Katya ist 27 und seit etwa drei Monaten vor Beginn der Pandemie Single. Die meiste Zeit hat sie kein Problem damit, und manchmal ist sie sogar froh, keine:n Partner:in an ihrer Seite zu haben: So kann sie ihr Leben selbst bestimmen, auf Dates gehen, mit wem auch immer sie möchte, und sich ausschließlich auf ihr eigenes Glück konzentrieren. Sie sieht immer wieder Artikel und Beiträge in den sozialen Medien, in denen betont wird, dass das Single-Dasein etwas sei, das dich empowern sollte, anstatt dich dazu zu bewegen, ständig auf Partner:innensuche zu sein. Katya würde sich auch gerne die ganze Zeit über ermächtigt fühlen.
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Das tut sie aber nicht. Es hilft auch nicht, dass alle ihre engen Freund:innen gerade in Beziehungen sind, wodurch sie sich manchmal einsam fühlst. Das ist vor allem an Tagen wie Silvester der Fall, den sie wegen Corona allein verbrachte. Sie versucht zwar, mit ihren Freund:innen über ihre Gefühle zu sprechen. Diese bemitleiden sie dann aber immer. So fühlt sie sich bevormundet. Immer wieder hat sie Momente, in denen sie ihre Einsamkeit überrollt, wofür sie sich dann auch noch schämt. Ihr ist klar, dass ihr Glück nicht von einer anderen Person abhängt, aber das bedeutet nicht, dass sie allein sein will.
Wie kann sie also lernen, all diese Gefühle zuzulassen, ohne sich in eine neue Beziehung zu stürzen?
Dr. Sheri Jacobson, eine Psychotherapeutin im Ruhestand mit über 17 Jahren klinischer Erfahrung und Gründerin von HarleyTherapy.com, kann hier weiterhelfen.
Dr. Sheri Jacobson: Durch die Pandemie verschlimmert sich Einsamkeit nur noch – vor allem durch die physische Isolation und den geringeren Kontakt zu anderen Menschen, der doch so wichtig für unser Wohlbefinden ist. Da wir gerade vieles nicht tun können und unsere Freund:innen seltener als sonst zu sehen bekommen, fühlen wir uns alle ein wenig abgeschottet und allein. Und obwohl Personen, die zusammenleben oder in einer Beziehung sind, sich während der Pandemie (in manchen Fällen) noch näher gekommen sind, ist es schwer, damit leben zu müssen, dass du ohne diese Nähe auskommen musst.
Es gibt keinen Grund, dich für deine Einsamkeit zu schämen. Es ist nur ein Gefühl. Versuch, nicht über deine Gefühle zu richten: Es gibt keine guten oder schlechten Emotionen; die Dinge sind, wie sie sind. Dich einsam zu fühlen, ist nur ein Gefühlszustand, der wieder vergehen wird. Diese Gefühle kommen und gehen, und je mehr wir daran arbeiten, 1) sie zuzulassen und 2) uns selbst gegenüber mitfühlend zu sein, desto besser wird es uns gehen.
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Es ist oft schwer, dich von schwierigen Gefühlen nicht runterziehen zu lassen und sie als etwas Neutrales zu sehen. Wenn du zum Beispiel vor Wut kochst, kann sich das so unangenehm anfühlen, dass du deinen Ärger wahrscheinlich als eine negative Emotion wahrnimmst. Tatsache ist jedoch Folgendes: Je mehr wir Gefühle wie Einsamkeit zulassen können, desto weniger Macht haben sie über uns und desto schneller werden sie sich wieder in Luft auflösen. Je mehr wir die Strapazen und Schwierigkeiten des Lebens akzeptieren können, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie uns nicht mehr so sehr stören werden.
Eine der Methoden, mit denen sich Gefühle und Gedanken verarbeiten lassen, ist Grübeln. Vielleicht verbringst du viel Zeit damit, dir folgende Fragen zu stellen: „Warum fühle ich mich so? Vielleicht will ich gar nicht Single sein? Sollte ich eine Beziehung eingehen? Warum geht es mir gerade nicht gut? Ist es schlecht, dass ich mich schlecht fühle?“ Wir können uns da ganz schön gedanklich verstricken. Neben dem Zulassen von Gefühlen gibt es eine Reihe von Methoden, die hilfreich sein können, wenn du beim Grübeln nicht weiterkommst. Eine davon ist Ablenkung. Damit meine ich aber nicht Ablenkung im Sinne von Vermeidung, sondern eher Abwechslung. Es geht darum, etwas Gutes für dich zu tun, anstatt zu grübeln, wie z. B. etwas, das dir Spaß macht. Atemübungen sind auch sehr zu empfehlen. Wenn du also spürst, dass unangenehme Gedanken und Emotionen in dir aufsteigen und du dich in einem mentalen Wirrwarr verfängst, kannst du da wieder herauskommen, indem du dich z. B. innerlich auf grundlegende Dinge wie deinen Atem oder deine Körperempfindungen konzentrierst. So kannst du einer negativen Gedankenschleife ein Ende setzen.
Wenn du weißt, wie du deine Gefühle in den Griff kriegen kannst, gibt es auch ein paar praktische Tipps, um dich weniger einsam zu fühlen. Ich würde damit beginnen, über deine Beziehungen nachzudenken und zu entscheiden, mit wem du gerne Zeit verbringen möchtest und mit wem lieber nicht (mehr). Sind die jeweiligen Personen gut für dich? Verbessern sie deine Laune? Es ist es wichtig, dich damit zu beschäftigen, wie es dir geht, nachdem du dich mit jemandem getroffen oder auch online gesprochen hast. Denk darüber nach, mit wem du eine gute, nährende Verbindung hast.
Sobald dir das klar ist, solltest du dir die Zeit nehmen, um diese Beziehungen zu pflegen. Hier spielt Zuhören eine wichtige Rolle. Je mehr Zeit und Energie du jemandem schenkst und ihm:ihr wirklich zuhörst und je mehr die andere Person das Gleiche tut, desto weniger einsam wirst du dich fühlen. Wie du bestimmt weißt, können wir uns sogar in einem vollen Raum sehr einsam fühlen, wenn wir keine emotionale Verbindung zu den anderen haben. Durch gutes Zuhören, Austauschen und gegenseitige Unterstützung ist es aber möglich, eine echten Draht zu jemandem aufzubauen. So kannst du deiner Einsamkeit – zumindest so weit wie möglich – den Garaus machen.