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Mama mit Baby am Busen – alles ganz natürlich & halb so wild, liebe Mitmenschen!

Illustration: Ly Ngo.
Es gibt viele Mythen und Tabus rund um die Themen Kinderkriegen und -haben; Stillen gehört dazu. Zumeist entweder romantisiert oder angeheizt durch Horrorgeschichten über entzündete Brustwarzen, Ausbleiben der Milch, gesellschaftliche Ausgrenzung oder Verlust der eigenen Unabhängigkeit, beschränkt sich die Debatte wie so oft faktisch auf Schwarz oder Weiß. Dazwischen gibt es kaum etwas, vor allem das Attribut „normal“ scheint in dem Zusammenhang noch in weiter Ferne.
Dennoch ist man sich in einer Sache mittlerweile einig: Muttermilch ist laut Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte unangefochten das beste fürs Baby. Neben den gesundheitlichen Vorteilen ist auch die psychische Komponente nicht außer Acht zu lassen, denn Stillen fördert nachweislich die Mutter-Kind-Beziehung. Ob, wie, wo und vor allem wie lange ein Baby gestillt wird, muss jede Mutter selbst entscheiden, insofern nicht aus medizinischen Gründen etwas gegen das eine oder das andere spricht.
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Warum aber werden Frauen trotzdem noch immer schief angeschaut, wenn sie in der Öffentlichkeit ihre Busen auspacken, um ihr Baby zu stillen?

Jetzt ist es aber nun mal so, dass es gerade gegenüber jungen Müttern gerne gut gemeinte Ratschläge hagelt – natürlich völlig unabhängig davon, ob diese auf eigenen Erfahrungen basieren oder lediglich angelesen sind. Das Internet strotzt ohnehin nur so vor Foren, die bis unter die Taskleiste vollgepackt sind mit Tipps und Tricks. Eigentlich sollten wir ja also wirklich Bescheid wissen, oder? Warum aber werden Frauen trotzdem noch immer schief angeschaut, wenn sie in der Öffentlichkeit ihre Busen auspacken, um ihr Baby zu stillen?
Ich selbst bin seit vier Monaten Mama und stille voll. Bis auf die obligatorischen ersten Anlaufschwierigkeiten hatte ich keinerlei Probleme damit – im Gegenteil, ich genieße es in vollen Zügen. Dass das nicht selbstverständlich ist, weiß ich. In meinem Umfeld haben sich viele Frauen nämlich ganz bewusst gegen das Stillen entschieden – aus unterschiedlichen Gründen. Und doch höre ich oft denselben: weil sie sich unangenehme Blicke in der Öffentlichkeit ersparen möchten. Bei der Aussage versetzt es mir regelmäßig einen Schlag in die Magengegend. Wie bitte? Mir ist bewusst, dass ich offenbar mit einem sehr gesunden Frauenbild aufgewachsen bin und deswegen noch nicht einen Gedanken daran verschwendet habe, wie es den anderen gehen könnte, wenn ich in der Öffentlichkeit blank ziehe.
Illustration: Ly Ngo.
Lediglich die Wahl eines stillfreundlichen Outfits beschäftigt mich jeden Tag aufs Neue. Sicher, das Stillen in der Öffentlichkeit ist natürlich nicht immer einfach, insbesondere weil mein Sohn ein echter Busenakrobat ist und damit natürlich nur noch mehr Aufmerksamkeit auf mein Dekolleté zieht. Mir macht das nichts, aber was ist mit meinen Mitmenschen?
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Angeheizt wird die Diskussion gerade aufgrund einer aktuellen Werbekampagne von Baby Dove – eine Hautpflege-Linie von Unilever – in England, die derzeit jede Menge Kritik in Mama-Foren und auf diversen Social Media-Kanälen erntet. Die Kampagne schmückt folgender Text: „75 Prozent sagen, Stillen in der Öffentlichkeit sei okay. 25 Prozent sagen: Packt die Brüste ein. Wie seht ihr das?“ Der Vorwurf aus den Communities: Nicht nur, dass die Herkunft der Statistik fragwürdig ist, es ist auch mehr als enttäuschend, dass eine Marke wie Dove den Diskurs aus offenbar reinen Marketing-Gründen überhaupt heraufbeschwört, denn in England (im Gegensatz zu Deutschland oder Österreich) gilt: öffentliches Stillen ist gesetzlich geregelt und ausdrücklich erlaubt.

Meine Erfahrung: je unbefangener ich selbst mit dem Stillen umgehe, umso selbstverständlicher reagiert auch das Umfeld. Dem Resonanzprinzip sei dank!

Hierzulande gibt es keine gesetzliche Regelung (warum eigentlich?), dennoch wird es allgemeinläufig zumeist geduldet. Ich selbst achte – wenn ich nicht gerade nur Augen für mein Baby habe – beim Stillen immer wieder auf die Reaktionen in meinem Umfeld und muss feststellen: gänzlich unbefangen steht unsere Gesellschaft dem Thema nicht gegenüber. Denn auch wenn die meisten Menschen versuchen, sich nichts anmerken zu lassen, spüre ich doch oft ihre Unsicherheit. Eigentlich können nur andere Mütter unbeeindruckt ein Gespräch fortsetzen und so weitermachen wie zuvor. Meine Erfahrung: je unbefangener ich selbst mit dem Stillen umgehe, umso selbstverständlicher reagiert auch das Umfeld. Dem Resonanzprinzip sei dank! Das hat natürlich auch sehr persönliche Gründe. Zugegeben hatte ich vorher keine besonders „gute“ Beziehung zu meinen Brüsten, eigentlich waren sie immer nur zu klein. Heute ist das anders! Sie sind es, die meinem Baby das Überleben sichern, die es nähren und satt machen und zum ersten Mal sehe ich sie mit anderen Augen und bin stolz auf sie. Ich wünschte, jede Frau könne so empfinden.
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Es müssen ja auch nicht gleich Lobgesänge und Danksagungen sein, nur ein bisschen mehr Normalität. Den Grundstein dafür legen wir Mamas allerdings selbst. Denn je selbstverständlicher wir damit umgehen, umso eher kann das Stillen zum öffentlichen Alltag werden. Wenn ich im Restaurant beispielsweise gefragt werde, ob ich mich lieber in eine ruhigere Ecke zurückziehen möchte, um mein Baby zu „füttern“, dann gilt dieses Angebot keineswegs ausschließlich meinem Komfort, sondern auch dem der Kellner und anderen Gäste. Ich lehne jedes Mal ab und bestelle mir stattdessen noch einen koffeinfreien Cappuccino oder ein alkoholfreies Bier. Nicht ausgrenzen lassen, einfach machen. Natürlich sorgt das manchmal für irritierte Blicke, manchmal aber auch für ein ehrliches Lächeln und hoffentlich am Ende dafür, dass wir uns alle ein bisschen weniger wichtig nehmen. Eine Mama mit Baby am Busen – alles ganz natürlich und halb so wild, liebe Mitmenschen.
Illustration: Ly Ngo.
Unter dem Hashtag #normalizebreastfeeding teilen weltweit mittlerweile immer mehr Frauen ihre Geschichte, auch prominente Mütter wie Candice Swanepoel. Immer wieder postet sie Fotos von sehr intimen Stillmomenten mit ihrem Sohn. Molly Sims, US-Sängerin Pink alias Alecia Moore oder Liv Tyler tun es ihr gleich. Hashtags wie #mothernature“ oder #normalizebreastfeeding haben alle dieselbe Message: Stillen gehört zu unserem Alltag und es wird Zeit, dass wir es nicht mehr zum Thema machen müssen. Man sollte ohnehin meinen, dass wir 2017 eigentlich längst soweit wären, immerhin haben sich bereits Gisele Bündchen und Miranda Kerr dafür eingesetzt. 2015 veröffentlichte die australische ELLE sogar die stillende Nicole Trunfio auf der Titelseite ihrer Juniausgabe. Was damals für jede Menge Aufruhr sorgte, käme aber leider auch heute nicht minder einem Pioniersakt gleich. Denn auch 2017 – zwei Jahre später – sorgt ein Bild auf dem ein entblößter Busen neben dem Kopf eines Babys erscheint noch für so manche Kontroverse. Schade!
Dennoch gibt es vor allem im Netz mittlerweile genug Frauen, die ihre (teilweise selbst schwierigen Erfahrungen) offen zum Thema und damit anderen Mut machen. Auch die Plattform normalizebreastfeeding.org trägt dazu bei, dass das Thema zunehmend mehr Aufmerksamkeit bekommt. Fehlt eigentlich nur noch, dass auch im echten Leben noch mehr Mamas Courage beweisen und wir den Diskurs zeitnah und ein für allemal zu den Akten legen können. Auf dass unsere Töchter ungläubig den Kopf schütteln mögen, wenn wir ihnen davon erzählen.

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