Hochzeiten sind eine teure Angelegenheit. Für die Gastgeber und für die Gäste. Junggesellenabschiede, festliche Kleider, An- und Abreisen, Hotelübernachtungen und Geschenke, all diese Dinge kosten Geld. Als Hochzeitsgast nimmt man das gerne in Kauf, um beim schönsten Tag im Leben seiner Freunde mit dabei zu sein. Doch wenn das Hochzeitspaar sich übernimmt und nicht auf die Traumlocation oder das Topcatering verzichten möchte, zeichnet sich ein neuer Trend ab. Immer öfter legen Braut und Bräutigam nämlich die zusätzlichen Kosten um und lassen die Gäste für die Drinks auf ihrer Hochzeit zahlen.
Dieser Trend lässt sich vor allem in Großbritannien beobachten. Die 29-jährige Sandra aus London berichtet von zwölf Hochzeiten, die sie in den letzten zweieinhalb Jahren besucht hat. Und auf jeder einzelnen sollte sie für ihre Drinks selbst zahlen.
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Dass es sich dabei nicht nur um eine Marotte innerhalb ihres Freundeskreises handelt, bestätigt eine Studie der App Bridebook. Nur 21% der britischen Paare haben auf ihrer Hochzeit aktuell noch eine Bar, an der die Gäste sich gratis so viele Getränke bestellen können, wie sie wollen. Für Leute, die sich außerhalb dieser Bevölkerungsgruppe befinden, ist das Phänomen weniger bekannt. Die 39-jährige Marisa hat für ihren Job als Beraterin schon an vielen Orten gelebt: Paris, Vancouver, Litauen und Südspanien. „Ich war schon auf vielen Hochzeiten in vielen verschiedenen Ländern. Und überall ist es Gang und Gäbe, dass für alles bezahlt wird. In Frankreich wäre es ein absolutes Unding, die Gäste für Drinks zahlen zu lassen. Undenkbar.“
Auch für Geraldine, die in den Neunzigern geheiratet hat, als sie gerade 22 Jahre alt war, stand es nicht zur Debatte, die Gäste für Essen oder Getränke zahlen zu lassen. Der Ablauf damals war noch sehr viel festgelegter als heute. „Wenn man geheiratet hat, dann entweder in der Kirche oder auf dem Standesamt. Danach ging es in ein Hotel zur Hochzeitsfeier. Das Programm war sehr klar strukturiert, da blieb kaum Platz für Individualität. Den Preis für das Gesamtpaket der Feierlichkeiten bekamen wir vom Hotel vorgeschrieben, und wir haben gar nicht daran gedacht, irgendwas zu ändern oder anzupassen. Damals waren eben alle Hochzeiten sehr ähnlich.“
Heutzutage hat sich das geändert. Paare, die heiraten, haben endlos viele Optionen, und viele nutzen diese Freiheiten, um ihrer Kreativität freien Lauf zu lassen. Aus der Bridebook-Umfrage ging hervor, dass im Jahr 2016 eine von fünf Hochzeiten ein spezielles Hashtag hatte, unter dem Gäste Bilder und Videos der Feierlichkeiten posten konnten.
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Der Gründer Hamish Shephard denkt, der Grund für die immer individuelleren Hochzeiten liegt genau darin begründet, dass die heutigen Brautpaare sich der Bildsprache ihrer Feier wesentlich bewusster sind als die vorherigen Generationen. „Paare bezahlen häufig mehr für ihre Hochzeit als das Budget zulässt, sodass die zusätzlichen drei- bis viertausend Pfund für Drinks einfach nicht mehr drin sind. Deswegen lassen sie ihre Gäste immer häufiger selbst für die Getränke zahlen. Dem Spaß des Brautpaares tut das keinen Abbruch, und jeder Gast zahlt einen kleinen Beitrag zu einer gelungenen Party.“ Joe Blackman arbeitet seit zehn Jahren als Wedding Planner. Er sieht die Entwicklung genauso: „Viele Hochzeitspaare stehen vor der Entscheidung, ob sie ihre Traumlocation wählen und Blumen dekorieren, oder ob sie ihren Gästen die Drinks bezahlen. Sie geben schon so viel Geld aus, dass es schwierig ist, eine weitere große Ausgabe wie Gratisgetränke anzubieten.“
Aber nicht nur für Brautpaare wird das Heiraten immer kostspieliger, für Hochzeitsgäste sieht es genauso aus. Sandra hat, wie am Anfang bereits gesagt, zwölf Hochzeiten besucht und erzählt: „Zuerst gibt es einen Junggesellinenabschied, für den man meist verreisen muss. Entweder ist es direkt ein Kurzurlaub auf eine Insel, oder immerhin ein Wochenende irgendwo auf dem Land. Man zahlt also schon mal für die An- und Abreise, die Unterbringung und alle Aktivitäten vor Ort. Dann erst kommt die Hochzeit, die meistens auch nicht in London stattfinden. Auch da muss man also wieder mit dem Zug hinfahren und dann eine Nacht im Hotel schlafen. Dazu kommen Taxikosten vom Hotel zur Hochzeitslocation, und schlussendlich braucht man auch für jede einzelne Hochzeit ein neues Kleid. Man kann nicht mit dem gleichen Kleid zu zwei verschiedenen Hochzeiten desselben Freundeskreises aufkreuzen, das geht einfach nicht. Und dann braucht man noch ein Geschenk, und zahlt, wie in meinem Fall, für die Drinks.“ Darüber hinaus war Sandra auch noch zweimal Brautjungfer, was die Kosten zusätzlich in die Höhe trieb. Alles in allem schätzt sie den Betrag, den sie bisher in die Hochzeiten anderer Leute gesteckt hat, auf 5000 Pfund, was in etwa 5700 Euro entspricht. Aktuell plant sie ihre eigene Hochzeit, und ironischerweise fehlt ihr nun in etwa dieser Betrag, um ihre Gäste mit kostenlosen Getränken zu versorgen. Trotzdem hat sie, indem sie für ihre Drinks selbst bezahlt hat, gerne ihren Teil zu den Partys ihrer Freunde beigetragen. Und zwar unabhängig davon, wie extravagant diese ausgefallen sein mögen. „Ich bin es mittlerweile so gewohnt, auf einer Hochzeit für meine eigenen Getränke zu zahlen, ich wäre fast geschockt, wenn es mal nicht so wäre. Klar wäre das schon schön, aber irgendwie wäre es mir auch unangenehm. Ein bisschen so, als würde jemand bei einem gemeinsamen Abendessen mit Freunden einfach so die ganze Rechnung bezahlen. Also, ja, vielen Dank, aber wieso haben wir die Rechnung nicht einfach aufgeteilt? Guter Alkohol ist ziemlich teuer, und meine Freunde trinken nicht gerade wenig. Auf einer Hochzeit bekommt man ein tolles Menü und dazu begleitend ein paar Getränke, aber alles was darüber hinaus geht, kann man in meinen Augen schon auch selbst bezahlen. Es ist ja schließlich jedem selbst überlassen, wie viel sie oder er bei der Party trinken möchte.“
Die 26 Jahre alte Abi hat letztes Jahr geheiratet. Sie und ihr Ehemann hatten ein recht kleines Budget von 6000 Pfund (etwa 6800 €) und haben sich deswegen gegen Gratis-Drinks bei der Feier entschieden. „Wir haben gespart, wo es ging. Unsere Location haben wir über einen Deal bei Groupon günstiger bekommen, und auf Blumen haben wir gleich ganz verzichtet, die sind einfach zu teuer. Jeder Hochzeitsgast hat ein Abendessen und dazu Getränke bekommen, aber alles darüber hinaus wäre einfach nicht drin gewesen.“ Ihr war es aber auch wichtig, dass sich ihre Gäste finanziell nicht übernehmen und einen schönen Tag auf der Hochzeit verbringen konnten, ohne sich Gedanken über zu viele Kosten zu machen. Deswegen haben sie und ihr Mann ausdrücklich auf Geschenke verzichtet und die Hochzeitslocation so gewählt, dass An- und Abreise sowie Unterbringung für alle bezahlbar war.
Junge Paare in Großbritannien legen immer größeren Wert auf einzigartige Hochzeiten, und dass es ihnen zugegebenermaßen wichtiger ist, dass die Partys auf Instagram gut aussehen, als dass sie dabei an alten Traditionen festhalten, ist kein Geheimnis. Aber oft bedeutet das eben Extrakosten. Da die Brautpaare hier jedoch alle im gleichen Boot sitzen, scheint es immer normaler zu werden, seine Gäste für die Drinks zahlen zu lassen. Und nicht nur die Gastgeber scheinen dieses Modell zu begrüßen, auch für viele Gäste ist es angenehmer, ihre Getränke selbst zu zahlen. Denn erstens können sie so ihren Teil zum Fest beitragen, ohne sich Gedanken um ein angemessenes Geschenk machen zu müssen, und zweitens können sie bei ihrer Hochzeit ebenso verfahren und ihr Budget ohne schlechtes Gewissen in eine traumhafte Location und Dekoration stecken. Also eine Win-Win-Situation für alle, oder? Ob sich der Trend jedoch weltweit durchsetzt, bleibt abzuwarten.