Es wird nie angenehm sein, jemanden zu fragen, wie viel er oder sie beruflich verdient – und das gilt vor allem in den ersten Phasen des Datings. Obwohl das Thema längst nicht mehr das Tabu ist, das es vielleicht mal war, kann es sich doch… merkwürdig anfühlen, jemanden zur finanziellen Situation zu befragen. Dabei kann das Wissen darüber entscheidend sein, bevor wir uns wirklich auf eine feste Beziehung einlassen. Aber wie früh ist zu früh für die Frage nach dem Gehalt der Person, die wir daten?
Dazu hat die Banking-App Chime vor Kurzem 2.000 Amerikaner:innen befragt, die entweder verlobt oder verheiratet waren. Die Umfrage ergab, dass die meisten Paare ihre Finanzen nach durchschnittlich sechs bis achteinhalb Monaten Beziehung besprochen hatten. Und obwohl du vermutlich niemals beim ersten oder zweiten Date fragen würdest, ob dein Gegenüber eigentlich Schulden hat, sind sich die meisten Expert:innen doch darin einig, dass es beim Gespräch über Geld kein „zu früh“ gibt.
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In der Datingwelt ergibt sich das Thema nämlich meistens ohnehin viel früher, als du vielleicht denkst – oft schon, bevor im Restaurant die Rechnung kommt. „Geld spielt in jedem Dating-Aspekt eine Rolle. Das fängt schon bei der Überlegung an, wo ihr euch eigentlich treffen wollt und wie viel Geld ihr dafür ausgeben möchtet“, sagt die Psychologin und Finanztherapeutin Dr. Traci Williams. Und auch laut einer Umfrage von Match von 2022 empfinden 96 Prozent der Singles eine ähnliche Einstellung zu Schulden und Ausgaben bei der Partner:innenwahl als sehr wichtig. Es ist demnach durchaus entscheidend, schon früh abzuklären, ob ihr auch in finanzieller Hinsicht gut zusammenpasst. Das muss auch nicht zwangsläufig in einem Gespräch über Geld passieren; du kannst auch herausfinden, wie dein Gegenüber über dein Geld denkt und finanziell aufgestellt ist, indem du genau hinhörst, wenn er oder sie beispielsweise über den Job oder die eigene Kindheit spricht oder vorschlägt, eine Vorspeise zu bestellen.
Bei einem Gespräch über ein intimes Thema wie Geld lässt du dich am besten immer von deiner Neugier leiten, anstatt die andere Person zu kritisieren oder zu verurteilen. Deswegen verzichtest du idealerweise auch auf besonders direkte Fragen wie: „Wie viel verdienst du?“, „Wie viel Geld hast du auf dem Konto?“, oder: „Wie hoch sind deine Schulden?“, empfiehlt die Match-Dating-Expertin Rachel DeAlto. „Wenn es irgendwann darum geht, eure Finanzen zusammenzulegen, sind das definitiv wichtige Gesprächsthemen, wenn ihr es bis dahin schafft“, sagt sie. „Das Gespräch musst du aber nicht so aggressiv einleiten. Ich glaube, es kann sich auch ganz organisch ergeben, und dabei bekommst du trotzdem alle Informationen, die du brauchst.“ Und obwohl Transparenz in Sachen Gehalt am Arbeitsplatz und in deiner Branche natürlich sehr wichtig ist, kann sie in den ersten Datingphasen doch ein kleiner Stimmungskiller sein.
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Mach dir daher nicht den Druck, schon früh in einer neuen oder sich anbahnenden Beziehung übers Geld reden zu müssen. „Anfangs sollte der Fokus darauf liegen, euch gegenseitig kennenzulernen und herauszufinden, ob ihr eine Bindung zueinander aufbauen könnt. Mögt ihr euch? Verbringt ihr gern Zeit zusammen?“, meint Dr. Williams. „Es sollte länger dauern, bis ihr zu sensibleren Themen wie Geld vordringt, weil ihr dann riskiert, euch anhand eurer finanziellen Situationen gegenseitig zu verurteilen, ohne euch die Chance zu geben, euch erstmal wirklich als Menschen kennenzulernen.“ Außerdem ist es nicht jede:r gewöhnt, genau so über Geld zu sprechen, wie du es vielleicht aus deiner Familie oder deinem Umfeld kennst. Sei deswegen nachsichtig.
Sobald du zu der Erkenntnis kommst, dass das zwischen euch wirklich was Langfristiges werden könnte, kannst du das Thema Geld öfter anschneiden. In dem Fall lohnt es sich sogar, es früh zu tun. „Es gibt Studien, die erwiesen haben, dass Paare, die über Geld sprechen, zufriedener sind als die, die es nicht tun“, erklärt die Autorin und Gründerin des Money and Love Institute Abby Davisson. „Langfristig ist es das wert, dieses unangenehme Thema anzusprechen. Und anfangs wird es definitiv unangenehm. Mit der Zeit wird es aber leichter. Das ist, als würdest du einen Muskel trainieren.“
Sobald du diesen Muskel nämlich aufbaust, stärkst du ihn im Laufe der Beziehung mit jedem Gespräch über Finanzen. Anfangs wird es bei solchen Konversationen vermutlich über finanzielle Ziele, Budgets und Lifestyle-Ausgaben gehen. Wenn eure Beziehung aber ernster wird, unterhaltet ihr euch vermutlich über sowas wie Versicherungen, den Kauf eines Hauses oder eines Autos, oder sogar über das Zusammenlegen eurer Bankkonten. „Für manche ist Geld ein sehr sensibles Thema, und das kann viele Gefühle auslösen“, erklärt die Ehe- und Familientherapeutin Marissa Nelson. „Wenn ihr dafür nicht die nötige emotionale Basis habt, können euch die Feinheiten dieses Gesprächs womöglich aus dem Gleichgewicht werfen.“
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Natürlich ist es ein langer Weg, bis du einer Person emotional vertraust, die du gerade erst kennengelernt hast. Deswegen beschränkst du dich anfangs am besten auf oberflächlichere Finanzfragen – wie zum Beispiel, welche Beziehung dein:e Partner:in in der Kindheit zum Geld hatte, wie er oder sie mit finanziellem Stress umgeht, oder wofür er oder sie gern Geld ausgibt. Um das Eis zu brechen, kannst du auch erstmal über dich selbst sprechen. „Indem du damit anfängst, eröffnest du deinem Gegenüber die Chance, selbst von der eigenen finanziellen Situation zu erzählen“, meint Davisson. „Wenn du die Person bist, die dieses Gespräch einleitet, hilft es nämlich, mit gutem Beispiel voranzugehen, an dem sich dein Gegenüber dann orientieren kann.“
Wenn dir die Antworten deines Partners oder deiner Partnerin allerdings nicht gefallen, solltest du erstmal darüber nachdenken, was genau dich daran stört. „Bloß weil jemand vielleicht nicht so viel verdient – oder nicht so viel wie du –, heißt das nicht, dass er oder sie eurer Beziehung nichts beisteuern kann“, sagt Dr. Williams. Und bedenke: Finanzen ändern sich im Laufe der Zeit. Nur weil jemand vielleicht heute in einem finanziellen Engpass festzustecken scheint, bedeutet das nicht, dass es auch in Zukunft so sein wird. Gehälter steigen und fallen, Leute werden entlassen – und es gibt zig weitere mögliche Situationen, die die finanzielle Situation deines Partners bzw. deiner Partnerin verändern können.
Es könnte allerdings ein potenzielles Warnsignal sein, wenn sich dein Gegenüber bei solchen Gesprächen immer wieder dagegen wehrt, überhaupt über Geld zu reden. „Darauf solltest du definitiv Acht geben – vor allem, bevor ihr größere Schritte unternehmt, wie das Zusammenziehen oder eine Verlobung“, meint Dr. Williams. „Wenn sich die Person weigert, darüber mit dir zu sprechen, kann es helfen, wenn du nach dem Grund dafür fragst, anstatt noch stärker nachzubohren.“ Frage die Person, wieso sie sich mit solchen Unterhaltungen so unwohl fühlst. Vermutlich lernst du sie allein dadurch schon besser kennen. Und auch hier kann es sich lohnen, wenn du den ersten Schritt machst: Wenn du eine bestimmte Frage stellst, sprich erstmal über deine eigenen Gefühle und Erfahrungen, anstatt deine:n Partner:in direkt zu konfrontieren.
Geld ist ein schwieriges Thema, aber leider eines, um das innerhalb einer Beziehung kein Weg herum führt – und je früher wir es ansprechen, desto besser.
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