Große Brüste werden in der Popkultur oft noch mehr sexualisiert als kleine. Sie werden als erotisch und ultimativ pornografisch dargestellt. In der High Fashion wiederum werden sie kaum anerkannt. Wie viele Frauen mit großen Brüsten seht ihr regelmäßig auf den Catwalks der Fashion Weeks? Oder in High End Boutiquen? Wie viele Cocktailkleider tragen mehr als ein D-Körbchen? Die Antwort lautet: wenige bis gar keine.
Ich habe wirklich große Brüste und trage eine 70GG. Letzte Woche war ich auf einem Fashionevent – ganz ohne Unterwäsche. Und ich meine wirklich kein bisschen Unterwäsche. Es gab schrille Lichter, Laser, all das und noch mehr. Sämtliche Möglichkeiten also, um mein Geheimnis zu lüften. Ob es wirklich jemand bemerkt hat, weiß ich nicht. Ich kann allerdings sagen, dass das Gefühl von Nacktheit unfassbar befreiend war.
Mein Körper hat mit der Entwicklung nicht auf sich warten lassen. Während meine Freundinnen alle noch Sport-BHs tragen konnten, musste ich mich sehr früh an breite, unschöne BH-Träger gewöhnen. Dazu kommt, dass meine Hautfarbe sehr dunkel ist und keine der Farben so richtig passen wollte. Und dann fingen all die anderen Fragen an, ‚Warum sind meine Brüste so groß?‘, ‚Warum sehen ihre Brüste so anders aus?‘, ‚Warum kann sie so etwas tragen, aber ich nicht?‘.
WerbungWERBUNG
“
Almost all the options send subliminal messages that big isn’t pretty
”
Natürlich sind das im Nachhinein triviale Probleme, aber für eine 13-Jährige bedeuten sie die Welt. Jedes Mal, wenn wir uns vor dem Sport umgezogen haben oder mal wieder einer meiner pubertierenden Mitschüler etwas Dummes und Demütigendes zu sagen hatte, versank ich vor Scham in Grund und Boden. Erst mit 18 konnte ich lernen, meine Brüste zu lieben. Ich war damals seit ca. zwei Jahren sexuell aktiv und, obwohl mir bewusst war, dass meine füllige Oberweite nicht jedem gefallen würde, bemerkte ich, dass genügend Männer es zu schätzen wussten, dass an mir mehr zu finden und zu fassen war, als am durchschnittlichen Supermodel der Nullerjahre – der Typ Frau, der mir als archetypisches Schönheitsideal eingetrichtert wurde. Es gab zwar weiterhin keine gescheiten BH-Designs, die meiner Größe entgegenkamen, aber ich hatte für mich selbst beschlossen, dass ein schlichter Soft Cup zwar nicht sonderlich schmeichelhaft ist, seinen Zweck allerdings erfüllt und wesentlich besser war, als das, was so manche Modehäuser zu bieten hatten: Viele Designer, die sich auf Übergrößen spezialisiert hatten, schienen ein sehr anderes Verständnis vom Begriff „schick“ zu haben, wenn es um BHs ging. Die meisten erinnerten eher an einen Laura Ashley Katalog aus den 1950ern. Agent Provocateur hingegen hatte tolle Designs, richtete sich preislich jedoch eher an Frauen, die keine Teenager mit bescheidenem Taschengeld waren.
Jetzt, da ich 27 Jahre alt bin und etwas mehr Geld als nur die wöchentliche Finanzspritze habe, finde ich zu meinem Glück immer mehr Marken, deren Designs ich liebe und die mir sogar wirklich passen, wie zum Beispiel Palmers, Mimi Holliday oder auch H&M. Was die Repräsentation von Frauen mit großen Brüsten angeht, gibt es noch immer viel Arbeit zu leisten, so stark marginalisiert wie noch vor 15 Jahren fühlt man sich jedoch nicht mehr. Zum Glück. Denn was viele nicht merken: Auch bei Brüsten brauchen wir Variation und Diversität. Wie auch bei Körperbildern, die einem schnell ein falsches Ideal vermitteln, brauchen wir speziell bei Brüsten eine Bandbreite, die wirklich jede Frau zeigt und allen sagt, dass sie schön sind. Denn genau das war es, was mir als Teenager suggeriert wurde: Meine Brüste seien nicht schön und gehören unterbügelt, gefestigt und bedeckt.
Im Zuge dessen frage ich mich auch, ob die „free the nipple“-Kampagne weltweit so viel Zuspruch finden würde, wenn ihre Vorreiterinnen ein F-Körbchen hätten. Wären die Menschen genauso fein damit, eine Frau nackt protestieren zu sehen, die große, etwas hängende, ungleich große Brüste hat? Eine Frau, die nicht so aussieht, als wäre sie soeben einer American-Apparel-Werbung entsprungen?
Und das ist nur der BH, bei Höschen sind wir noch gar nicht angekommen: Wer hat eigentlich jemals beschlossen, dass zahnseidendünne Polyesterfäden zwischen meinen Pobacken zwangsläufig gut aussehen, oder dass synthetische Abdeckungen über dem Schambereich machen, die eine Vagina nicht einmal ansatzweise atmen lassen? Wenn meine Freundinnen und ich für jede wundgeriebene Stelle und jedes unangenehme Zwacken einen Euro bekommen hätten, nur um einschneidende Nähte zu vermeiden, dann wären wir mittlerweile reich.
Vielleicht ist es also vorläufig gar nicht abwegig, sich auf die „ganz ohne“-Methode einzulassen. Das heißt nicht, dass ich nie wieder einen BH tragen werde, manche Kleidungsstücke sehen mit einfach besser aus als ohne. Und der Halt ist auch für das Gewebe nicht schlecht. Aber manchmal werde ich einfach darauf verzichten morgens in die Unterwäschenschublade zu greifen. Weil ich darauf bestehe, es meiner B-Körbchen-Freundin im Crop-Top gleichtun zu dürfen. Weil ich Lust habe, einfach mal abzuhängen und auch alles andere hängen zu lassen.