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Wieso ich meine Trennung online verkündet habe

Foto: Zaineb Abelque.
Wie verkündest du eine neue Beziehung virtuell? Mit einem Foto, auf dem die Hand einer anderen Person zu sehen ist? Mit einem Foto von zwei Cocktails vor dir auf dem Tisch? Mit einem Foto von zwei Beinen neben deinen eigenen auf einer Parkbank? Okay. Aber… wie verkündest du eine Trennung virtuell? Vermutlich dadurch, indem all das plötzlich fehlt.
Die dramatische neue Frisur ist oft das (klischeehafte) erste Anzeichen (in meinem Fall war es ein blondierter, lässiger Bob). Vielleicht entfernst du dann das brave Pärchen-Profilbild und ersetzt es durch ein nicht ganz so braves Selfie. Eventuell postest du in deiner Story einen Screenshot von einem Song, den du dir gerade anhörst – und schockierenderweise ist darauf zu erkennen, dass deinen Sperrbildschirm nichtmehr ein niedliches Pärchenfoto ziert.
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Kurz gesagt: Wenn du dich trennst, gibt es daraufhin nicht erstmal eine Pressemitteilung à la Gwyneth Paltrow und Chris Martin. Stattdessen streust du online hier und da ein paar Indizien ein, als hättest du gar nicht groß drüber nachgedacht.
Meine eigene Beziehung hielt nur rund anderthalb Jahre, war aber eine unheimlich glückliche Zeit. Wir lachten, jeden Tag, so viel. Wir sangen mit albernen Stimmen. Doch nach einer Weile wurden unsere Unterschiede einfach zu deutlich.
Es fing mit den kleinen Dingen an. Er liebte Herr der Ringe; ich wollte ihn immer dazu überreden, sich mit mir True-Crime-Dokus anzuschauen. Er blieb bis Mitternacht wach, um sich mit mir das neue Beyoncé-Album anzuhören; ich sagte ihm, ich würde lieber sterben, als mit ihm auf ein Genesis-Konzert zu gehen. Er hasste Käse; ich hatte dauernd Bock auf warmen Camembert. Heute schäme ich mich überhaupt nicht dafür, mir einzugestehen: Ich würde ihn sofort zurücknehmen, selbst wenn das bedeuten würde, ich müsste all das – und mehr – für den Rest meines Lebens aufgeben.
Das klingt jetzt vermutlich total paradox. Unsere Trennung lief so friedlich ab, wie sie nur hätte laufen können (ich versichere ihm bis heute, dass wir die „beste Trennung ever!“ hatten), und doch meine bisher schmerzhafteste. Wir waren uns darin einig, dass wir uns zu ähnlich waren – so ähnlich, dass wir schon wieder inkompatibel waren. Jede meiner schlimmsten Eigenschaften war auch seine, was oft zu lauten Streits führte, bei denen Haushaltsgegenstände und „Fuck!“s durch die Gegend flogen.
Ich werde nie meinen einen Geburtstag vergessen, an dem er die Nase rümpfte, als er sich mein Outfit ansah – das ich drei Stunden lang zusammengestellt hatte. Ihm war nicht klar, wieso mich das so aufregte, und wir meckerten uns so lange an, bis ich ihn schließlich anbrüllte: „Raus aus meiner Wohnung!“ Während er sich also auf der Stelle umdrehte, sich in sein Auto setzte und wegfuhr, brach ich auf der Türschwelle zusammen.
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„Zwei Drähte unter Strom“, nannten uns unsere Freund:innen immer. Am Ende brannten wir uns gegenseitig nieder. Unsere Trennung ergab sich genauso wie unsere Beziehung: Sie… passierte einfach.
Obwohl wir also einige Male wirklich heftig aneinandergeraten waren, kam es bei der Trennung nicht zum großen Unwetter samt epischer Musik oder Geschrei. Unser letztes Gespräch als Paar floss einfach so dahin wie Leitungswasser ins Waschbecken und drehte sich einige Male im Kreis, bevor es schließlich im Abfluss verschwand. Danach, plötzlich als beste Freund:innen, verließen wir zusammen meine Wohnung, gingen ein Sandwich essen und hielten an der Tankstelle für Benzin.
Ich wollte danach nicht meine Eltern anrufen, „In einer Beziehung“ aus meinem Facebook-Profil löschen oder unsere ganzen gemeinsamen Instagram-Fotos aus meinem Grid schmeißen. Es gab nichts, was mir mehr wehgetan hätte – nichts, was ich mehr gehasst hätte. Ich schätze jede einzelne Sekunde, die ich mit diesem Menschen verbracht habe – selbst die schmerzhaften –, und nichts hätte mich dazu bringen können, ihn mit einem Tippen auf meinem Handy aus meinem Leben zu löschen. Ich glaube, dazu werde ich nie bereit sein.
Stattdessen öffnete ich meine WhatsApp-Gruppe und schrieb: „Bin jetzt Single. Wer will einen Kuss?“
Selbst diese Nachricht war das Symptom einer Verletzlichkeit, die ich nicht in den sozialen Medien zeigen wollte. Dieser Typ und ich folgen uns immer noch auf jeder einzelnen Plattform (außer Twitter… er hasst Twitter). Warum sollte ich damit angeben wollen, neuerdings wieder Single, zurück „auf dem Markt“ und bereit für den „Hot Girl Autumn“ zu sein? 
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Wie jeder andere aufmerksamkeitsbedürftige Mensch in meinem Alter machte ich es also auf die sanfte Tour – ich „soft-launchte“ meine eigene Trennung. Davon hatte ich auf TikTok schon viel gehört; der Hashtag #SoftLaunchBreakup hat über 63.000 Aufrufe. Der Creator Louis Hanson hat sogar ein „How to“-Video dazu erstellt. Wie es geht? Unter anderem, indem du auf Instagram diverse „thirst traps“ (a.k.a. sexy Selfies), schwammige Zitate und Screenshots vielsagender Songs auf Spotify postest.
Ich entschied mich für die spaßhaftere Version: einen Tweet. „Lasse mir morgen Abend eine neue Frisur schneiden, um meine Trennung zu verkünden. Können wir mir dann bitte alle Aufmerksamkeit schenken?“ Darunter postete ich: „Oder war DAS hier die wahre Verkündung… Ihr werdet es nie erfahren.“
Dabei hatte ich mir jedes einzelne Wort natürlich gründlich überlegt und jeden Satz nur nach minutenlangem Nachdenken gepostet. Wie kann es sein, dass ich so tue, als sei mir etwas so egal, obwohl es mir in Wahrheit eigentlich so wehtut? 
Ich war sehr zufrieden, als die ersten Likes kamen – aber nicht mal ansatzweise so happy wie bei der Verkündung meiner Beziehung damals. Die beiden Gefühle lassen sich überhaupt nicht miteinander vergleichen. Eines ließ mein Herz vor Freude hüpfen und erfüllte mich mit Wärme; beim anderen fühlte ich mich nur minimal weniger leer. Ich hatte mir ein billiges Pflaster auf einen Riss in meinem Herzen geklebt. Aber… warum überhaupt?
Die Beziehungspsychologin Mairead Molley glaubt, der „Trennungs-Soft-Launch“ dürfte sich unter jungen Frauen immer weiter verbreiten, vor allem als Konsequenz davon, wie online und social-media-fokussiert sie sind. Diese Verkündung ist eine Art, den Schmerz zu besänftigen, den wir empfinden, wenn wir unseren Freund:innen nach und nach erklären, wieso eine Beziehung nicht funktioniert hat. Und das ergibt irgendwo Sinn: Anstatt mit der Tür ins Haus zu fallen, warum nicht einfach ganz langsam und sanft die Erinnerung an die Beziehung verschwinden lassen? „Ich denke, dass wir in der nächsten Zukunft immer häufiger beobachten werden, dass die Leute ihre Trennung ‚soft-launchen‘, um damit klarzukommen“, meint Mairead. „Wenn du aber online etwas zu deiner Trennung postest, solltest du dich erstmal fragen, warum.“
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Sie betont, dass die geistige Gesundheit aller Beteiligten an dieser Beziehung (beziehungsweise der Trennung) bei dieser Entscheidung sehr wichtig ist. „Wenn du das bloß schnell machen willst, um anderen mitzuteilen, dass sich dein Beziehungsstatus verändert hat, sollte diese News eigentlich schnell wieder abgehakt sein. Wenn du dich dazu aber mental nicht stark genug fühlst, warte besser, bis du es tust. Und wer weiß – wenn du erst dazu bereit bist, darüber zu posten, hast du vielleicht schon mit alldem abgeschlossen und hast gar nicht mehr das Bedürfnis, etwas dazu zu schreiben oder zu sagen.“
Diese „subtile“ Verkündung einer Trennung ist natürlich kein Grund zur Freude. Du wirst daraufhin eher Nachrichten bekommen, in denen dir Leute ihr Mitgefühl aussprechen, als Glückwünsche. Man wird dich fragen, ob es dir gut geht. Dann ist es deine Sache, ob du antwortest: „Wird schon“, oder: „Ich heule seit drei Tagen am Stück.“ Es fühlt sich traurig an und deprimierend, und kann mit einer Umarmung absolut nicht mithalten. In vielerlei Hinsicht ist es dennoch eine Bewältigungsstrategie, um mit allem abzuschließen: Wenn nämlich alle Bescheid wissen, ist es wirklich vorbei.
Wir haben alle ganz eigene Gründe dafür, wie wir etwas verarbeiten. Zumindest ist der „Soft-Launch“ einer Trennung deutlich weniger peinlich als eine Pressemitteilung nach einer Promi-Trennung. Und hey, im Idealfall ist es eine ganz subtile Möglichkeit, deine heißesten Follower:innen wissen zu lassen: Du bist (bald) wieder offen für Neues.
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