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Warum Trennungsangst okay ist – sogar jetzt – & wie du mit ihr umgehst

Illustration: Jessica Meyrick
Beim Begriff „Trennungsangst“ denken viele von uns an die Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern oder Haustieren und ihren Besitzer:innen und nicht unbedingt an romantische Beziehungen. Nach mehreren Lockdown-Runden und einem eher glanzlosen Sommer stellen immer mehr Menschen aber fest, dass sie sich nicht in der Lage fühlen, alleine zurechtzukommen und das Alleinsein fürchten. Hinzu kommt, dass sie sich dafür schämen.
„Wenn mein Mann unterwegs ist, überkommt mich ein Gefühl von Angst“, sagt Silva gegenüber R29. „Nicht wegen ihm, weil ihm etwas Schlimmes zustoßen könnte, sondern aus egoistischen Gründen, wegen mir. Eine furchtbare Einsamkeit und ein Gefühl von Unzulänglichkeit überkommt mich – wie armselig.“
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Mir ist es genauso ergangen. Obwohl ich mich vor 2020 in meiner eigenen Gesellschaft sehr wohl gefühlt habe und mich sogar darauf gefreut habe, hie und da mal alleine zu sein, bin ich jetzt immer besorgt, wenn meine Frau abends ausgeht oder wenn ich das Haus allein verlasse. Ich habe Angst vor dem Rationalen und dem Irrationalen – dass meine Zwangsstörung in der Öffentlichkeit zum Vorschein kommt und ich nicht damit umgehen kann; dass ich mich an etwas verschlucke und mich niemand retten kann – und ich vermisse das behagliche Gefühl, zu wissen, dass sie im Nebenzimmer ist. Es ist fast schon peinlich, dass ich mich immer noch so fühle, obwohl der letzte strikte Lockdown schon vor Monaten aufgehoben wurde. Sicherlich sollte ich doch schon darüber hinweg sein, oder?
Diese besondere Form von Angst ist deplatziert. Nachdem wir alle so viel Zeit auf engem Raum (miteinander) verbracht haben (vor allem, als es so gefährlich war, die eigenen vier Wände zu verlassen), ist diese Art von Trennungsangst unvermeidlich geworden, sagt Kathryn Taylor, zertifizierte Beraterin und Mitglied beim Counselling Directory.
„Die Lockdowns und die Pandemie haben viel Angst vor Krankheiten und dem Tod ausgelöst und dafür gesorgt, dass wir Menschen uns unserer Unsterblichkeit bewusster geworden sind. Die Angst vor COVID und den möglichen Auswirkungen in Bezug auf den Verlust geliebter Menschen hat diese Besorgnis noch verstärkt“, sagt Kathryn. Durch die Lockdowns nahmen diese Risiken zwar ab, aber durch ihre Aufhebung haben manche Menschen nun übermäßige Angst davor, dass ihren Angehörigen etwas zustoßen könnte, wenn sie nicht da sind.
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Diese Ängste stehen nicht immer in direktem Zusammenhang mit Corona. Das macht die Auswirkungen aber nicht weniger bedeutend, fügt die Psychotherapeutin Shelley Treacher hinzu. „Wir mussten so lange Zeit ungewöhnlich selbstständig sein oder waren von einigen wenigen Personen abhängig, dass es keine Überraschung ist, dass wir uns nun unsicher fühlen oder unseren eigenen Fähigkeiten nicht mehr völlig vertrauen.“ Für viele war diese Erfahrung traumatisierend oder brachte frühere Traumata wieder hoch. „Heilung braucht Zeit und das kann dazu führen, dass wir uns isoliert und unsicher in Bezug auf andere Menschen fühlen.“
Obwohl wir wissen, dass Corona unsere kollektive Psyche beeinträchtigt hat, ist die Angst davor, von unseren Partner:innen getrennt zu sein, mit viel Scham verbunden. Es fühlt sich an, als würden wir etwas Kindisches oder Tabuisiertes zugeben, wenn wir andere wissen lassen, dass es uns schwerfällt, allein zu sein. Es kann auch so rüberkommen, als würden wir damit prahlen, wie verliebt wir doch sind. Shelley glaubt, dass das damit zusammenhängen könnte, dass Unabhängigkeit in unserer Kultur als sehr wichtig angesehen wird. „[Die Scham in Verbindung mit Trennungsangst] könnte etwas mit dem Patriarchat und einer von Dominanz geprägten Kultur zu tun haben, in der Wert aufs Hartsein und innere Stärke gelegt wird. Hier kann es als Schwäche angesehen werden, emotional zu sein oder sich von einer anderen Person abhängig zu fühlen. Oder es kann sein, dass wir unsere Verletzlichkeit verbergen, weil wir fürchten, nicht so akzeptiert zu werden, wie wir wirklich sind.“
Wie bei allen Formen der Angst hilft es auch hier nicht das Wissen darüber, dass die Angst im Grunde irrational ist. Im Gegenteil: Das kann sie sogar noch verstärken, bestätigt Kathryn.
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„Vielen Menschen fällt es nicht leicht, mit anderen über ihre Gefühle zu sprechen, weil sie befürchten, ausgelacht zu werden oder dumm dazustehen. Oft können meine Klient:innen nicht verhindern, dass sie sich so fühlen, wie sie sich nun einmal fühlen. Das führt aber dazu, dass sie sich als unzulänglich oder zu schwach betrachten oder glauben, sie wären schlechte Menschen und nicht liebenswert genug.“
Letztlich ist diese Art von Angst völlig natürlich – auch jetzt noch – und sollte nicht mit einer Form von Co-Abhängigkeit verwechselt werden. Shelley sagt: „Wir alle brauchen andere Menschen. Es ist in Ordnung, das zuzugeben und darüber zu sprechen. Erst wenn die Trennungsangst in Spielchen, passive Aggression, Manipulation oder Selbstverletzung umschlägt, wird sie unkontrollierbar und zu einem Problem.“ Ebenso wichtig ist es, darauf zu achten, ob bzw. wann die Trennungsangst anfängt, die eigene Funktionsfähigkeit zu beeinträchtigen (z. B. in Form von Schlafstörungen, Angst vor dem Alleinsein, zwanghaften Gedanken, Angst und Unruhe oder kontrollierendem Verhalten).
Wenn du Schwierigkeiten hast, mit deiner Trennungsangst zurechtzukommen, schlägt Kathryn verschiedene Möglichkeiten vor, wie du deine Gefühle in den Griff bekommen und deine Befürchtungen reduzieren kannst: Führ ein Tagebuch, plane und erledige Dinge auf eigene Faust, versuch es mit Achtsamkeitsübungen und hol dir professionelle Unterstützung von deinem Hausarzt bzw. deiner Hausärztin oder einem Therapeuten bzw. einer Therapeutin.
Darüber hinaus ist es von grundlegender Bedeutung, nett zu dir zu sein und Mitgefühl für dich selbst zu haben – nicht nur, um deine Angst zu lindern, sondern auch, um die Schamgefühle zu überwinden, die mit ihr einhergehen.
„Der Schlüssel, um Trennungsangst zu überwinden“, betont Shelley, „ist es, Verständnis für deine Gefühle aufzubringen und dich auf dich selbst zu konzentrieren – und nicht auf die andere Person.“
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