Wir schreiben das Jahr 2011. Du bist seit gerade einmal sechs Stunden in einer Beziehung und schon bist du auf Facebook, um deinen Beziehungsstatus von „Single“ auf „in einer Beziehung“ zu ändern. Natürlich taggst du deine neue bessere Hälfte auch gleich.
Spul etwas vor: Es ist 2021. Du bist seit zweieinhalb Monaten in einer Beziehung. Du schaust dir Bilder von deinem Spaziergang mit deinem Partner oder deiner Partnerin an. Du hältst inne, als du ein Foto von ihm oder ihr siehst: ein geheimnisvolles Seitenprofil, das Gesicht ist nicht genau zu erkennen, eine Silhouette vor der untergehenden Sonne. Als du diese Aufnahme als Instagram-Story postest, markierst du zwar den Ort, nicht aber die Person auf dem Pic. Damit deutest du in den sozialen Medien zum ersten Mal an, dass du seit Kurzem jemanden an deiner Seite hast.
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Deine bessere Hälfte auf solch eine unauffällige Weise in deine Insta-Welt aufzunehmen und deinen Online-Kreisen vorzustellen, bezeichnet man als einen „Soft-Launch“. Dieser passiert im Hintergrund und ohne große Bekanntmachung und kann viele Formen annehmen: Du zeigst bloß einen Ausschnitt der Person oder lediglich deren Schuhe. Der neue Partner oder die neue Partnerin erscheinen zum ersten Mal in deiner Instagram-Story (Wenn du sie in deinem Feed zur Schau stellst, handelt es dabei um eine härtere Version eines Soft-Launches). So oder so sind die geteilten Aufnahmen immer sehr dezent und geben nicht klar zu verstehen, wie es gerade um deinen Beziehungsstatus steht. Wie von der Digital-Marketing-Spezialistin Jenna Fisher in einem viralen TikTok beschrieben: „Frauen posten normalerweise ein Bild von der anderen Person, ohne dass dabei das Gesicht zu erkennen ist. Sie markieren zwar, wo sie sind, nicht aber den anderen oder die andere. Männer teilen hingegen im Normalfall nur ein Foto von sich selbst und erwähnen ihren Partner oder ihre Partnerin dann als Fotograf:in im Bildtext oder im Foto selbst.“
@jess.fisher5 what is a “soft launch”? (ONLY for the breeders) #funny #fyp #relationships #VibeWithUs
♬ original sound - Zodiac Bi
Dating- und Beziehungsexpertin Sarah Louise Ryan meint, dass Soft-Launches dann eine großartige Idee sind, wenn du noch nicht ganz dazu bereit bist, dein neues Liebesglück zu verkünden. „Auf diese Weise kannst du anderen auf eine subtile Art wissen lassen, dass du nicht mehr Single bist oder dass gerade damit begonnen hast, eine bestimmte Person zu daten“, sagt sie. „So könnt ihr auch gemeinsam Schritt für Schritt herausfinden, in welcher Form und welchem Ausmaß ihr eure Beziehung in den sozialen Medien mit dem Rest der Welt teilen wollt.“
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Iris, 26, hat ihren aktuellen Freund langsam in ihre Insta-Welt eingebunden, nachdem sie zuerst einen Monat lang gedatet hatten. Sie fing damit an, in den sozialen Medien anzudeuten, dass sie einen neuen Partner hatte, indem sie Fotos von Dingen in seiner Wohnung oder von ihren Tellern in einem Restaurant als Insta-Story mit „engen Freund:innen“ teilte. „Das alles war Teil meiner Strategie“, erzählt sie. „Mit den Leuten auf dieser Liste bin ich zwar gut befreundet, hätte ihnen aber nicht direkt von meinem neuen Beziehungsstatus erzählt.“ Sie fügt hinzu, dass ihr Freund überhaupt nicht auf Bilder steht: „Ich hatte monatelang kein Foto von seinem Gesicht“ – die perfekte Ausgangsbasis für einen Soft-Launch.
Evie, 20, tat das Gleiche. „Ein Soft-Launch ist eine gute Möglichkeit, Menschen in deinem Umfeld wissen zu lassen, dass du jemanden datest, ohne es explizit zu sagen“, sagt sie. Sie fügt hinzu, dass ihr Ex und seine Familie ihr immer noch in den sozialen Medien folgen, weshalb sie so allen Leuten aus ihrer Vergangenheit zeigen konnte, dass sie über diese vergangene Beziehung hinweg ist.
Zu Beginn postete Evie Fotos von ihrem Essen, wann immer sie Dates mit ihrem neuen Freund hatte. „Ich taggte ihn nicht und zeigte auch nie sein Gesicht“, sagt sie. Sie erklärt, dass ihre Beziehung im Moment eher eine private Angelegenheit sei. Ihr Partner tat es ihr gleich. Für Evie spiegelt der ungezwungene Charakter eines Soft-Launches die Ungezwungenheit ihrer aktuellen Lage wider. Außerdem kann sie so einen Einblick in ihr Liebesleben geben, ohne zu viel zu verraten.
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Soft-Launches spiegeln auch die aufregenden frühen Phasen einer Beziehung wider: Sie sind locker, haben aber auch etwas Geheimnisvolles, was das Ganze spannend macht. Zum Spaß gehört hier auch die unvermeidliche Flut an DMs, die du nach dem Posten erhältst und in denen dich alle fragen: „Wer ist das???" Das deckt sich mit Ryans Meinung zum Soft-Launch: „Diese Aufregung gehört einfach zum Daten dazu, vor allem zu der Zeit, in der sich ein Paar noch nicht ganz festgelegt hat, aber eindeutig romantisch verbunden ist. Soft-Launching eignet sich auch perfekt dazu, eine ‚Situationship‘ in den sozialen Medien bekannt zu geben.“
Soft Launches sind in den letzten Jahren Mainstream geworden – immerhin verriet sogar Kourtney Kardashian, dass sie mit Travis Barker zusammen war, indem sie ein Foto mit ihren ineinander verschlungenen Händen postete. Damit gehören ein ernster Facebook-Status und minutenlange Snapchat-Storys der Vergangenheit an. Schließlich leben wir in einer Ära, die sich durch Finstas und Foto-Dumps auszeichnet und in der es nichts Cooleres gibt, als sich unnahbar zu geben. Es ist also keine Überraschung, dass ein unauffälliger Soft-Launch die derzeitige Strategie schlechthin ist, wenn es darum geht, eine neue Beziehung in den sozialen Medien zu verkünden.
Gen-Z Evie erzählt von ihrer eigenen Erfahrung: „Zu Schulzeiten postete ich alles Mögliche“, sagt sie. „Jetzt mache ich Fotos, aber teile sie nicht immer online. So kann ich einen Teil meines Lebens für mich behalten. Das Gleiche gilt für Beziehungen: Ich finde es gut, nicht dem Druck ausgesetzt zu sein, mich auf einen konkreten Beziehungsstatus festlegen zu müssen.“
Soft-Launching liegt nicht nur im Trend, sondern ist auch eine vernünftige Entscheidung. Iris sagt, dass sie zu Beginn ihrer Beziehung anderen Leuten unbedingt von ihrem neuen Freund erzählen wollte, aber ihre Aufregung in Sachen soziale Medien zügelte. „Ich wollte mit diesen neuen, aufregenden Neuigkeiten angeben“, sagt sie. „Aus Angst, er könnte mich am nächsten Tag abservieren, wollte ich anfangs aber lieber nichts offiziell verkünden.“ Millennials erinnern sich bestimmt noch an die öffentliche Demütigung, die sie jedes Mal ertragen mussten, als es an der Zeit war, ihren Beziehungsstatus auf Facebook wieder auf „Single“ umzuändern. Vor diesem Hintergrund ist ein Soft-Launch keine schlechte Idee, um deinen Umkreis allmählich und auf unauffällige Weise wissen zu lassen, dass du nicht mehr zu haben bist. Außerdem sind soziale Medien eine noch relativ neue Erfindung (zur Erinnerung: Insta ist erst zehn Jahre alt). Es ist also kein Wunder, dass es eine Weile gedauert hat, bis wir gelernt haben, sie mit Bedacht zu nutzen.
Dich zwischen einem Soft- und einem Hard-Launch entscheiden zu müssen, mag vielleicht nicht schwierig erscheinen, aber, wie Ryan betont, gehört es in der heutigen Zeit einfach dazu, in den sozialen Medien auch einen Einblick in dein Liebesleben zu teilen. Welche Herangehensweise ein Paar wählt, hat ohne Zweifel einen Einfluss auf die Beziehung selbst. „Ich finde es gut, Liebesangelegenheiten privat zu halten. Auf diese Weise können sich beide Personen aufeinander konzentrieren. So kann sich auch etwas Echtes und Dauerhaftes entwickeln“, meint er.