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Ich trennte mich von meiner Partnerin, obwohl ich sie noch liebte

Foto: Serena Brown.
„Ich hatte das Gefühl, meine Welt würde untergehen und alles würde vor meinen Augen in sich zusammenfallen“, erzählt die 24-jährige Leah*. „Ich wusste nicht, wie es sein konnte, dass ich jemanden so sehr liebte – und dass diese Liebe aber einfach nicht ausreichte.“
Leah, die gerne anonym bleiben möchte, war mit ihrer Freundin schon seit fünf Jahren zusammen gewesen, als die beiden im letzten Oktober beschlossen, sich zu trennen. Es war keine schmutzige Trennung: Niemand war untreu oder toxisch gewesen. Um es kurz zu sagen: Leah und ihre Freundin hatten unterschiedliche Vorstellungen davon, wie sich ihre Leben entwickeln sollten – also entschieden sie sich für die Trennung. Nicht, weil sie einander nicht mehr liebten, sondern obwohl sie einander noch liebten.
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„Wir wünschten uns eigentlich genau dieselben Dinge im Leben. Unsere Pläne dafür, wie wir diese Dinge erreichen wollten, waren aber völlig verschieden“, erzählt Leah gegenüber Refinery29. Sie selbst hatte gerade einen neuen Job ergattert und wollte dafür in eine neue Stadt ziehen, um sich auf ihre Karriere konzentrieren zu können. Ihre Freundin hingegen wollte in ihrer gemeinsamen Heimatstadt bleiben, um sich auf ihren eigenen Job zu fokussieren, oder in eine ganz andere Stadt ziehen, was Leah zufolge „für uns beide keinen Sinn gemacht hätte“.
Die beiden fanden einfach keinen Kompromiss, mit dem sie zufrieden gewesen wären, und nachdem sie schon die ersten drei Jahre ihrer Beziehung in verschiedenen Städten verbracht hatten, wollte sich Leah auf keinen Fall wieder auf eine Fernbeziehung einlassen. Die Entscheidung fiel ihnen dennoch nicht leicht. Sie versuchten es sechs Monate lang, kamen dann aber doch zu dem Schluss, dass es „nicht funktionieren würde, egal, wie sehr wir es versuchten“.
Natürlich brach ihnen das das Herz. „Es war vermutlich eine der größten Herausforderungen meines Erwachsenenlebens, weil ich eine Entscheidung treffen musste, die ich eigentlich gar nicht treffen wollte, von der ich aber doch wusste, dass sie letztlich richtig war“, sagt Leah. Das war ein klassischer Fall von „richtige Person, aber falscher Zeitpunkt“.

Wir wünschten uns eigentlich genau dieselben Dinge im Leben. Unsere Pläne dafür, wie wir diese Dinge erreichen wollten, waren aber völlig verschieden.

LEAH*
Wenn du selbst jemals in derselben Lage warst, weißt du genau, wie furchtbar sich das anfühlt. Liebe ist ein intensives Gefühl, und sie zu verlieren, kann genauso wehtun wie ein gebrochener Arm, wenn nicht sogar mehr. Forschungen haben ergeben, dass intensive emotionale Schmerzen auch körperlich wehtun können, wie heftige Krämpfe oder ein drückender Kopfschmerz, und das Broken-Heart-Syndrom ist eine reale, durch Kummer oder Stress ausgelöste Herzmuskelstörung, die sich anfühlen kann wie ein Herzinfarkt. Studien haben außerdem herausgefunden, dass soziale Schmerzen (wie der Verlust einer Beziehung) länger andauern als körperliche, weil sie dank der Erinnerungen daran stärker im Gedächtnis bleiben.
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Seien wir ehrlich: Niemand wird gerne betrogen – und trotzdem kann es leichter fallen, jemanden zu verlassen, der oder die dich derart hintergangen hat, als mit jemandem Schluss zu machen, mit dem oder der du dich noch gut verstehst. Das liegt laut der Psychologin und Autorin Dr. Meg Arroll daran, dass die Wut und der Groll, die wir in solchen Szenarien empfinden, alle positiven Gefühle überschatten, die wir für die andere Person haben. Das hilft uns dabei, die Entscheidung zur Trennung zu treffen. „Diese negativen Emotionen führen dazu, dass wir handeln“, sagt sie. „Wenn wir uns aber jemandem noch sehr nah fühlen, zu dem oder der wir eine tiefe Verbindung haben, kann es sehr schwer sein, einen Schlussstrich zu ziehen.“
Es kann aber auch genauso angsteinflößend sein, die romantische Liebe gegenüber der Karriere oder anderen Lebenszielen vorzuziehen. Die Akademikerin Carolina Bandinelli, die zur Liebe im digitalen Zeitalter forscht, erklärt: „Liebe in der Form einer Beziehung verlangt dir zwangsläufig ab, etwas von dir für die andere Person oder mit ihr zusammen aufzugeben, oder Kompromisse zu finden. Daher kann Liebe auch als gefährlich empfunden werden.“ In anderen Worten: Was, wenn wir unsere Lebensziele für eine Beziehung aus dem Fenster werfen, die am Ende vielleicht nicht funktioniert? Was, wenn wir den daraus entstehenden Groll nie wirklich hinter uns lassen können?
Aber ist an „richtige Person, falscher Zeitpunkt“ wirklich was dran? Wenn du dich auf Google so umsiehst, stellst du fest, dass das Konzept heftig umstritten ist. Einige behaupten, es sei absolut gerechtfertigt, jemanden zu verlassen, um ein persönliches Ziel zu verfolgen; andere sind der festen Überzeugung, es gäbe nie einen „falschen“ Zeitpunkt, um eine Beziehung zu beginnen – denn wenn es der oder die „Richtige“ ist, sei das Timing völlig irrelevant.
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Das Konzept „der oder die Richtige“ ist in unserer Kultur (leider) tief verwurzelt. Bandinelli erklärt: „Viele glauben der Vorstellung, du könntest ‚den oder die Eine:n‘ finden und würdest mit dieser Person dann für immer zusammen sein. Die dem zugrundeliegende Theorie besagt, bei der Liebe gehe es darum, jemanden zu treffen, mit dem oder der dich die perfekte emotionale Intimität und sexuelle Chemie verbindet.“
Aber ist das überhaupt realistisch? Immerhin hängt unsere Lebenszufriedenheit nicht ausschließlich von romantischer Liebe ab. Heutzutage gibt es so viele andere Dinge, die uns erfüllen können – ein schönes Sozialleben oder eine erfolgreiche Karriere, zum Beispiel. Daher wenden sich viele immer mehr von der Vorstellung ab, es gäbe „die oder den Eine:n“. Und genau deswegen ist „richtige Person, falscher Zeitpunkt“ womöglich Quatsch – weil es die „richtige Person“ eben nicht gibt.
„Es ist unrealistisch zu glauben, es gäbe da draußen die eine wahre Liebe für dich. Es ist genauso unrealistisch zu glauben, der oder die Richtige würde für immer richtig bleiben“, meint Dr. Arroll. In erfolgreichen Beziehungen, erklärt sie, geht es um viel mehr als nur die Liebe. „Was einer Beziehung zu langfristigem Erfolg verhilft, sind Kommunikation, Kompromissbereitschaft und nicht nur der Wunsch nach denselben Dingen im Leben, sondern auch der gleichzeitige Wunsch nach diesen Dingen“, sagt sie.

Es ist unrealistisch zu glauben, es gäbe da draußen die eine wahre Liebe für dich. Es ist genauso unrealistisch zu glauben, der oder die Richtige würde für immer richtig bleiben.

DR. MEG ARROLL
Das heißt, dass jemand für dich zu einem bestimmten Zeitpunkt in deinem Leben richtig für dich sein kann, das aber nicht für immer bleiben muss – weil Beziehungen nicht in einem Vakuum existieren und der Kontext immer wichtig ist. Es ist viel wahrscheinlicher, dass wir zu verschiedenen Zeiten in unserem Leben mehrere Menschen kennenlernen, die für uns „richtig“ sind.
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Letztlich hängt alles von unseren eigen Werten ab, die sich fortwährend verändern, insbesondere während unserer 20er. Obwohl es sich furchteinflößend und unmöglich anfühlen kann, sich mit einer solchen Entscheidung selbst das Herz zu brechen, meint Dr. Arroll: „Du solltest herausfinden, was dir selbst am wichtigsten ist, was deinen eigenen Werten am ehesten entspricht und dich von ihnen leiten lassen.“
Wenn es dann darum geht, die „richtige“ Entscheidung zu treffen, ist es wichtig, dir vor Augen zu halten, dass du nie wissen kannst, wie etwas ausgeht, bevor es soweit ist. Und selbst, wenn du eine Entscheidung später bereuen solltest, kann sich laut Dr. Arroll auch das wieder ändern; vielleicht bereust du es irgendwann nicht mehr. „Nichts ist je statisch“, sagt sie. „Wie wir unsere Beziehungen, unsere Leben, unsere Zufriedenheit betrachten, verändert sich immer weiter.“ 
Das kann auch Leah bestätigen. „Obwohl es schwierig war, kann ich sechs Monate später sagen, dass ich jetzt so glücklich bin wie seit Langem nicht mehr“, erzählt sie. „Single zu sein, hat es mir erlaubt, mich wirklich auf mich selbst und meine Wünsche zu konzentrieren. Gleichzeitig hat es mir eine ganz neue Wertschätzung für mein Leben und die Leute darin geschenkt.“
Die Wahrheit ist: Es gibt niemals eine einfache Antwort. Das Einzige, woran du dich jemals verlässlich orientieren kannst, sind deine Gefühle im Hier und Jetzt. Wenn deine eigenen Werte weniger mit Liebe zu tun haben als damit, deine Karriere voranzutreiben, die Welt zu bereisen oder eine Familie zu gründen, solltest du dir das eingestehen. Wenn du wiederum entscheidest, dass dir die Liebe für deine:n Partner:in wichtiger ist als alle hypothetischen Zukunftspläne, solltest du dich auch darauf einlassen – ebenso wie auf alle Opfer, die das womöglich von dir erfordert.
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Letztlich wirst du nie genau voraussehen können, wie du über deine Lebensentscheidungen denkst, wenn du irgendwann auf deinem Sterbebett liegst. Das Einzige, was du dir selbst wirklich garantierten kannst, ist, dir selbst immer treu zu bleiben. 
*Name wurde von der Redaktion geändert.
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