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Binge-Eating-Störung: Wenn die Selbst-Isolation zur Herausforderung wird

Photographed by Bianca Valle.
Das Leben in der Selbst-Isolation ist nicht leicht. Wochenlang in der eigenen Wohnung bleiben zu müssen, ohne zu wissen, wie lange das Ganze noch andauert, sorgt für eine Art Stress, die wir uns bis vor kurzen noch nicht hätten vorstellen können. Dazu kommt, dass es für manche Menschen eine extreme Herausforderung für die Psyche sein kann, das Haus nicht verlassen zu dürfen – zum Beispiel, weil sie unter Depressionen leiden und sich aktuell einsamer fühlen denn je. Aber auch für Personen, die an einer Essstörung leiden, kann die Selbst-Isolation besonders schwer sein.
Essen ist schon immer ein Trostspender für mich – vor allem in Zeiten, in den ich Angst habe oder traurig bin. Ich habe eine Schwäche für Schokolade und Käse und in den letzten Wochen habe ich dazu extrem oft gegriffen. Ich weiß, ich bin nicht allein damit; viele meiner Freund*innen haben mir erzählt, dass sie auch ständig an ihren Kühlschrank gehen. Und das ist ja auch logisch. Die Ängste und der Stress, die durch COVID-19 ausgelöst werden, bringen uns dazu, in allem Trost und Aufmunterung zu suchen. Aber für Menschen mit einer Esssucht, ist die aktuelle Situation noch mal eine andere. Menschen, die an einer BES (Binge-Eating-Störung) leiden, werden jetzt dazu gezwungen, mit dem Trauma der Pandemie fertig zu werden, ohne dabei das Haus zu verlassen – sprich ohne zur Therapie gehen zu dürfen oder sich mit anderen treffen zu können, denen es ähnlich geht. Oder anders gesagt: Die Möglichkeiten, sich um die eigene mentale Gesundheit zu kümmern, sind im Moment limitiert.
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Isolation ist ein echtes Problem für Menschen, die sich im Genesungsprozess befinden. Doch es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass du nicht allein bist, sagt die Professorin und Autorin von The Optimistic Food Addict: Recovering from Binge Eating Christina Fisanick Greer. 34 Jahre hat sie mit dem Kampf gegen die Esssucht verbracht – erst dann begann bei ihr der Genesungsprozess.
Im folgenden Kurzfilm erklärt sie, welche besonderen Herausforderungen die Corona-Krise für sie mit sich bringt und wie es ist, den Weg der Genesung in der Selbst-Isolation gehen zu müssen.
Seit sie in der Selbst-Isolation lebt, macht sich Christina ständig Gedanken darüber, ob sie genügend Essen im Haus haben oder wo und wann sie welches kaufen oder bestellen können. Weil Essen permanent ein Thema ist, fühlt sie sich hungriger als sie eigentlich ist. Ihr Ehemann liefert medizinische Güter aus, weshalb sie sich oft Sorgen macht, er könne sich irgendwo mit Corona anstecken und das Virus mit nach Hause bringen. Manchmal äußert sich die Krankheit bei ihr in Essanfällen, bei denen sie innerhalb kürzester Zeit mehr als “normal“ isst. Manchmal isst sie aber auch über den ganzen Tag verteilt immer wieder etwas.
Sie war 11 Jahre alt, als die Störung bei ihr begann. Essen war oft eine Belohnung oder etwas, das sie mit positiven Dingen assoziierte. Lange war ihr gar nicht bewusst, dass sie ein Problem hat, bis sie eines Nachts einen extremen Essanfall hatte. Nach Jahren der Unfruchtbarkeit und familiärer Schicksalsschläge hatte sie einen Sohn bekommen, doch ihre Angst war riesig, ihn verlieren zu können.
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Als die Corona-Krise begann und sie von Präsenzterminen zu Onlineunterricht wechseln musste, verschlimmerte sich ihre Esssucht anfangs wieder. Mittlerweile kann sie aber besser damit umgehen und hat gelernt, nachsichtiger mit sich zu sein. Früher hat sie sich immer sehr schuldig gefühlt, wenn sie gebingt hat, heute versucht sie, sich davon nicht runterziehen zu lassen und stattdessen zu überlegen, wie sie den nächsten Anfall verhindern kann. Teil ihres Genesungsprozesses, der 2013 begann, ist es, ein Emotionstagebuch zu führen, um herauszufinden, warum sie an manchen Tagen mehr isst als an anderen. Außerdem hat sie eine Liste mit Dingen aufgestellt, die sie machen kann, wenn sie das Gefühl hat, essen zu müssen, obwohl sie gar keinen Hunger hat. Die musste sie jetzt natürlich anpassen, denn Schwimmen gehen oder Freund*innen treffen kann sie jetzt natürlich nicht mehr. Sie versucht, rauszugehen, die Sonne zu genießen und durch Video-Calls Kontakt zu ihren Lieben zu halten.
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Laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist BES eine ernst zu nehmende Krankheit, bei der die Betroffenen innerhalb sehr kurzer Zeit sehr viel essen. Bei diesen von ihnen nicht kontrollierbaren Essanfällen, für die beispielsweise emotionale Probleme der Grund sein können, essen viele sehr schnell und sehr lange – manchmal sogar mehrere Stunden –, bis sie sich extrem voll fühlen. Danach haben sie häufig Schuldgefühle, sind depressiv oder ekeln sich sogar vor sich selbst. Nicht alle der Betroffenen sind übergewichtig, aber bei deinen, bei den das der Fall ist, ist das Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf-Störungen und andere Krankheiten höher. Außerdem können die Essanfälle sie in finanzielle Schwierigkeiten bringen.
Chevese Turner, die für die National Eating Disorder Association (NEDA) arbeitet und Gründerin und CEO der Binge Eating Disorder Association (BEDA) ist, erzählte Refinery29 worauf es jetzt während der Pandemie für Menschen mit BES ankommt: „Was wir brauchen, ist die Verbindung zu anderen, denn so können wir heilen. Sei einfühlsam mit dir selbst in dieser Zeit, in der es so viel Unsicherheit gibt. Wenn du einen Essanfall hattest, versuche, auf positive Art und Weise darüber nachzudenken. Mach dich nicht selbst fertig. Mach dir bewusst, wie du dich jetzt fühlst und sprich mit jemandem darüber. Sei nachsichtig mit dir.“
Wenn du selbst an einer Essstörung leidest oder eine Person kennst, die eventuell Hilfe braucht, kannst du dich beispielsweise per Email, Chat, Video-Beratung oder Telefon an das ANAD e.V. Versorgungszentrum Essstörungen wenden.

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