Meine Partnerin Emily und ich nähern uns der Zwei-Jahres-Marke. In dieser Zeit lebten wir während den zahlreichen Lockdowns zusammen. Endlich kann ich mit Sicherheit sagen, dass wir einen Weg gefunden haben, die Herausforderungen, die wir im Schlafzimmer hatten, zu bewältigen. Meine Ehefrau ist nämlich asexuell und ich nicht. Eine Ehe, in der beide Partner:innen unterschiedliche sexuelle Orientierungen haben – in der eine Person sinnlich und die andere asexuell ist –, schafft ein gewisses Maß an Dysfunktion. Mit ein paar kleinen Tricks konnten meine Partnerin, die „ace fluid“ (zu Deutsch: ace = eine Abkürzung für asexuell; fluid = Sexualität ist nicht feststehend) ist, und ich aber Abhilfe schaffen.
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Zu Beginn der Pandemie, als die ständige Nähe zueinander uns beide in den Wahnsinn trieb (aus sehr unterschiedlichen Gründen), verließ ich eines Tages die Wohnung für eine Weile und ging in einen Laden, um mir Luft zu machen. Ich kam mit einem Furzkissen nach Hause, da ich sie zum Lachen bringen und die Stimmung zwischen uns verbessern wollte. Emily war in der Badewanne und genoss ihre Zeit allein. Als ich anklopfte und fragte, ob wir reden könnten, wartete ich kurz, aber es kam keine Antwort. Dann drückte ich auf das Kissen und löste mit einem blökenden, komischen Furzgeräusch die Spannung zwischen uns.
Es gibt aber auch angespannte Momente, in denen solche Tricks nicht helfen. Da Emily sowohl extrovertiert als auch ace fluid ist und ich introvertiert und sinnlich bin, verbessert es unsere jeweilige Stimmung, wenn sie Zeit mit ihren Freund:innen verbringt und ich etwas Freiraum und eine Pause für mich habe. Während der Lockdowns war all das aber nicht möglich, also musste ich mir etwas anderes einfallen lassen. Leider kann es schwierig sein, Infos oder sogar gesunde Darstellungen von asexuellen Menschen in Beziehungen zu finden, was ganz schön deprimierend ist.
Egal, ob du ein:e unterstützende:r Freund:in bist, jede Menge Fragen hast oder mit einer asexuellen Person zusammen bist – die Suche nach Beziehungsrat ist oft entmutigend. Aber keine Angst! Da das Bewusstsein für das queere Spektrum in den Medien allmählich größer wird, ist es möglich, sich in eine asexuelle Person zu verlieben, ohne dass es das Ende der Beziehung oder deines Sexlebens sein muss.
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Kürzlich fragte ich eine Beraterin, was er:sie von einer Ehe hält, in der eine Person asexuell ist. Sie verwies mich umgehend an das Asexual Visibility and Education Network (AVEN). Als ich um Rat bat, wurde mir Folgendes gesagt: „Ohne sehr viele Klient:innen, die Fragen zu diesem Thema haben, sind die meisten [Therapeut:innen] noch auf der Suche nach effektiven Methoden. Ich z.B. würde [einen Klienten oder eine Klientin] bitten, eine Darstellung der Werte zu zeichnen, die er:sie und seine:ihr:e Partner:in ihren Identitäten und Sex beimessen. Eine Ehe hat weniger mit sexueller Orientierung und mehr mit Kommunikation zu tun.“
Meinen ersten wirklichen Versuch, unsere Differenzen auszuräumen (und das ohne ein Furzkissen), unternahm ich, als wir wegen COVID in unseren eigenen vier Wänden einsperrt waren. Das Ganze lief folgendermaßen ab: „Woran hast du in letzter Zeit im Bett gedacht?“ fragte ich vorsichtig.
Emily seufzte: „An dich natürlich.“ Das gab mir aber nicht wirklich einen Einblick in Emilys Gefühle im Schlafzimmer. Der Tee, den ich im Mund hatte, verlor plötzlich seinen Geschmack, als ich ihren Blick sah. Ich versuchte, meine Frage anders zu formulieren.
„Macht es dir keinen Spaß?“, fragte sie berechnend. Ich nahm einen großen Schluck Tee, um etwas Zeit zu gewinnen.
„Du weißt, wie ich bin, es ist so…“ Plötzlich brach meine Entschlossenheit in sich zusammen und meine Unsicherheit breitete sich in alle Richtungen aus. „Wenn du kein sexuelles Interesse hast und ich schon, dann passen wir vielleicht nicht wirklich zusammen.“
Nachdem ich mehrere Stunden damit verbracht hatte, AVEN-Bulletins, Kommentarforen und Literaturempfehlungen zu durchforsten, erzählte ich Emily, was ich gelernt hatte. Die Ratschläge reichten von der Suche nach Therapeut:innen (altbekannt) bis hin zum Versuch einer offenen Beziehung (steht für uns außer Frage), mit einer Fülle von Ressourcen, um eine turbulente Trennung zu überstehen (nein, danke).
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Sie fand das sehr unterhaltsam und sagte: „Nur weil ich ace fluid bin, heißt das nicht, dass ich nicht gerne mitmachen kann. Gibt es eine Regel, die besagt, dass wir beim Sex genau die gleichen Erfahrungen machen müssen, damit wir beide Spaß haben?“
Ich hatte meine Bedenken. Sie sah mich an und sagte: „Ich darf mich doch wohl daran erfreuen, dass du dich an etwas erfreust; das ist nur ein Teil meiner asexuellen Identität.“ Ich grinste. „Googel es“, fügte sie hinzu.
„Und … darf ich Sex mit dir als Teil meiner Identität wollen?“ fragte ich sehr unsicher.
„Klar“, sagte sie und kuschelte sich an mich. „Wir können uns in der Mitte treffen.“
Die Anspannung löste sich. Daraufhin fragte ich sie: „Wirst du mir dann verraten, was du im Bett gedacht hast?“ Sie antwortete: „Du zuerst.“
Unser Bewusstsein in Bezug auf Asexualität ist immer noch erschreckend gering. In Deutschland fehlt es eindeutig an Aufklärung. Asexualität findet in den Medien und der Gesellschaft nämlich immer noch kaum Erwähnung. Das erklärt auch die große Wissenslücke rund um dieses Thema. Außerdem wird der Begriff asexuell oft mit verallgemeinernden Vorurteilen erklärt. Die wenigen Studien, die es gibt, deuten darauf hin, dass Asexualität nach der strengen Definition maximal ein Prozent der Bevölkerung betrifft.
Bis sich das ändert, sollten wir nicht auf jene Menschen mit sexuellen Orientierungen vergessen, die vielen vielleicht weniger bekannt sind oder über die in der Gesellschaft noch weniger gesprochen wird. Ich bin jedenfalls zuversichtlich, dass sich das Bewusstsein in Bezug auf Asexualität, so wie es mit der Queer-Bewegung der Fall war, in vorhersehbarer Zeit ausweiten wird.
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