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Ich habe es satt, an Weihnachten gefragt zu werden, wieso ich Single bin

Foto: Anna Jay.
„Meine letzte ernste Beziehung ging vor drei Jahren in die Brüche“, erzählt die 27-jährige Lolly. „Ich habe aber keine Lust auf eine neue Beziehung, nur um eben wieder vergeben zu sein. Mit dieser Entscheidung bin ich zufrieden – aber da bin ich scheinbar die Einzige, vor allem rund um die Weihnachtszeit. Ich habe immer wieder das Gefühl, mich deswegen vor meiner Familie rechtfertigen zu müssen, insbesondere vor meinen Großeltern, die dauernd fragen, wann ich denn endlich mal wieder jemanden mitbringe, wenn ich über Weihnachten in meine Heimatstadt fahre. Noch schlimmer ist, dass ich dieselbe Frage auch von meinen Freund:innen in meiner Heimat gestellt bekomme, die fast alle schon verheiratet sind, Kinder bekommen und Häuser gekauft haben. Auch dieses Jahr bin ich wieder für eine Woche zu Hause und grause mich jetzt schon vor diesen Gesprächen. Was kann ich tun, um dabei nicht total die Nerven zu verlieren?“
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Dr. Sheri Jacobson, eine pensionierte Psychotherapeutin mit über 17 Jahren Berufserfahrung, kann hier weiterhelfen.
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Dr. Sheri Jacobson: Du hast Recht – wir Menschen verurteilen einander gerne, und wir haben oft zurecht das Gefühl, verurteilt zu werden. Es gehört zum Leben dazu, sich daran zu gewöhnen und zu akzeptieren, dass um uns herum andauernd Urteile gefällt werden. 
Wenn dir Leute Fragen zum Dating, zu Beziehungen und Kindern stellen, liegt das oft daran, dass diese Themen ihnen wichtig sind und sie dieses Empfinden auf dich projizieren. Sie wollen, dass du Glück und Freude in den Dingen findest, die sie für wichtig halten.
Hierbei ist Empathie entscheidend: Oft hilft es, sich in die Perspektive der  Fragenden hineinzuversetzen, denn oft ist die Motivation für deren Fragen ganz harmlos. Sehr wenige Menschen wollen dir mit ihren Kommentaren gezielt wehtun. Klar passiert das manchmal; generell entspringen solche Nachfragen aber eher einer bestimmten Weltanschauung. Wenn du also versuchst, diesen Blick auf das Leben ein bisschen nachzuvollziehen, kann das dafür sorgen, dass dich diese Fragen nicht mehr ganz so sehr treffen (oder zumindest nerven).
Manchmal sind wir aber selbst diejenigen, die uns am stärksten verurteilen. Wenn wir uns daher selbst aus einem positiven Blickwinkel heraus beurteilen, kann das enorme positive Konsequenzen für unser Verhalten haben. Wenn wir uns hingegen selbstkritisch verurteilen, kann das oft eine negative Gedanken- und Verhaltensspirale auslösen.
Um einer solchen Spirale vorzubeugen, setzt du am besten auf Selbstmitgefühl. Sei lieb zu dir selbst und toleranter gegenüber anderen, denn viele Menschen sagen und tun Dinge, ohne dabei zu bedenken, wie stark sich das auf uns auswirken könnte.
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Du kannst auch konkrete Grenzen ziehen, obwohl ich der Meinung bin, dass das den meisten Menschen sehr schwer fällt. Oft ergibt sich das nicht ganz natürlich und erfordert viel Übung und Ausprobieren. Manchmal klappt das ganz direkt, zum Beispiel so: „Ich fühle mich unwohl mit diesem Thema und möchte nicht gern darüber sprechen. Es fühlt sich für mich nicht richtig an. Ich hoffe, du verstehst das.“ Grenzen ziehst du am besten kurz und deutlich.
Ich würde dir auch dazu raten, mal zu hinterfragen, ob das hier eher eine Auffassungsfrage ist. Wirst du wirklich verurteilt, oder hast du nur die Befürchtung? Wir alle haben einen sogenannten Negativitätsbias: Wir konzentrieren uns mit Vorliebe auf die Dinge, die uns stören oder wehtun, und achten verstärkt darauf. In vielen Fällen sind die Fragen, die uns Leute stellen, gar nicht so kritisch oder zugespitzt gemeint, wie wir sie empfinden. Daher ist es manchmal wichtig, das Ganze aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Während der Feiertage gibt es zahlreiche Gelegenheiten für Konflikte und komplizierte Gefühle. Oft kann es daher schon helfen, sich darauf vorher einzustellen. Wenn du schon weißt, wer dir während dieser Zeit begegnet, überlege dir: Welche Kommentare oder Fragen, nach denen du dich verurteilt fühlst, kannst du erwarten? Welche Antworten kannst du dir schon im Voraus zurechtlegen? Schreibe sie auf, um sie dir besser ins Gedächtnis zu rufen; dann erinnerst du dich schneller an sie, wenn deine Gefühle gerade überkochen und du weniger rational denken kannst. Zum Beispiel: „Das ist für mich ein schwieriges Thema. Lass uns deswegen bitte nicht darüber sprechen. Ich hoffe, du verstehst das.“ Um schwierige Situationen aufzulockern, kannst du auch auf Ablenkungen, Humor (nicht Sarkasmus) oder Themenwechsel setzen. Die direktere Art ist prinzipiell schwieriger, oft aber die effektivere. Viel Glück!
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