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Das Ende meiner „Situationship“ tat mehr weh als das von 5 Jahren Beziehung

Foto: Kristine Romano.
Als der Typ, mit dem ich seit ein paar Monaten etwas hatte, mir sagte, dass er wieder mit seiner Ex-Freundin zusammen war – und somit unsere „Situationship“, eine Art Vorstufe zur Beziehung, effektiv beendete –, wurde mir ein bisschen schwindelig. Da half auch nicht, dass ich an diesem Samstagabend in meiner Lieblingsbar saß, nur wenig Schlaf bekommen hatte und wir zu dem Zeitpunkt schon diverse Gin Tonics in uns reingekippt hatten. Leute, die an unserem Tisch vorbeikamen, drückten ihre Kippen in unserem Aschenbecher aus, während er mir versicherte, dass es ihm wirklich leid täte, weil ihm unsere lockere Nicht-ganz-Beziehung „ja total Spaß“ gemacht habe. Er sagte mir, ich sei so cool, so hübsch, so schlau, so lustig. „Du bist sexy“, fügte er dann noch hinzu. „Ich würde dich echt weiterempfehlen.“ Mein Gehirn hatte aber kein Problem damit, zwischen den Zeilen zu lesen. Was er mir eigentlich sagen wollte, war: Ich mag den Sex mit dir, aber ich mag DICH nicht. Wenn sich der Erdboden genau in diesem Moment unter mir aufgetan und mich verschluckt hätte, wäre ich dafür dankbar gewesen.
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Nachdem ich mich zuvor nach viereinhalb Jahren Beziehung von meinem Freund getrennt hatte, hatte ich mir eingeredet, nichts könne sich je wieder so furchtbar anfühlen – vor allem nichts, was von vornherein ja eigentlich nur eine kurzzeitige Sache sein sollte. Und trotzdem überschattete dieser neue Schmerz jetzt alles bisher Dagewesene. Nach dem Ende meiner Beziehung tat es noch fast ein Jahr lang weh; der Schmerz flammte immer mal wieder auf. Dieser neue Schmerz war jedoch glühend heiß und unnachgiebig. Ich gab mein Bestes, um ihn zu verdrängen, doch verfolgte er mich rund um die Uhr.

Die spontane, undefinierte Natur einer Situationship kann hingegen bedeuten, dass sich vom einen auf den anderen Tag alles ändert: Erst habt ihr täglich Kontakt, und am nächsten Tag wirst du vielleicht plötzlich geghostet oder blockiert.

Als ich danach auf den Balkon meiner neuen Wohnung ging, starrte ich die Pflanze, die er mir gekauft hatte, düster an, und überlegte, ob ich sie nicht einfach vom Balkon schmeißen sollte. Mein Herzschmerz erreichte seinen Höhepunkt, als meine Mitbewohnerin eine Woche darauf fröhlich von ihrer eigenen, meiner sehr ähnlichen Situationship erzählte – und ich zu meiner Überraschung (und extremen Verlegenheit) in Tränen ausbrach. Ich schluchzte, hyperventilierte, heulte bis zum Kopfschmerz. Es war mir unheimlich peinlich. Ich wusste ja, dass ich den Typen nicht liebte. Er war mir nicht mal so wichtig, wie es mein Ex gewesen war. Wieso tat das jetzt also so weh? Am nächsten Tag erzählte ich meiner besten Freundin von meiner Verwirrung. Sie nickte verständnisvoll und meinte: „Ich habe ein TikTok-Video darüber gesehen.“
In genau diesem TikTok fragt eine Frau, ob ihr irgendjemand erklären könne, warum das Ende ihrer dreimonatigen Affäre mehr weh tat als die Trennung ihrer fünfjährigen Beziehung. Ich stolperte daraufhin über viele weitere ähnliche Fragen – in Kommentarspalten, Twitter-Threads und Gesprächen mit Freund:innen. Es war irgendwie tröstend zu wissen, dass meine Gefühle nicht ganz so außergewöhnlich zu sein schienen, wie ich geglaubt hatte. Wie viele andere auch wünschte ich mir aber unbedingt eine Erklärung dafür. 
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@robbiesmoonmusic #stitch w/ @GIGI DEE 💙 … “the vacation had it’s wonderful moments but looking back, it could’ve been way better” #metaphor #breakup #relationship #heartbroken #genz #situationship ♬ original sound - Robbie Scott
Die Sex- und Beziehungsexpertin Oloni erklärt, dass das Ende einer Situationship mehr wehtun kann als das einer Beziehung, weil wir es oft nicht kommen sehen. „In solchen Vorstufen zu einer Beziehung macht alles Spaß. Die Funken fliegen, es ist spannend. Du weißt nie, was daraus entstehen könnte“, sagt sie. „Du ahnst nicht, ob daraus eine Beziehung wird oder ob es eine kurzzeitige Sache ist, eine Affäre quasi. In Beziehungen weißt du hingegen, in welche Richtung es geht.“
Dabei ist diese Unberechenbarkeit aber eben ein großer Reiz der Situationship. Oloni erklärt, dass wir in Langzeitbeziehungen meist ein Gefühl dafür haben – wenn auch manchmal nur unterbewusst –, wenn sich das Ganze dem Ende zuneigt. Bevor es tatsächlich zur Trennung kommt, ergeben sich meist noch entsprechende Diskussionen. Vielleicht kommt man auch nach der Trennung erstmal wieder zusammen, bevor ein endgültiger Schlussstrich folgt. „Weil du dich dabei besser auf das Ende einstellen kannst, tut es nicht so weh. Der Schmerz verteilt sich besser.“
Die spontane, undefinierte Natur einer Situationship kann hingegen bedeuten, dass sich vom einen auf den anderen Tag alles ändert: Erst habt ihr täglich Kontakt, und am nächsten Tag wirst du vielleicht plötzlich geghostet oder blockiert. Das Bedürfnis, genau zu wissen, wieso diese Person nicht mit dir zusammen sein will, was du womöglich falsch oder zumindest nicht gut genug gemacht hast, ist völlig natürlich. Gleichzeitig hast du in einer solchen Situation aber womöglich das Gefühl, gar nicht das Recht zu haben, all das zu erfragen, weil diese Person ja nie offiziell „dir gehörte“. „Ich finde, in unserer Kultur ist das oft so: Wenn ich dich nicht meinen Freund oder meine Freundin nennen darf, hast du nicht wirklich das Recht darauf, meine Gefühle, meine Ehrlichkeit oder meine Vorstellungen für diese Nicht-Beziehung zu hinterfragen“, meint Oloni.
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Nachdem er mir das Ende unserer Nicht-Beziehung verkündet hatte, fragte er mich zaghaft, ob ich denn irgendwelche Fragen hätte. Ich wollte aber nicht so wirken, als würde mir das sonderlich wehtun – vor allem nicht in der Öffentlichkeit! –, also sagte ich Nein. Dabei hatte ich in Wahrheit mehrere Fragen. Er gab mir gegenüber schließlich zu, dass er sich während unserer ganzen gemeinsamen Zeit immer noch mit seiner Ex-Freundin getroffen hatte. War ich also nur eine Art Platzhalter gewesen, bis sie bereit war, ihn wieder zurückzunehmen? Hatte er mich je wirklich gemocht? Ohne Vorwarnung und ohne Klarstellung befeuerte diese Auflösung unserer Situationship allemeiner Unsicherheiten. Obwohl er darauf bestand, dass all das nichts mit mir zu tun hatte, machte sich in mir doch das Gefühl breit, ich sei irgendwie schuld an dem Ganzen.

Das Ende einer Nicht-Beziehung kann besonders schmerzhaft sein, wenn du eher zu einem unsicheren Bindungsstil neigst, weil eine solche Erfahrung eine Angst aus früher Kindheit bestätigt: dass dich ein geliebter Mensch unerwartet verlassen könnte.

Dass sich meine Gedanken daraufhin erstmal endlos im Kreis drehten, ist tatsächlich ganz normal in solchen Situationen, in denen du das Gefühl hast, dir sei sämtliche Kontrolle entzogen worden. Zum Glück lässt sich dagegen auch etwas unternehmen. „Ich empfehle, ein Kreisdiagramm zu zeichnen: Was sind die Gründe dafür, dass es mit euch nicht geklappt hat?“, empfiehlt die Psychologin Dr. Omolola Olukotun. „Die meisten würden wohl 80 Prozent davon sich selbst zuschreiben. Dann rate ich dazu, dich selbst da mal rauszunehmen. Dir werden daraufhin mehr Gründe dafür einfallen, wieso es mit euch nicht funktioniert hat.“
Dr. Olukotun erklärt außerdem, dass ein solches Ende einer Nicht-Beziehung besonders schmerzhaft sein kann, wenn du eher zu einem unsicheren Bindungsstil neigst, weil eine solche Erfahrung eine Angst aus früher Kindheit bestätigt: dass dich ein geliebter Mensch unerwartet verlassen könnte. Langzeitbeziehungen mit sicherer Bindung lösen meist nicht dieselbe Form von Angst aus. „Wenn du länger mit jemandem zusammen bist und ihr euch beide darin sicher seid, dass ihr einander ‚gehört‘, löst eine Trennung nicht dasselbe Gefühl des Verlassenwerdens oder die Angst vor einer Abhängigkeit aus.“
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Ein unsicherer Bindungsstil kann auch bedeuten, dass du dich instinktiv zur unsicheren Natur einer Situationship und der damit einhergehenden Person hingezogen fühlst – selbst wenn du daraufhin in dauernder Unruhe lebst. Dr. Olukotun ermutigt Menschen, die in solchen Vor-Beziehungen stecken, dazu, sich zu fragen, was in ihnen eigentlich ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit auslöst. „Frage dich: Was will ich eigentlich? Gibt mir die Person, auf die ich es hier abgesehen habe, ein Gefühl von Sicherheit? Oder erinnert sie mich an frühe Kindheitserfahrungen?“ Sobald du weißt, was du brauchst, um dich in einer solchen Beziehung wohl zu fühlen, solltest du das deutlich kommunizieren und klare Grenzen ziehen, um euer Arrangement nicht stärker zu vertiefen, als ihr beide wollt. „Werden diese etablierten Grenzen überschritten, riskierst du damit die emotionale Abhängigkeit. Und dafür ist eine solche Situationship nicht gemacht“, sagt Dr. Olukotun.
Damit die Schmerzen nachließen, musste ich mir selbst dafür verzeihen, dass mich das Ende unserer Nicht-Beziehung so verletzt hatte. Ich musste mir (wenn auch zögerlich) eingestehen, dass ich diese Person wirklich gemocht und einfach nicht damit gerechnet hatte, dass er sich für jemand anderen entscheiden würde – obwohl das natürlich sein gutes Recht war. Ich musste mit meiner eigenen Therapeutin darüber sprechen, mich zu meiner besten Freundin ins Bett kuscheln und mich dort so richtig ausheulen, darüber schreiben.
Sind Situationships immer schlecht und Beziehungen immer gut? Nein. Eine Situationship kann viel Spaß machen und dich erkunden lassen, was du in einer potenziellen Beziehung tolerieren kannst, und was nicht. Dabei ist es aber immer wichtig, dich zu erinnern: Ganz egal, ob ihr euer Arrangement als „echte“ Beziehung bezeichnet – die Leute darin sind echt. Genau wie auch ihre Gefühle.
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