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Bist du ein soziales Chamäleon & wie beeinflusst das dein Leben?

Foto: Eylul Aslan.
Vor ein paar Jahren las ich etwas, das mich nicht mehr losgelassen hat. Darin ging es darum, dass du dann wahre innere Harmonie schaffen kannst, wenn du die Diskrepanz zwischen den Rollen verkleinerst, die du annimmst, wenn du jeweils mit Freund:innen, Familie, Kolleg:innen, Fremden, Partner:innen zusammen oder allein bist. Im Wesentlichen ging es darum, dass dieses Gleichgewicht dann erreicht ist, wenn du in jeder Situation und mit jedem Menschen wirklich du selbst sein kannst.
Als jemand, die es anderen um jeden Preis immer recht machen will, versuche ich ständig, allen zu gefallen, wohl wissend, dass das unmöglich ist. Für mich ist es selbstverständlich, mich auf meine Gesprächsparnter:innen einzustellen. Selbst für diejenigen, denen es nicht so wichtig ist, von anderen Menschen immer gemocht zu werden, ist es in der Regel einfach, sich an verschiedene soziale Situationen anzupassen. Dazu werden wir ja schließlich auch gesellschaftlich ermutigt. Die Art und Weise, wie du dich in Anwesenheit deiner Vorgesetzten verhältst und wie du sprichst, sollte sich davon unterscheiden, wie du dich gibst, wenn du mit deinen sehr engen Freund:innen zusammen oder bei deinem Partner oder deiner Partner bist. Code-Switching ist also eine ganz normale und erwünschte Praxis.
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Wenn du dich aber wie ein Chamäleon verhältst, dein Verhalten also komplett an die jeweilige soziale Situation anpasst, ist von „Self-Monitoring“ die Rede. Anders als beim Code-Switching kann die Fertigkeit, sich in ein soziales Chamäleon zu verwandeln, nicht nur als eine Form von Sozialkompetenz, sondern auch als ein kontraintuitives oder sogar opportunistisches Verhalten ausgelegt werden.
Wie zeichnet sich chamäleonartiges Verhalten also aus? Dazu gehört das Nachahmen von Gesten, Verhaltens-, Redeweisen und Eigenheiten anderer Menschen. Untersuchungen haben ergeben, dass einfühlsame Personen eher dazu neigen – und tatsächlich eine verstärkte positive Interaktion zwischen dem:der Nachahmenden und dem:der Nachgeahmten aufweisen.
„Die Fähigkeit, sich an die jeweilige Situation anzupassen, ist eine sehr funktionale Art zu leben“, erklärt Mary Spillane, klinische Psychologin und Expertin für geistige Gesundheit bei Headspace. „Wenn dein Verhalten anpassbar ist und du so das erfüllen kannst, was eine soziale Situation erfordert, ist es wahrscheinlicher, Erfolg im Leben zu haben.“
Vor ein paar Wochen sah ich ein Video bei TikTok, in dem jemand das Kompliment erhielt: „Ich liebe deine Persönlichkeit“, worauf er antwortete: „Danke, extra für dich“. In einem anderen Video auf der Plattform ging es darum, deine Persönlichkeit daran anzupassen, mit wem du gerade zusammen bist. Darin hieß es: „Heute werde ich für eure Unterhaltung alle Rollen spielen.“ Zwischen Rollen hin- und herzuwechseln, ist etwas, was wir alle tun – ob bewusst oder unbewusst.
Spillane warnt jedoch davor, dass diese Tendenz, wenn sie in dem Wunsch verankert ist, sich anzupassen oder gemocht zu werden, zu Stress, sozialer Angst und Problemen mit dem Selbstbewusstsein führen kann. „Wenn du in einem Raum [mit] zehn verschiedenen Menschen bist und versuchst, dich an jede einzelne Person anzupassen, [ist] das unglaublich schwierig und stressig. Es kann auch dazu führen, dass du dich auf eine Art und Weise verhältst, die eigentlich nicht mit den eigenen Werten übereinstimmt“, sagt sie. Das wiederum kann zu Schuldgefühlen führen.
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Der Begriff „soziales Chamäleon“ wird deshalb in diesem Zusammenhang verwendet, da diese Tiere ihre Farbe wechseln, wenn sie Stress ausgesetzt sind oder sich die Temperatur oder die Lichtverhältnisse ändern, um sich so ihrem Umfeld optisch anzugleichen. Damit ist dieses Verhalten eine Überlebenstechnik, genau wie bei vielen Menschen.

Für manche Menschen mit Autismus kann chamäleonartiges Verhalten eine Art Bewältigungsmechanismus sein. In Deutschland sollen Expert:innen zufolge schätzungsweise 800.000 Menschen von einer Autismus-Spektrum-Störung betroffen sein.
„Eine der Strategien, um nicht aufzufallen, besteht darin, so zu tun, als wäre man jemand anderes. Sich wie ein Chamäleon zu verhalten, ist etwas, das viele von uns Mädchen oder Frauen tun, weil wir zu einer Gruppe dazugehören wollen und es vermeiden möchten, gesellschaftlich ausgeschlossen zu werden“, sagt Barb, eine Frau mit einer Autismus-Spektrum-Störung, gegenüber SBS.
„Ein Hauptmerkmal von [Autismus] ist die Schwierigkeit, soziale Nuancen zu verstehen und zu wissen, wie man sich während bestimmter sozialer Interaktionen zu verhalten hat, was sich in welcher Situation gehört und was nicht“, erklärt Spillane. „Menschen mit Autismus imitieren oft einfach, was andere tun, um nicht negativ aufzufallen und so zu lernen, was angebracht ist und was nicht.“
Der Begriff „soziales Chamäleon“ wird deshalb in diesem Zusammenhang verwendet, da diese Tiere ihre Farbe wechseln, wenn sie Stress ausgesetzt sind oder sich die Temperatur oder die Lichtverhältnisse ändern, um sich so ihrem Umfeld optisch anzugleichen. Damit ist dieses Verhalten eine Überlebenstechnik, genau wie bei vielen Menschen.
„Ein chamäleonartiges Benehmen kann also etwas Positives sein, das für die Anpassungsfähigkeit einer Person spricht. Wenn jemand aber anfängt, Dinge zu tun, die nicht mit den eigenen Werten übereinstimmen, dann wird das Ganze problematisch“, sagt Spillane.
Sie empfiehlt, deine eigenen Gewohnheiten zu überprüfen und herauszufinden, in welchen Umgebungen du dazu neigst, zum Chamäleon zu mutieren. Das kann dir dabei helfen, zu verstehen, warum du das überhaupt tust. Wenn du anderen gegenüber authentischer sein willst, schlägt sie vor, das langsam und mit Menschen zu tun, bei denen du dich sicher fühlst. Du kannst zum Beispiel eine Idee oder ein Hobby vorsichtig anschneiden, bei der oder bei dem du dir nicht sicher bist, ob es bei deinem Gegenüber ankommen wird. Um soziale Ängste in den Griff zu kriegen, empfiehlt Spillane, vorher etwas Achtsamkeit zu üben, damit du dich weniger auf dein inneres Chamäleon zu verlassen brauchst.
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