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Manchmal ist die Trennung schlimmer für die Person, die Schluss macht

Foto: Meg O'Donnell.
Der 30-jährige Stephen hat gerade eine Trennung hinter sich – und ist deswegen voller Schuldgefühle. „Ich bin vor ein paar Monaten 30 geworden. Zu dem Zeitpunkt war ich in einer zehnjährigen Beziehung“, erzählt er. „Ich hatte also meine gesamten Zwanziger mit dieser Frau verbracht. Langsam bekam ich aber das Gefühl, dass ich überhaupt nicht dort war, wo ich in meinem Leben eigentlich sein wollte. Ich hatte noch kaum irgendwas gemacht! Das wollte ich ändern. Und als ich drüber nachdachte, wurde mir klar, dass ich nicht glaubte, das mit ihr an meiner Seite zu können.“
Also beendete Stephen die Beziehung. „Es wäre so viel einfacher für uns gewesen, wenn sich jemand von uns wie ein Arsch verhalten hätte. Wenn es einen Grund dafür gegeben hätte, dass jemand von uns so richtig wütend auf die andere Person gewesen wäre“, sagt er. „Irgendwas, was dafür gesorgt hätte, dass wir einander hassten.“
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„Das Schwierige war aber, dass es mir ja gar nicht um sie ging“, erzählt er weiter. „Ich wünschte mir ein anderes Leben. Weil mir mein damaliges Leben nicht gefiel, konnte ich dieser Beziehung eben nicht alles von mir geben. Das war nicht ihre Schuld. Ihr das irgendwie glaubhaft zu machen, war aber unheimlich schwer.“
Die Trennung ist jetzt drei Monate her, und Stephen leidet noch immer unter überwältigenden Schuldgefühlen. „Ich fühle mich so schuldig dafür, mit ihr Schluss gemacht zu haben, dass ich nicht schlafen kann. Ich möchte gar nicht wieder mit ihr zusammen kommen. Ich weiß, dass es die richtige Entscheidung war, aber es ist schwer, damit glücklich zu sein, weil ich einfach das Gefühl habe, ihr Leben ruiniert zu haben“, erklärt Stephen.
Die meisten von uns wissen genau, wie sehr es weh tut, wenn eine Beziehung in die Brüche geht. Es sind aber gerade die Trennungen, bei denen eine Beziehung einfach ihr natürliches Ende erreicht, ohne dass irgendjemand etwas „Schlimmes“ getan hat, die besonders schwer zu verarbeiten sind.
Trennungen sind immer schmerzhaft, egal, wie sie ablaufen. Wer selbst Schluss macht, kann sich deswegen danach extrem schuldig fühlen. In solchen Situationen versuchen wir instinktiv, die Trennung für die andere Person, mit der wir Schluss machen, so einfach wie möglich zu gestalten. Wir wollen den perfekten Zeitpunkt erwischen, alles verständlich erklären, und möglichst keine emotionalen Narben hinterlassen. Meist sind unsere Bemühungen aber umsonst – und damit klarzukommen, kann schwer sein.
Dieses Gefühl der „Trennungsschuld“ erklärt die Psychologin Elena Touroni folgendermaßen: „Nach einer Trennung zerbrechen wir uns vielleicht den Kopf darüber, welche Rolle wir darin gespielt haben, und fühlen uns wie ein ‚schlechter Mensch‘, weil wir die Beziehung beendet haben“, sagt sie. „Wenn wir uns schuldig fühlen, schämen und hinterfragen wir uns womöglich außerdem. Das kann dazu führen, dass wir uns sehr zurückziehen.“
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Touroni zufolge ist diese Trennungsschuld sehr geläufig. „Es kann enttäuschend sein, wenn eine Beziehung nicht funktioniert. Dann fühlen wir uns eventuell schlecht dafür, die Gefühle der anderen Person verletzt zu haben“, sagt sie. „Natürlich tendieren manche Menschen mehr zu solchen Schuldgefühlen als andere, abhängig von der Situation rund um die Trennung und der eigenen Sensibilität.“
Diese intensiven Schuldgefühle können wir laut Touroni sogar dann empfinden, wenn die Beziehung ganz offensichtlich ein Ende nehmen sollte. „Dieses schlechte Gewissen kann immer noch lähmend wirken, obwohl wir wissen, dass es die richtige Entscheidung war. Das muss man voneinander trennen“, erklärt sie. „Unsere Gründe für die Trennung sind vielleicht ganz klar. Die Schuld entsteht aber aus dem Empfinden, eine andere Person verletzt zu haben. Wenn es keinen eindeutigen Grund für das Ende der Beziehung gab, kann das alles zusätzlich verkomplizieren.“
Wie Stephen erlebt auch die 22-jährige Jess gerade intensive Schuldgefühle nach einer Trennung. „Ich habe vor Kurzem meine Verlobung aufgelöst und fühle mich jetzt, als würde ich verrückt werden“, erzählt sie. „Ich dachte, ich sei total bereit dafür, ihn zu heiraten und den Rest meines Lebens mit ihm zu verbringen. Eines Tages fühlte ich das aber nicht mehr.“
„Ich muss zugeben, dass ich die Trennung nicht gut geführt habe“, sagt sie. „Ich wusste nicht, wie ich ohne einen richtigen Grund Schluss machen sollte, also zog ich Gründe an den Haaren herbei. Wir hatten deswegen so viele schlimme Streits, die vermeidbar gewesen wären. Ich glaube, wir hätten wohl sogar befreundet bleiben können, wenn ich das Ganze anders angegangen wäre.“
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Jetzt leidet sie unter Schuldgefühlen. „Es ist sieben Monate her, seit ich Schluss gemacht habe, und fühle mich immer noch fast jeden Tag extrem schuldig dafür, was ich getan habe und wie es ihm deswegen gehen muss“, gesteht sie.
Wie alle anderen Emotionen erfüllt aber auch die Schuld einen Zweck. Sie existiert nicht nur, um uns wehzutun – und Touroni erklärt, dass diese Schuldgefühle auch gar nicht ausschließlich schlecht sind.
Wenn es etwas Spezifisches gibt, was du gesagt oder getan hast (spezifischer als die Trennung selbst), das die Schuldgefühle in dir auslöst – wie die Art, wie du mit deinem Partner oder deiner Partnerin währenddessen geredet hast, oder ein Seitensprung –, kann dein schlechtes Gewissen ein Zeichen dafür sein, dass du dein Verhalten ändern solltest.
„Der Zweck der Schuldgefühle – wenn sie berechtigt sind – ist der, uns dazu zu bewegen, unser Verhalten zu ändern oder uns um Wiedergutmachung zu bemühen, wenn wir jemanden verletzt haben“, erklärt Touroni. „Mit diesem Wissen können wir zu verstehen versuchen, ob das Gefühl gerechtfertigt ist und ob wir aktiv werden sollten. Wenn nicht, können wir Schritte einleiten, um das Gefühl zu regulieren und uns daran zu erinnern, dass wir die richtige Entscheidung getroffen haben – ganz egal, wie schwierig sich die jetzt gerade auch anfühlen mag.“
Unabhängig davon, ob deine Schuldgefühle eine Daseinsberechtigung haben oder einfach generell der Trennung entspringen, kannst du etwas dagegen unternehmen.
Wenn du wegen der Trennung ein schlechtes Gewissen hast, solltest du diese Schuldgefühle laut Touroni als genau das anerkennen, was sie sind – ein Gefühl, nichts weiter. Sie empfiehlt, dich daran zu erinnern, indem du dir sagst: Ich fühle mich zwar schuldig, bin aber ein guter Mensch. Sag es in deinem Kopf, sag es laut, schreib es auf – was auch immer du brauchst.
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„Gleichzeitig solltest du nachsichtig mit dir selbst sein“, meint Touroni. „Trennungen sind schwierig. Kümmere dich jetzt besonders gut um dich. Ruhe dich gut aus und lass dich all deine Emotionen fühlen. Dabei kannst du dir zum Beispiel helfen, indem du deine Gedanken aufschreibst.“
Obwohl es normal ist, nach jeder Trennung irgendeine Form von schlechtem Gewissen zu empfinden, ist es wichtig, das auch irgendwann hinter uns zu lassen. Langfristig können sich Schuldgefühle nämlich negativ auf die Gesundheit auswirken und sogar Symptome einer Angststörung oder Depression auslösen, meint Touroni.
Bedenke auch, dass Schuldgefühle auch irgendwann nachlassen, so wie jedes Gefühl. Touroni erklärt, dass das Wort „Emotion“ vom lateinischen „emotere“ kommt – und das bedeutet „Energie in Bewegung“. „Gefühle sind wie Wellen“, sagt sie. „Sie steigen an, brechen, und verschwinden dann nach einiger Zeit wieder.“ Lass die Gefühle also zu, ohne dich dafür zu verurteilen, und früher oder später verabschieden sie sich auch wieder. Es kann schwierig sein, dich von der Gewohnheit zu lösen, dir selbst ein schlechtes Gewissen einzureden – aber damit sorgst du nur dafür, dass die Scham und Schuld umso länger anhält.
Wenn du besonders stark unter deinen trennungsbedingten Schuldgefühlen leidest, kann sich laut Touroni eine Therapie lohnen. Die ist bekanntermaßen eine tolle Option, um eigene Gefühle zu erkunden und zu bewältigen; das gilt auch für Schuldgefühle.
Bitte denk auch daran, dass es – so hart sich das auch anhört – nicht deine Verantwortung ist, die Gefühle einer anderen Person über deine eigenen zu stellen. Natürlich sollten wir uns als Partner:innen umeinander kümmern und einander schützen. Dich zu trennen, wenn eine Beziehung nicht mehr funktioniert, ist aber letztlich etwas Gutes für dich und deine:n Partner:in. Dich vor schwierigen Gesprächen zu drücken und dir selbst nicht zu helfen, um jemandes Gefühle zu schützen, ist nie gesund. 
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Wie auch Touroni sagt: „Wenn du dich weigerst, dir für eine Trennung zu vergeben, machst du dir damit selbst klar, dass du dir und deinem Urteilsvermögen nicht traust.“ Akzeptanz ist hierbei entscheidend. Und Fakt ist: Eine Beziehung zu beenden und nochmal von vorn anzufangen – vor allem, wenn niemand etwas Falsches getan und die Beziehung eben einfach ihr natürliches Ende erreicht hat –, ist unheimlich mutig. Darauf darfst du auch ruhig ein bisschen stolz sein.
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