Anna-Beeke Gretemeier ist 30 Jahre alt und gerade weiter in der Führungsriege bei stern.de aufgestiegen. Dort hat sie den Posten der stellvertretenden Chefredakteurin übernommen. Und sofort geht natürlich Getuschel durch die Medienbranche: Frauenquote hier, „so jung!“ da. Das interessiert sie aber alles gar nicht, „Tatsachen schaffen“ ist ihre Devise. Sie ist mit Fleiß, Mut und Köpfchen dorthin gekommen, wo sie heute steht – dass sie eine Frau ist? Nebensache! Ihr Spezialgebiet? Neue Wege gehen und Social Media und Bewegtbild zum konsequenten Teil der Erfolgsgeschichte von stern machen.
Das Gefühl, sich als Redakteurin in einer Männerdomäne durchsetzen zu müssen, hatte sie dabei eigentlich nie: „Bei mir war es oft eher umgekehrt: An den Meetingtischen in den Konferenzen saßen genauso viele Frauen wie Männer. Meistens waren wir Mädels sogar in der Überzahl.“ Für die Debatte wünscht sie sich, dass der Unterschied nicht jedes Mal herausgearbeitet werden muss. „Ich muss sagen, in den Redaktionen, in denen ich bisher arbeiten durfte, fühlte sich das bereits selbstverständlich an. Es gibt so viele tolle Kolleginnen – voller Power und Visionen. Ich selbst habe mich immer an Führungskräften orientiert, die mir fachlich imponiert haben – unabhängig vom Geschlecht. Ob Frau oder Mann, das spielt doch keine Rolle.“
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Nach ihrer journalistischen Ausbildung an der Axel-Springer-Akademie arbeitete Anna zunächst als Printredakteurin. Anfang 2010 war digitaler Journalismus längst nicht so selbstverständlich wie jetzt. Die Vision zu haben, dass Geschichten nicht mehr auf gedrucktem Papier erzählt werden müssen, war damals schon ziemlich Rock’n’Roll. Bevor sie 2014 zum stern ging, baute Anna unter anderem die Videoabteilung bei bild.de mit auf.
Die Herausforderung, Inhalte mit Hilfe von Bewegtbild und Social Media ein neues Gesicht zu geben, begeisterte sie von Anfang an. Schnell wurde sie auch in der stern-Redaktion zur Ansprechpartnerin für alles, was crossmedial erzählt werden sollte.
Anna probierte neue Formate aus – und hatte Erfolg. „Mir macht der Job so einfach irrsinnig viel Spaß“, sagt sie, wenn sie über ihre Schwerpunktthemen Bewegtbild und Social Media spricht.
„Gerade, weil Ausprobieren mit sich bringt, dass nicht immer alles von vornherein perfekt sein und alles sofort durchstarten muss. Wir kommen als Team erst mal gemeinsam ins doing, experimentieren – darauf haben glücklicherweise auch alle Beteiligten Lust. Wir haben so den Vorteil, beobachten zu können, wo die Reise hingeht. Das sehe ich als Schlüssel zum Erfolg. Niemand muss von vornherein voller Erfolgsdruck in die Projekte starten. Es geht darum, als Team eine Geschichte zu erzählen. Jedes einzelne Format erfordert ganz individuelle Stärken. Jeder bekommt seinen Part und darf an unterschiedlichen Stellen glänzen.“
Dass sich aus genau dieser Herangehensweise eine Führungsposition ergeben würde, stand zu Beginn ihrer Karriere keineswegs fest. Professoren, die Sätze wie „Ihr seid die Elite von morgen“ in ihre Ansprachen mit aufnahmen, gab es während ihrer Ausbildung nicht. „Ganz im Gegenteil, uns wurde gesagt: ‚Ihr seid eine oder einer von vielen. So viele Menschen wollen in die Medien und genau den Beruf ausüben, von dem ihr träumt – also stellt euch hinten an.‘ Das war der Tenor“, erinnert sich Anna. An ihrer Jobwahl hat sie trotzdem nie gezweifelt: „Ich wollte schreiben und Verantwortung übernehmen. Nach meinem Praktikum in der Lokalredaktion bei Bild Hamburg wusste ich: Der Job des Journalisten ist der beste überhaupt und genau den will ich machen.“
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Die Rolle der stellvertretenden Chefredakteurin bei stern.de ist nicht Annas erste Führungsposition. Und es ist nicht das erste Mal, dass sie in dieser Position nur unwesentlich älter ist als viele Mitglieder ihres Teams. „Mit 24 Jahren war ich bei bild.de das erste Mal Teamlead und mit Abstand die Jüngste im Ressort“, erzählt Anna. „Als das bekannt gegeben wurde, war ein Gedanke: Wow, das fliegt mir jetzt um die Ohren. Aber es kam ganz anders: Alle haben sich ehrlich für mich gefreut und wir haben gemeinsam wirklich super performt.“ Heute gehört es zu ihren Grundsätzen als Chefin, jedes einzelne Teammitglied zu stärken. „Mir ist wichtig, dass mein Team jeden Tag spürt, dass auch die Chefin Lust auf den Job hat. Ich möchte meinen Kolleginnen und Kollegen außerdem das Gefühl geben, dass ich immer für sie da bin, wenn sie mich brauchen. Sie sollen wissen, dass sich der Einsatz für jede und jeden lohnt und die ganze Redaktion von ihren Stärken profitiert.“
Dabei geht es nicht nur um Performance, sondern auch um offene Kommunikation: „Ich bin ein großer Freund von Transparenz und halte nichts von Geheimniskrämerei. Ich glaube, ein Phänomen unserer Generation ist, dass sie gerne öffentlich applaudiert, sich aber auch selbst über Applaus freut. So kommunizieren wir in sozialen Netzwerken wie Facebook, Instagram und Twitter täglich: Wir haben Bock darauf, gelobt zu werden, aber auch Bock, genau dieses Lob weiterzugeben. Das gleiche gilt natürlich auch für Kritik. Wir setzen uns schon wahnsinnig viel mit uns selbst auseinander“, stellt Anna grinsend fest.
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Journalismus ist für sie nie abgeschlossen, sondern ein Prozess. „Wenn etwas Neues im Raum steht, bin ich sofort fasziniert“, erklärt sie. „Ich bin generell ein sehr begeisterungsfähiger Mensch, der Veränderungen positiv sieht. Das ist für mein direktes Umfeld vielleicht nicht immer einfach. Ich habe den Antrieb, mich nicht auf etwas auszuruhen, sondern mich und unsere Marke immer wieder neu zu erfinden – und das bedeutet, zwangsweise neue Wege zu suchen und sie dann auch zu gehen. So unbequem das manchmal auch sein mag. Ganz wichtig: Sei bereit, immer wieder deine Komfortzone zu verlassen. Nur so kannst du dich weiterentwickeln und behältst den Spaß bei der Sache! Darauf kommt es am Ende schließlich auch an. Nur wer gerne tut, was er macht, wird auch wirklich gut darin.“
Welchen Rat sie sich als Chefin geben würde, wenn sie heute noch einmal Praktikantin wäre? „Hab Freude am Schreiben, hab Spaß, die großen Geschichten zu finden. Und trau dich, deine eigenen Themen vorzuschlagen.“ Genauso geht Anna heute mit ihrem Team an Geschichten heran. „Alles, was Menschen bewegt, ist relevant“, erklärt sie dazu schlicht. „Als Journalisten müssen wir uns mit sämtlichen Aspekten der Gesellschaft und des Lebens auseinandersetzen. Das war schon immer eine der ganz großen Stärken des stern: Ganz nah dran sein.“
In der Auseinandersetzung mit völlig unterschiedlichen Menschen liegt die Faszination für ihre Arbeit. „Das habe ich schon früh so empfunden“, erzählt Anna. „Jedes einzelne Teammitglied ist ein ganz individueller Charakter mit eigenen Wertvorstellungen und so entstehen erst die Diskussionen, aus denen am Ende gute Inhalte werden.“
Deshalb sind klassischer Print-Journalismus und digitale Inhalte nicht zwei Welten, sondern einfach nur unterschiedliche Stile mit einer gemeinsamen Basis: „Du kannst an jeder Ecke eine Geschichte finden“, erklärt Anna. „Du darfst nur den Blick dafür nicht verlieren. Und musst wissen, über welche Kanäle du am Ende dann auch deine Leser erreichst.“
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