Schlafstörungen treten immer häufiger auf. Allein unter US-Amerikanern berichten ca. 40% der Bevölkerung von Problemen beim Einschlafen oder Aufwachen, tendenziell sind es dabei mehr Frauen als Männer.
Einer neuen Studie zufolge hat das tatsächlich damit zutun, dass Frauen oftmals andere zirkadiane Rhythmen haben als Männer. Zirkadian beschreibt gemeinhin alle Vorgänge in einem Körper, die über eine Periode von 24 Stunden verlaufen, wie etwa die natürliche Regulierung der Körpertemperaturen. Der bekannteste zirkadiane Vorgang ist der menschliche Schlaf-Wach-Rhythmus. Alle zirkadianen Veränderungs- und Verhaltensmusster, ganz egal ob Schlafverhalten, Aufmerksamkeitsfähigkeit oder interne Temperaturen, werden von chemischen Reaktionen und äußeren Einflüssen, wie etwa dem Sonnenlicht gesteuert.
Für eine kürzlich veröffentlichte Studie der Proceedings of The National Academy of Sciences haben 15 Männer und 11 Frauen drei Tage lang unter streng kontrollierten Verhältnissen und zu bestimmten Zeiten geschlafen. Die Dauer der Schlaf- und Wachphasen, sowie die Anzahl der kurzen Schlafpausen hat von Person zu Person variiert. Auf diesem Weg konnten die Forscher das Schlaf-Wach-Verhalten der Testpersonen über gesamte 24-Stunden-Phasen beobachten. Neben der Dauer, die jede Person gebraucht hat, um einzuschlafen, wurden die Teilnehmer auch gefragt, wie ausgeruht sie sich nach dem Aufwachen fühlten, um somit die Güte und die Erholsamkeit des Schlafs einzuschätzen. Gemessen wurden unmittelbar nach dem Aufstehen außerdem Körpertemperatur und Melatoninspiegel.
Obwohl der biologische Tagesrhythmus bei Männern und Frauen vom Verlauf her ähnlich ist, leben Frauen im Durchschnitt zwei Stunden voraus – „ungefähr so, als würden Frauen in einer zwei Stunden östlich gelegenen Zeitzone leben. Das begründet auch die höhere Tendenz unter Frauen, häufiger Frühaufsteher zu sein, aber auch früher am Tag müde zu werden“, so die leitende Wissenschaftlerin Dr. Boivin, Forscherin am kanadischen Douglas Mental Health University Institute und Dozentin an der McGill Universität. „Frauen berichteten außerdem, bei gleicher Verzögerung des Einschlafens zwischen Männern und Frauen, von stärkerer Müdigkeit am nächsten Tag.“
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Es ist so, als würden Frauen in einer zwei Stunden östlich gelegenen Zeitzone leben
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Die zirkadiane Uhr des Menschen wird gesteuert durch die Ausschüttung bestimmter Neuronen, die wiederum den Nucleus suprachiasmaticus, ein Kerngebiet im Gehirn, ausmachen. Dieser Teil des Gehirns steuert den Haushalt von Schlaf- und Wachsamkeits-Hormonen wie etwa Melatonin, ist aber auch für viele andere, unter anderem auch geschlechtsspezifische Vorgänge mit verantwortlich, wie etwa für den Mentruationszyklus der Frau und den damit verbundenen Veränderungen bezüglich Wohlbefinden und Körpertemperatur. „Es ist quasi so, als hätte dieser Teil des Gehirns auch ein Geschlecht“, so Dr. Boivin. „Und diese geschlechtsspezifischen Unterschiede wirken sich fundamental [auf so viele Vorgänge im Körper] aus.“ Denn genau solche Vorgänge sind es, die auch beeinflussen, ob wir beispielsweise ein Medikament vertragen oder nicht.
Genauere Forschungen zu dem Zusammenhang von Hormonen und anderen alltäglichen Vorgängen im Körper stehen jedoch noch weitgehend aus, denn bisherige Studien umfassen oft nicht ausreichend Frauen, um eine repräsentative Menge zu stellen.
Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen waren ansonsten alle gesund und haben von keinen vorherigen Schlafproblemen erzählt. „Wir glauben also, hier eine Mechanismus festgestellt zu haben, der eine häufige Ursache für Schlafprobleme bei Frauen darstellen könnte – besonders ausgeprägt war es übrigens abends, wenn die weiblichen Teilnehmer deutlich häufiger früher müde wurden.
Wem bei der nächsten Netflix & Chill-Session also die Augen mal wieder zufallen, es gibt jetzt eine biologische Legitimation: Wir Frauen leben in einer anderen Zeitzone.
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