelt oder nicht. Besonders Frauen könnte es helfen, wenn wir offener über das Thema sprechen würden, so Eytan. „Leider wird Sexsucht bei Frauen oft stigmatisiert, was viele dazu bringt, die Abhängigkeit nicht zugeben zu wollen – weder gegenüber sich selbst, noch anderen. Wir müssen etwas an unserer Einstellung ändern, denn meiner Meinung nach ist es eine echte Sucht ähnlich, wie eine Alkohol- oder Heroinabhängigkeit.“
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Die 29-jährige Kate*, eine Frau, die unter Sexsucht leidet, teilt mit uns ihre Erfahrungen.
In der Vergangenheit litt ich bereits unter Essstörungen – Anorexie und Bulimie – sowie einer Drogenabhängigkeit, weshalb ich wusste, dass ich einen Hang zum Suchtverhalten habe. Doch der Auslöser für meine Sexprobleme war eine nicht einvernehmliche Sexsituation. Das Trauma sorgte für eine tiefe Kluft zwischen meiner Seele und meinen Körper. Es fühlte sich so an, als wäre das gar nicht mehr mein Körper. Sex zu haben, war mein Weg, mir Luft zu machen. Es war wie wenn du Drogen nimmst: Für einen Moment vergisst du alles um dich herum und lässt die Realität hinter dir. Durch die Sexsucht versuchte ich auf der einen Seite die Erinnerungen an das, was ich erlebt hatte zu verdrängen und auf der anderen Seite, diesen Körper wieder zu meinem Körper zu machen.
In der Vergangenheit litt ich bereits unter Essstörungen – Anorexie und Bulimie – sowie einer Drogenabhängigkeit, weshalb ich wusste, dass ich einen Hang zum Suchtverhalten habe. Doch der Auslöser für meine Sexprobleme war eine nicht einvernehmliche Sexsituation. Das Trauma sorgte für eine tiefe Kluft zwischen meiner Seele und meinen Körper. Es fühlte sich so an, als wäre das gar nicht mehr mein Körper. Sex zu haben, war mein Weg, mir Luft zu machen. Es war wie wenn du Drogen nimmst: Für einen Moment vergisst du alles um dich herum und lässt die Realität hinter dir. Durch die Sexsucht versuchte ich auf der einen Seite die Erinnerungen an das, was ich erlebt hatte zu verdrängen und auf der anderen Seite, diesen Körper wieder zu meinem Körper zu machen.
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Am Höhepunkt meiner Abhängigkeit masturbierte ich täglich etwa 30 Mal und hatte mindestens 10 Mal Sex.
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Ich kann gar nicht so genau sagen, wann ich die ersten Symptome einer Sexsucht zeigte. Aber etwa im Alter von 15 bis 19 realisierte ich, mein Sexualverhalten anders war als das Gleichaltriger. Für mich ging es beim Sex nie darum, eine tiefe Verbindung zu jemandem aufzubauen. Viele Teenager*innen haben irgendwann eine Phase, in der sie sich ausprobieren, doch bei mir war das deutlich krasser. Ich habe mit Männern und Frauen geschlafen, egal, ob ich sie attraktiv fand oder nicht. Geschlecht, Aussehen, Anziehung, Chemie – das alles war mir egal. Es ging mir einfach nur darum, ein Ziel zu erreichen.
Als ich mit 19 aufhörte, Drogen zu nehmen, war Sex das Einzige, was ich machen konnte, um mich von meinen Gedanken abzulenken. Ich masturbierte oder hatte mit jemandem Sex, um mich selbst vom Nachdenken abzuhalten. Am Höhepunkt meiner Abhängigkeit masturbierte ich täglich etwa 30 Mal und hatte mindestens 10 Mal Sex. Ich befriedigte mich sogar auf der Toilette auf Arbeit selbst, aber ich weiß nicht, ob das an meiner Sexsucht lag oder daran, dass ich jung war. Sex war diese aufregende, irre Sache, die mich im Vergleich zu Drogen nicht umbringen würde. Beim Sex konnte ich den Kopf abschalten und Kalorien verbrennen. Und er hielt mich vom Essen ab. Ich litt unter Dysmorphophobie und mein Umgang mit Sex verschlimmerte das nur noch. Ich fühlte keine Verbindung zu meinem Körper oder zu irgendjemand anderem. Trotzdem sah ich damals keinen wirklichen Grund, keinen Sex zu haben.
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Ich fühlte mich danach immer unglaublich leer, weshalb ich es immer und immer wieder tat.
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Ich hatte etwa zehn richtige Beziehungen, habe aber insgesamt mit ungefähr 40 Menschen geschlafen. Vielleicht waren es auch ein paar mehr. Ich dachte immer, meine Partner*innen hätten kein Problem damit, dass ich ständig Sex haben wollte, aber bei einigen war es so. Irgendwann stellten sie fest, dass es mir beim Sex nie darum ging, eine Verbindung aufzubauen. Ich wollte sehr harten Sex, ich wollte an meine Grenze gehen, ich wollte mich der Situation machtlos ausgeliefert fühlen. Es war kein gesunder, liebevoller Beziehungssex. Es war rauer, brutaler Sex. Es sollte sich pervers anfühlen, aber so, als hätte ich mir selbst ausgesucht, dass es passiert. Sicher war es nicht einfach für meine Partner*innen irgendwann festzustellen, dass sie für mich nur Mittel zum Zweck waren.
Und dabei war Sex für mich noch nicht mal eine wirklich positive Erfahrung. Ich fühlte mich danach immer unglaublich leer, weshalb ich es immer und immer wieder tat. In dem Moment als ich Sex hatte, fühlte es sich gut an, aber es war trotzdem nicht das, wonach ich suchte. Damals wusste ich noch nicht, was hinter meinem Verlangen steckte. Nach dem Akt war ich einfach immer nur total down. Die einzige Lösung, die ich sah, war weiterzumachen.
Letztendlich war es eine ganz banale Unterhaltung mit meiner Suchtberaterin, die mir dir Augen öffnete und mir bewusst machte, dass ich Hilfe brauche. Sie erzählte mir, sie hätte eine romantische Nacht mit ihrem Freund gehabt und ich antwortete „Und wie fühlt sich sowas an?“. Sie war schockiert darüber, dass ich keine Ahnung hatte, wovon sie sprach. Ich erzählte ihr, ich hatte nie wirklich das Konzept einer romantischen Beziehung verstanden.
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Bei der Therapie erzählen sie dir immer, du solltest vorsichtig sein, wenn du eine neue Beziehung anfängst, weil du durch die Sucht sehr verletzbar bist und deswegen vielleicht zu schnell eine zu tiefe Bindung zu jemandem aufbaust. Ich fand das immer lustig und sagte, ich hätte damit keine Probleme. Ich dachte, ich wäre etwas Besonderes, weil ich es als Frau schaffte, mich nicht in jeden Typen zu verlieben, mit dem ich geschlafen habe. Aber dann realisierte ich, ich hatte niemals echte Gefühle für jemanden gehabt. Oder allgemein Zärtlichkeit in meinem Leben. Das so ehrlich zugeben zu müssen, machte mich sehr traurig.
Die Therapie war sehr hilfreich für mich, weil wir meine Probleme genau unter die Lupe nahmen. Mir waren meine Verhaltensmuster vorher nie bewusst gewesen – genauso wenig wie der Grund für meine Sucht. In der Therapie musste ich aufschreiben, womit ich mir selbst und anderen Schaden zufügte. Das war etwas, worüber ich mir nie wirklich Gedanken gemacht hatte. Natürlich wusste ich, dass die Drogen und meine unzureichende Ernährung schlecht für meinen Körper waren. Sie hätten mich buchstäblich umbringen können. Aber ich hatte nie bedacht, dass auch die Sexsucht Spuren hinterlassen hatte. Jahrelang hatte ich mir keine Beziehung zu mir oder zu anderen erlaubt. Das wurde mir erst in der Therapie bewusst, als ich dazu gezwungen war, ehrlich zu mir selbst zu sein. Erst dann, erkannte ich mein Verhalten und den Schaden, den ich damit angerichtet hatte.
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Ich werde wohl nie jemand sein, der zufrieden damit ist, einmal pro Woche Sex zu haben. Aber ich bin nicht mehr besessen vom Sex.
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Mittlerweile führe ich eine glückliche Beziehung, die sehr echt und ehrlich ist. Ich weiß jetzt, was mir früher gefehlt hat und was ich meinen Partner*innen damals nicht gegeben habe. Ich war nicht offen, ich fühlte mich nicht sicher. Was das Thema Sex angeht: Ich werde wohl nie jemand sein, der zufrieden damit ist, einmal pro Woche Sex zu haben. Aber ich bin nicht mehr besessen vom Sex. An Tagen, an denen ich arbeite, masturbiere ich immer und wenn ich einen Tag frei habe, mache ich es mir drei Mal. Es macht mir einfach Spaß. Ich denke, wenn mein Partner und ich in einer gemeinsamen Wohnung leben würden, würden wir mindestens einmal am Tag miteinander schlafen – idealerweise zwei Mal. Im Moment sind es im Schnitt allerdings etwa vier oder fünf Mal pro Woche.
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Mein Partner kennt meine Suchtvergangenheit. Nachdem ich es ihm erzählt hatte, fiel es mir auch leichter, mir Hilfe zu suchen. Ich hatte mich den traumatischen Dingen, die mir passiert sind nie wirklich gestellt. Und ich glaube, ich wäre dazu auch nicht in der Lage gewesen, wenn ich niemanden in meinem Leben gehabt hätte, mit dem ich darüber hätte reden können. Jemanden, bei dem ich mich sicher fühle. Als ob es nicht schon schwer genug wäre, vor sich selbst die Sucht einzugestehen, kommt obendrauf noch die Pauschalisierungen und Vorurteile der Gesellschaft.
In der ersten Woche in meinem aktuellen Job besuchte jemand meinen Boss, der mich zufälligerweise kannte – und von einem Treffen der anonymen Sexsüchtigen. Er sagte, er erinnere sich an mich und begann damit, Namen von Leuten mit denen ich geschlafen hatte aufzuzählen. Ich fühlte mich gedemütigt. Ich hatte diese Person acht Jahre lang nicht gesehen und wir hatten uns niemals wirklich unterhalten. Aber er wusste immer noch, mit wem ich Sex gehabt hatte. Wäre ich ein Mann, würde er sich bestimmt noch nicht mal an meinen Namen erinnern – geschweige denn an die meiner Sexualpartner*innen.
Meiner Erfahrung nach geraten viele Menschen in eine Sexabhängigkeit, weil sie etwas Schlimmes erlebt haben, das sie verdrängen wollen. An diesem Punkt in ihrem Leben haben sie vielleicht einfach keine Kraft, sich damit auseinander zu setzen. Ich wünschte, die Leute wären einfühlsamer und verständnisvoller gegenüber Sexsüchtigen, statt verurteilend und voreingenommen. Es ist dieses Stigma, das Frauen davon abhält, sich Hilfe zu suchen. Ich kenne Menschen, die sich alle möglichen gefährlichen Verhaltensmuster angeeignet haben, weil sie sich so sehr geschämt haben. Ich kenne sogar Menschen, die sich das Leben genommen haben, weil sie die Pein irgendwann nicht mehr ausgehalten haben. Ich selbst habe mich in Situationen gebracht, in denen ich hätte sterben können. Aber wenn du dir selbst leid tust, wie ich es getan habe, dann ist dir irgendwann alles egal und das ist gefährlich. Genauso gefährlich wie eine Gesellschaft, in der Vorurteile und Pauschalisierungen nicht hinterfragt werden.
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Wenn du denkst, du hättest keine gesunde Beziehung zu dir selbst oder zu irgendetwas, das mit Sex oder deinem Körper zu tun hat, sei mutig und such dir bitte Hilfe. Es gibt da draußen fantastische Sexualtherapeut*innen, die für dich da sind. Es ist nicht deine Schuld, dass du so bist wie du bist. Du hast es verdient, dass dir jemand hilft.
Wenn du selbst an einer Sexsucht leidest oder eine Person kennst, die eventuell Hilfe brauchen könnte, kannst du die Anonymen Sexaholiker Deutschland anrufen. Kontakttelefon: 0175 7925113; AS für Frauen: 0160 92966010.
*Name aus Datenschutzgründen geändert.