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Überredung ist nicht gut, zeigt aber die chaotische Trauer um eine:n Ex

Foto: bereitgestellt von Netflix.
Die Netflix-Adaption von Jane Austens Überredung (im Original Persuasion) ist… nicht gut. Der Film ist eine qualvolle Kombi aus Regency-Ära und Fleabag-ähnlichen Sprüchen und Blicken in die Kamera von Anne Elliot (gespielt von Dakota Johnson), die aus unerklärlichen Gründen ein Kaninchen mit sich herumschleppt. Es fallen Anspielungen auf Selfcare, das Spielen in unterschiedlichen „Ligen“ und diese eine Zeile, die sicher als eine der kreischwürdigsten aller Zeiten in die Geschichtsbücher eingehen wird: „Es heißt, wenn Sie in London eine Fünf sind, sind Sie eine Zehn in Bath.“ Bitte lasst es aufhören!
Trotzdem vermittelt der Film eines sehr gut: wie es sich anfühlt, einem:einer Ex acht Jahre lang hinterherzutrauern. Das habe ich selbst schon erlebt, und obwohl ich gequält aufstöhnte, als Anne in ihrem Schlafzimmer direkt aus einer Pulle Wein trank (was ist das, eine „Jane Austen goes Bridget Jones“-Parodie?!), konnte ich doch einiges davon sehr gut nachvollziehen. Manchmal merkte ich sogar, wie ich unbewusst nickte, weil der Film meine eigene Erfahrung während der acht Jahre, in denen ich mit meinem Ex einfach nicht abschließen konnte, so gut darstellte.
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Die Story von Überredung geht so: Die Protagonistin Anne war einst mit dem mittellosen Frederick Wentworth (Cosmo Jarvis) verlobt, wurde aber von ihrem Umfeld dazu überredet, die Verlobung aufzulösen, weil Wentworth nicht in derselben (reichen) Liga spielte wie sie. Seitdem ist sie aber immer noch nicht über ihn hinweg. Der Roman (und der Film) spielt acht Jahre nach der Trennung, und schon nach kurzer Zeit taucht Wentworth wieder in Annes Leben auf – nur diesmal eben (um aus dem Film zu zitieren) als ihr „Ex“.
Als Anne zu Beginn des Films Wentworths Namen hört, ist sie davon sichtbar getroffen. Das entgeht auch nicht Lady Russell (Nikki Amuka-Bird), der besten Freundin von Annes verstorbener Mutter und die Person, die Anne damals dazu ermutigte, Wentworth aufzugeben. „Du kannst doch unmöglich noch Gefühle…“, sagt sie, worauf Anne mit einem schlichten „Die habe ich aber“ antwortet.
Foto: bereitgestellt von Netflix.
Diese Ungläubigkeit seitens Lady Russell kenne ich selbst sehr gut: Noch Jahre nach der Trennung von meinem Ex fürchtete ich mich vor dieser Reaktion aus meinem Umfeld, also behielt ich meine Gefühle (größtenteils) für mich und gab nicht offen zu, wie sehr ich ihn immer noch vermisste. Lady Russells Fassungslosigkeit zeigt einen häufigen Irrglauben: dass Herzschmerz ein „Ablaufdatum“ habe. Und das betont auch Anne: „Es war eine Lüge, als Sie mir sagten, mein Schmerz würde nachlassen.“ Das kam auch mir bekannt vor. „Zeit heilt alle Wunden“ mag vielleicht allgemein stimmen – wie auch Anne versuchte ich aber jahrelang, die Erinnerungen an meinen Ex aus meinem Hirn zu löschen. Trotz meiner Mühe blieben sie dort aber hartnäckig kleben, ganz egal, wie oft ich mir die Haare schneiden, mich spontan piercen ließ oder Social-Media-Detoxes einlegte.
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In einer Szene verkündet Anne spontan bei einem Dinner (bei dem auch Wentworth zu Gast ist), dass ihr Schwager Charles eigentlich sie hatte heiraten wollen, bevor er der Mann ihrer Schwester Mary wurde. Ein gänsehautwürdiger Fauxpas, den ich trotzdem total mitfühlte; ich verstehe das starke Bedürfnis, vor dem:der Ex begehrenswert zu wirken. (Mal davon abgesehen, dass diese Enthüllung im Buch eigentlich von Louisa Musgrove kommt, hier gespielt von Nia Towle, und dass es eigentlich gar nicht in die Regency-Ära passt, persönliche Details völlig grundlos beim Abendessen zu verkünden.) Diese Anekdote von Anne statt von Louisa kommen zu hören, machte mir schmerzhaft bewusst, dass auch ich meinem Ex am liebsten von jedem Typen erzählt hätte, der auch nur ansatzweise an mir interessiert war. So nach dem Motto: „Du willst mich vielleicht nicht mehr – oder denkst vielleicht auch nicht mal mehr an mich! –, aber andere wollen mich sehr wohl, und dir entgeht was!“
Dann wäre da noch dieser schreckliche Spruch: „Fremd sind wir uns jetzt. Schlimmer als das: Wir sind… Ex-Freunde.“ Die Zeile ist furchtbar, aber gleichzeitig verstehe ich sie. Ich habe mir auch immer gewünscht, ich könnte meinen Ex nochmal neu kennenlernen, als ganz neuer Mensch, gelöst von den Erinnerungen an Tränen und laute Streitereien, die auch er jetzt für immer mit mir verbinden wird. Im Roman beschreibt Austen das „Schlimmer als Fremde“-Gefühl mit einer „ewigen Entfremdung“; genauso ging es mir auch. Ich sah meinen Ex auf Partys locker mit Fremden quatschen, während ich selbst ihn kaum angucken konnte – genau wie Anne. „Es ist die Art, wie du ihn kaum ansiehst“, sagt Louisa im Film wissend zu Anne. Da dachte ich: Genau so ist es.
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Später im Film haut Anne diesen ebenfalls kitschigen, aber genauso nachvollziehbaren Spruch raus: „Jetzt ist es schlimmer als vorher. Jetzt sind wir Freunde.“ Auch das verstand ich komplett. Wann immer mir mein Ex sagte, wie wichtig ihm meine Freundschaft war, hätte mich das wohl eigentlich glücklich machen sollen – immerhin hatten wir es nach Jahren der kalten Feindseligkeit und vielsagenden Stille weit gebracht. Trotzdem fühlte es sich jedes Mal an wie ein Schlag in die Magengrube – so, wie auch Anne aussieht, als Wentworth ihr die Freundschaft vorschlägt. Ich kenne diesen Blick; ich habe ihn selbst schon im Gesicht gehabt. Als peinliche Ex-Partner:innen hängt eure Beziehung irgendwie in der Schwebe. Sie brodelt zwischen euch – wie eine Suppe, die ihr auch wieder zum Kochen bringen könntet, wenn ihr das wolltet. Wenn aber eine:r von euch plötzlich von Freundschaft reden, war es das. Die Suppe landet im Müll, und du bekommst vielleicht irgendwann WhatsApp-Nachrichten à la „Sorry für die späte Antwort, ich bin echt so schlecht in WhatsApp…“ – jetzt bist du eine:r von vielen.
Im Gegensatz zu Anne Elliot möchte ich selbst nicht mehr mit meinem Ex zusammenkommen. Trotzdem traf Überredung bei mir einen Nerv. Ich weiß heute, dass mein Ex nicht „der Eine“ für mich ist. Ein Happy End wie das von Anne und Wentworth ist und war einfach nicht für uns bestimmt. Das ändert aber nichts daran, dass ich mir acht Jahre lang dennoch unsere eigene, glückliche Reunion ausmalte. Und trotz all der Fehler, die Überredung macht, erkannte ich mich darin doch mehr wieder als in jedem anderen Film.
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Überredung ist zum Streamen auf Netflix verfügbar.
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