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Wie spricht man mit jemandem, mit dem man kein Gespräch führen kann?

Dieser Artikel erschien zuerst bei im gegenteil!
Was macht man, wenn man mit jemandem ins Gespräch kommt, der völligen Blödsinn von sich gibt, sich nicht von Statistiken, Daten und Fakten, sondern nur von irgendwelchen Fake News oder selektiver Wahrnehmung leiten lässt? Wie reagiert man auf jemanden, der einfach nicht auf Argumente reagiert? Wenn jemand eine andere als seine eigene Meinung einfach nicht zulässt?
Letztens ging es um Tiere. Meine Gesprächspartnerin erzählte davon, dass sie an eine Tierschutzorganisation spendet und erzählte irgendwas von Hunden und Katzen. “Ich spende da ja immer, weil den Straßenhunden in [Was weiß ich nicht wo], denen geht’s ja so schlecht. “Aus dem Grund bin ich ja Vegetarierin, weil den Schweinen und Hühnern, denen geht es auch echt gar nicht gut”, sagte ich. Das Gespräch ging weiter, als hätte ich nichts gesagt. “Ja, diese armen Hunde…”
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Man verstehe mich nun nicht falsch, ich finde ja auch nicht gut, dass es Hunden schlecht geht, ich liebe Tiere. Ich brachte im Gespräch nochmal an, dass ich es komisch finde, dass man bei Hunden alles ganz furchtbar findet und bei Schweinen nicht. Im Prinzip spendet man ja das, was man sich durch den Kauf dieser antibiotika-verseuchten, verhaltensgestörten und gequälten Schweine gegenüber Bio-Schwein vom guten Metzger spart und gibt das an die Hunde oder Katzen.
Als überzeugte Vegetarierin mache ich nunmal keinen Unterschied zwischen verschiedenen Tierarten.
Als überzeugte Vegetarierin mache ich nunmal keinen Unterschied zwischen verschiedenen Tierarten. Für mich ist ein Pferd nicht mehr wert als eine Kuh und ein Hund nicht mehr wert als ein Huhn. Doch auch diese Aussage wurde einfach übergangen. Für mich folgt es keiner Logik, die einen Tiere zu essen und die anderen nicht; die einen unter widerwärtigen Bedingungen einzusperren und den anderen Gourmet-Menüs vorzusetzen.
Ich esse einfach keines davon, ich streichle sie sogar alle. Deswegen spreche ich von Doppelmoral, wenn Menschen für ein paar Cent ein gequältes und zu Lebensunfähigkeit gezüchtetes Hühnchen im Supermarkt kaufen, gleichzeitig vor lauter Mitgefühl aber einen schieren Nervenzusammenbruch bekommen, wenn ein Hund in Südostasien von einer Zecke ins linke Ohr gebissen wurde.
Ich habe versucht, das immer wieder ins Gespräch einfließen zu lassen, aber das kam einfach nicht an. Es hat sich angefühlt, als würde ich gegen eine Wand reden. Natürlich ist das meine Meinung und das ist ja nicht per se die richtige, das ist sie eben in meinem Gedankenkonstrukt.
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Wenn ich meine Gedanken meinem Gegenüber darlege, dann erwarte ich doch zumindest eine Reaktion darauf.
Aber wenn ich diese meine Gedanken meinem Gegenüber darlege, dann erwarte ich doch zumindest eine Reaktion darauf und keine vollständige Ignoranz. Ich weiß auch, dass das Thema für mich ein sehr emotionales ist, weil ich mich enorm viel damit beschäftigt habe, schließlich bin ich nicht einfach so Vegetarierin geworden. Ich habe dieses Gespräch dann einfach beendet – oder besser: abgebrochen – und mich anderen Dingen zugewendet.
Ich bin ja kein Rassist, aber…
Kurz darauf fand ich mich auf einer Party wieder, hatte gerade mein viertes Glas Sekt getrunken, als sich ein junger Mann in ein Gespräch einklinkte, das ich gerade mit jemandem führte. Es ging um Reisen und dann erzählte er, dass er so gern und viel reise und ich weiß nicht, was dann passiert ist, aber plötzlich ging es um Muslime und dass die muslimischen Frauen und Kinder ja noch okay seien, aber die Männer – das ginge ja gar nicht!
Er ratterte ein Klischee nach dem anderen herunter. Sowas wie “Fünf Milliarden Menschen werden Deutschland überschwemmen”, “Frauen vergewaltigt und Kinder getötet” (da hatte ich aber letztens auch Zahlen zu gelesen, die das natürlich widerlegen). Aber er habe ja Freunde überall auf der Welt und sei total offen und – das sage ich jetzt – er ist ja kein Rassist, aber…
Ich lese nicht nur die eine Perspektive, die mir gefällt, sondern versuche, Themen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten.
Ich lese viel und würde behaupten, ich weiß auch ein bisschen was. Ich lese auch nicht nur die eine Perspektive, die mir gefällt, sondern versuche, Themen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Und wenn dann einer kommt und irgendwelchen Blödsinn behauptet, den er vielleicht auf der AfD-Facebook-Seite gelesen oder mit “unheimlich wachsamem” Auge wahrgenommen hat, dann macht mich das oft sehr wütend und ich hadere in solchen Situationen schwer mit mir.
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Ich frage mich immer wieder, wie ich damit umgehen soll. Zufälligerweise hatte ich kurz davor einen Artikel im Zeit-Magazin darüber gelesen, wie Ideologien entstehen und hatte ein paar Zahlen parat (weil ich mir Zahlen leider sehr schlecht merken kann, war ich froh, dass sich das irgendwie doch festgesetzt hatte), die ihm den Wind aus den Segeln hätte nehmen können.
Stattdessen aber machte er ein Fass nach dem anderen auf. Sämtliche Argumente, die nicht von ihm kamen, wurden entweder beiseitegeschoben oder wurden durch lapidare Aussagen seinerseits Opfer eines Versuches zur Entkräftung. Wäre nicht die andere Gesprächspartnerin genau meiner Meinung gewesen, wäre ich wutentbrannt über diese ganze, so unfassbar offensichtliche Dummheit einfach davongelaufen und hätte noch ein, zwei Flaschen Sekt gekippt.
Ich wollte allerdings unsere Gesprächspartnerin nicht allein mit ihm dort stehen lassen und habe außerdem etwas beobachtet, von dem ich lernen wollte: Sie versuchte ihn mit stoischer Ruhe mit ihren Argumenten überzeugen und blieb die ganze Zeit so geduldig, dass ich dachte: vielleicht sollte man Dummschwätzern und Nachplapperern mit Geduld und Sanftmütigkeit entgegentreten?
Vielleicht sollte man Dummschwätzern und Nachplapperern mit Geduld und Sanftmütigkeit entgegentreten?
Das fand ich eigentlich ganz gut, wir waren uns dann auch irgendwann alle drei einig, dass das nicht das beste Thema für eine Party ist. Dann fing der Kerl auf einmal mit Feminismus an. Ich war kurz davor, ihm eine zu klatschen. Ins Gesicht meine ich jetzt, nicht in die Hände.
Seine Aussage war die folgende: Feminismus ist ein Riesenscheiß, weil Männer und Frauen halt unterschiedlich sind und basta. Und es sei doch selbstverständlich, dass alle gleich behandelt würden, da braucht’s doch keinen Feminismus, blablabla. Mir ist der Kragen geplatzt. “Hör auf, über Themen zu sprechen, von denen Du keine Ahnung hast”, habe ich gesagt.
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Dass er keine Ahnung hat, hat er natürlich von sich gewiesen. “Bist Du eine Frau? Und wenn das alles so selbstverständlich ist, warum gibt es dann immer noch eine Gender-Pay-Gap?”, frage ich ihn. “Hat Dich bei der Arbeit schon mal jemand Mäuschen genannt?”, erwiderte meine Mitstreiterin, “Hat Dich Dein Chef schon mal begrabscht?”, fragte ich ihn wieder.
Er sah uns mit großen Augen an. “Nein”, gibt er kleinlaut zu. “Aber trotzdem”, fing er wieder an und langsam löst sich unser Gesprächskreis auf. Lieber doch noch ein Sekt. Hätten wir weiterdiskutieren müssen, um sicherzustellen, dass er etwas von dem, was wir sagen, also von den messbaren Fakten, versteht und den Anschein macht, darüber nachzudenken?
Oder kommt man irgendwann einfach nicht mehr weiter? Hätte ich ruhiger bleiben sollen, weniger emotional reagieren?
Was soll man tun?
Ich bin Waage, ich will Harmonie und Gleichberechtigung, ich will, dass alle Kreaturen dieser Erde in Frieden miteinander leben und sich lieben, deshalb wäre mir ja eigentlich auch am liebsten, wenn man gar nicht auf dieser Ebene diskutieren müsste. Diskutieren ja, wäre ja langweilig, wenn wir alle gleicher Meinung wären, aber zumindest mit den gleichen Gesprächsregeln.
Ein anderer schwieriger Punkt im Gespräch mit gänzlich unreflektierten Menschen ist wohl auch, dass sie nicht das Bedürfnis verspüren, die Quellen für ihre Behauptungen zu kennen und hinterfragen, da wird ganz selbstbewusst irgendwelches Halbwissen in die Welt getrötet.
Wenn ich mir nicht sicher bin bei etwas, dann halte ich lieber den Mund.
Ich dagegen versuche immer, ausschließlich über Fakten und Zahlen aus seriösen Quellen zu argumentieren, von denen ich weiß, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit stimmen. Wenn ich mir nicht sicher bin bei etwas, dann halte ich lieber den Mund, weil mir diese populistische Scheiße, die manchen Menschen zwischen den Zähnen entgleitet, zuwider ist.
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Aber kann man demjenigen, der voller Inbrunst mit selektiv wahrgenommenen “Tatsachen” und ganz klaren Unwahrheiten argumentiert, mit tatsächlichen Fakten beikommen? Hat das überhaupt einen Wert?
Es geht mir nicht darum, jemandem meine Meinung aufzudrücken, es geht mir in einer Diskussion doch nur darum, dass keine falschen Fakten für bare Münze genommen werden und darum, ein Thema aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und zu reflektieren.
Nichts ist dümmer als eine Aussage, ohne sie zu hinterfragen, einfach zu repetieren. Was aber nun, wenn jemand genau das tut und man mit Argumenten nicht weiterkommt? Sagt man jemandem auf den Kopf zu, dass er dumme Dinge von sich gibt? Dabei hätte ich immer das Gefühl, dass man sich auf die gleiche Stufe stellt. Das will ich natürlich als allerletztes.
Nichts ist dümmer als eine Aussage, ohne sie zu hinterfragen, einfach zu repetieren.
Diskutiert man bis zum Umfallen und redet notfalls gegen eine Mauer? Das kann ich nicht. Zu emotional, zu impulsiv. Damit stehe ich vermutlich auch nicht alleine da. Zieht man sich irgendwann einfach zurück und beendet die Diskussion? Das fühlt sich für mich irgendwie an wie Aufgeben.
Ich weiß es nicht. Ich werde vielleicht nächstes Mal zu Beginn ruhiger bleiben, das Gespräch dann aber schneller abwürgen, wenn ich merke, da interessiert sich jemand nicht für Fakten, sondern nur für vorgefertigte Meinungen und nachgeplapperte Parolen. Ich bin ja auch nur ein Mensch und meine Geduld endlich.

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