Ich war 15 als ich zum ersten Mal eine Ernährungsberaterin aufsuchte. Ich war bereits seit Jahren auf Diät, ohne Erfolg. Eine Ernährungsberaterin erschien mir nun als die bessere Wahl – jemand, der über einen gesunden Menschenverstand verfügte und einen Abschluss noch dazu, das war mir alles sehr viel lieber als glamouröse Mode-Diäten und kommerzielle Programme. Und diese Frau wirkte seriös, ernstzunehmend und wissenschaftlich. Ihre Praxis befand sich in einem sehr teuren Vorort, das Büro war hell und ganz eindeutig von einem Profi dekoriert worden. Zudem begann sie unsere Sitzung mit der Frage nach meiner Blutgruppe. Was hätte wissenschaftlicher sein können als das?
Die Blutgruppendiät – auch bekannt als „4 Blutgruppen“ – war in den 90ern der heiße Scheiß der Diäten. Promis, selbsternannte Ernährungsexperten und Teenager stürzten sich gierig auf sie. Auch ich glaubte plötzlich das älteste Geheimnis darüber gelüftet zu haben, wie man in Hüfthosen SUPER SÜß aussieht. Heute kann ich mir kaum noch vorstellen, dass meine Freundinnen und ich damals SlimFast in uns hineinschütteten und Weight-Watchers-Punkte zählten – während die vermeintliche Antwort doch die ganze Zeit durch unsere ureigenen Venen strömte!
Die Diät basiert auf der Aussage, dass die Blutgruppe eines Menschen seine körpereigene Chemie bestimmt. Es gibt also für die vier Blutgruppen des Menschen A, B, AB und 0 vier verschiedene Ernährungskonzepte: Meine Blutgruppe war der Typ 0, weshalb ich mich von meinem Vegetarismus verabschieden und stattdessen eine fleisch- und fettreiche Lebensweise annehmen sollte. High fat, low carb. Neben weiteren Regeln ordnete meine schicke Ernährungsberaterin an, ich solle jede Menge Rind und Wild essen und Ananassaft trinken, dabei allerdings Dinge wie Erdbeeren, Linsen und fast alle Milchprodukte (Butter war in Ordnung) meiden. Die Liste mit guten, schlechten und sehr schlechten Lebensmitteln war lang und folgte keiner für mich ersichtlichen Logik. Aber dafür hatte ich ja einen Profi an meiner Seite, dachte ich mir.
Welche Blutgruppe isst was?
Typ 0: Die älteste Blutgruppe, ist gut in der Lage, tierische Proteine, Fett und Cholesterin zu verarbeiten, aber nicht Getreide oder Milchprodukte. Da diese Blutgruppe den Jägern entstammt, ist die Flucht-oder-Kampf-Reaktion stark ausgebildet und kann sich in Aggressionsproblemen oder manischen Episoden niederschlagen. Menschen mit Typ 0 sind zudem anfällig für zerstörerische Angewohnheiten, wenn sie sich langweilen. Sie sollten Koffein vermeiden genauso wie Linsen, sich stark körperlich verausgaben und nicht vergessen, langsam zu kauen.
Typ A: Diese Blutgruppe entstand mit dem Aufkommen des gemeinschaftlichen Lebens, als, dank dem dahinschwindenden Angebot an jagbarem Wild, die menschliche Verdauung gezwungen war, sich an den Verzehr von Kohlenhydraten anzupassen. Daher sollten Menschen vom Typ A vor allem Gemüse und Sojaproteine essen und dabei auf ihre höchstsensiblen Immunsysteme und das erhöhte Risiko von lebensbedrohlichen Krankheiten (sowie von Natur aus höhere Stresslevel) Acht geben. Sie sollten Menschenmassen und Mais vermeiden und Tai Chi praktizieren.
Typ B: „B wie Balance!“ Während sich Menschen der Typen 0 und A an den entgegengesetzten Enden des Spektrums befinden, fällt das omnivore B irgendwo in die allesfressende Mitte. Fleisch, Milchprodukte, Getreide, Früchte, Gemüse – Menschen vom Typ B brauchen tatsächlich alles (außer Huhn). Wenn sie die Balance verlieren, sind Menschen vom Typ B anfällig für Stress und Krankheiten. Wenn sie jedoch ihrem Typ gemäß essen, sind sie körperlich und mental fitter als die anderen Blutgruppen. D'Adamo bemerkt, dass Bs möglicherweise außerdem über einen „sechsten Sinn“ verfügen, da sie intuitiv sind.
Typ AB: Die seltenste und neueste Blutgruppe ist nach D'Adamo „das Chamäleon“. Sie ist die einzige, die nicht durch Umweltbedingungen, sondern durch soziale Kontakte entstand und ist irgendwie mystischer als die anderen. Lamm, Milchprodukte, Tofu und Getreide tun Menschen vom Typ AB alle gut, während Buchweizen und geräuchertes Fleisch Probleme verursachen können. Sie sind charismatisch, haben wenig Magensäure und sollten Visualisierungstechniken anwenden.
Mittlerweile ist die Theorie dahinter zum Glück widerlegt. Zum Glück, weil mir die Blutgruppendiät nicht mehr gebracht hat als ein merkwürdiges und wirklich fleischlastiges Kapitel in meinem Leben. Natürlich kann ich meinem Teenager-Ich keinen Vorwurf dafür machen, dass es dem Hype Glauben schenkte, omnipräsent wie er war. Wenn eine Modeerscheinung auftritt, lesen wir meistens nur die Schlagzeilen und nicht das Kleingedruckte, das uns fünf Absätze weiter erklärt, die häufigste Kritik an der Blutgruppendiät begründe sich in einem Mangel an wissenschaftlichen Belegen.
Das Einzige, was die Diät für mich langfristig bewirkt hat, war, mich wieder zu einer Fleischesserin zu machen. Bald verblasste der Hype um die Blutgruppen und machte Platz für andere Lieblingsdiäten und neue Vorsätze.
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