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Ich bin ARD-Mitarbeiterin & die abgewiesene ZDF-Klage ist für mich ein Schock

Tristan Worst
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit, das klingt doch plausibel, oder? Wir schreiben zwar das Jahr 2017, aber dass Frauen genauso viel verdienen sollten wie ihre männlichen Kollegen, scheint in vielen Unternehmen noch immer nicht angekommen zu sein. Das beweist gerade mal wieder der Fall Birte Meier gegen das ZDF. Dieser schockiert mich in zwei Hinsichten: als Frau und als freie Mitarbeiterin einer ARD Rundfunkanstalt. Worum geht es in dem Fall? Die preisgekrönte Journalistin Birte Meier arbeitet seit Jahren als feste freie Redakteurin für das ZDF Magazin frontal21 und hatte durch einen ehemaligen Kollegen herausgefunden, dass viele männliche Mitarbeiter für die gleiche Arbeit wesentlich mehr Gehalt bekommen. Nachdem eine Einigung mit dem ZDF auf mehr Gehalt erfolglos war, blieben ihr zwei Möglichkeiten: Die Sache hinzunehmen oder den Sender verklagen. Meier wagte den meiner Meinung nach extrem mutigen Schritt und verklagte das ZDF wegen geschlechterspezifischer Diskriminierung, forderte Schadensersatz in Höhe von 70.000 Euro und Auskunftsanspruch über die Gehälter der männlichen Kollegen. Das ZDF reagierte mit dem Vorschlag einen Vergleich zu schließen und den Vertrag mit der Journalistin aufzulösen. Da sich die Parteien nicht außergerichtlich einigen konnten, wurde gestern das Urteil vom Arbeitsgericht Berlin verkündet. Die Klage wurde in allen Punkten abgewiesen. Meier könne ihr Gehalt nicht mit dem eines festen Mitarbeiters vergleichen. Eine Diskriminierung könne nicht bewiesen werden. Ein desaströses Ergebnis in vielerlei Hinsicht, wie ich finde. Warum? Zunächst einmal, weil sowohl die Reaktion des ZDF als auch das Urteil das Signal aussenden, dass es als Frau noch immer besser ist eine mögliche Diskriminierung hinzunehmen und sich still zu verhalten, als dagegen vorzugehen. Wer Gehaltsstrukturen hinterfragt und Transparenz einfordert, riskiert dadurch seinen Job. Als freie Mitarbeiterin mache ich mir nun natürlich auch Gedanken über meine Stellung bei der nächsten Gehaltsverhandlung. Soll ich mich von dem Urteil einschüchtern lassen oder gerade deshalb konkret nach der Gleichbehandlung von Frauen und Männern fragen? Dazu muss ich sagen, dass ich das Verhältnis zwischen Männern und Frauen in Führungspositionen an meinem Arbeitsplatz als äußerst ausgeglichen empfinde. Und ich könnte mir vorstellen, dass das ZDF ganz anders reagiert hätte, wenn kein Mann auf dem Intendantensessel sitzen würde.

Auch das Verhandlungsgeschick von Frauen im Allgemeinen zu attackieren, finde ich lächerlich

Ebenso schockierend empfinde ich das Verhalten des Richters, der bereits bei der Verhandlung im Dezember für Aufsehen sorgte, da er auf die Frage Meiers, warum männliche Kollegen mit weniger Berufserfahrung ebenfalls besser verdienen würden, antwortete: „Weil die Kollegen besser verhandelt haben? Das nennt man Kapitalismus.” Dem Richter zufolge, steht Vertragsfreiheit also über den tatsächlichen Leistungen von Mitarbeitern und dem Anspruch auf Gleichbehandlung. Sprich, Kapitalismus rechtfertigt Diskriminierung. Super. Da hinkt Deutschland dem europäischen Recht noch ganz schön hinterher. Auch das Verhandlungsgeschick von Frauen im Allgemeinen zu attackieren finde ich lächerlich. Ich saß schon in Verhandlungen, in denen männliche Chefs kleiner Betriebe den Wert meiner journalistischen Arbeit mit Worten wie: „Dafür stehen Praktikanten umsonst Schlange” oder „Ich habe eine kleine Tochter zu ernähren”, drücken wollten. Von Verhandlungsgeschick hatten die anscheinend auch noch nie etwas gehört. Ein weiteres No-Go: Der Richter nannte der kinderlosen Journalistin unter anderem Schwangerschaften als legitimen Grund für geringere Gehälter. In einer modernen Gesellschaft können wir jawohl langsam mal erwarten, dass die eventuelle Möglichkeit einer Schwangerschaft uns als Frauen nicht per se finanziell schlechter stellt. Es gibt immerhin auch Frauen, die keinen Kinderwunsch hegen oder ihn sich schlicht nicht erfüllen können. Das ZDF hätte in diesem Fall ein fortschrittliches Zeichen zur Gleichberechtigung setzen können. Stattdessen versucht es eine Redakteurin loszuwerden, die jahrelang erfolgreich für den Sender tätig war. Auch Frauenverbände haben sich bereits kritisch gegenüber dem Urteil geäußert. Der Journalistinnenbund hat schon vor einiger Zeit zur Solidarität mit Birte Meier aufgerufen. Die Vorsitzende Rebecca Beerheide antwortet uns auf die Frage nach der Signalwirkung des Urteil für Frauen: „Ich hoffe, es hat keine Signalwirkung und es wird weiterhin Frauen geben, die den Mut haben, bei Lohnungerechtigkeit zu klagen. Zwar liegt uns die Begründung des Urteils noch nicht vor, aber es zeigt sich: Es muss juristisch ein Weg gefunden werden, Diskriminierung zu belegen.” Einen ersten Schritt auf diesem Weg liefert der Gesetzesentwurf für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern von Bundesfrauenministerin Manuela Schwesig (SPD), welcher vor wenigen Wochen beschlossen wurde. Dieser sieht genau vor, was Meier derzeit verwehrt bleibt: Auskunftsanspruch über die Gehälter von Männern in gleichwertigen Positionen. „Wir unterstützen den Gesetzentwurf aus dem Familienministerium. Allerdings muss man sehen: Auskunftsansprüche gibt es erst ab einer bestimmten Größe des Unternehmens. Daher wird es viele Arbeitnehmerinnen geben, die kein Recht haben, Einsicht in die Gehaltsstufen des Unternehmens zu bekommen”, sagt Beerheide. Der Auskunftsanspruch soll nämlich erst für Unternehmen ab 200 Mitarbeitern gelten. Dazu würde das ZDF auf jeden Fall zählen. Trotz des enttäuschenden Urteils in erster Instanz, hat Birte Meier schon jetzt ein wichtiges Zeichen für uns Frauen und Journalistinnen gesetzt. Dass es richtig ist, Ungleichheit auf den Grund zu gehen, um unfaire Strukturen aufzudecken, für Geschlechtergerechtigkeit zu kämpfen und gleiches Geld für gleiche Leistungen zu verlangen. Ihr Anwalt kündigte bereits an in Berufung zu gehen. Es bleibt also spannend.

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