Kristina Hänel (61) arbeitet seit 1981 mit großer Leidenschaft als Allgemeinmedizinerin. Jetzt steht sie vor Gericht, und zwar aus Gründen, die einer modernen und emanzipierten Gesellschaft wie unserer, mehr als schleierhaft erscheinen.
Hänel ist die einzige Ärztin, die in der hessischen Kleinstadt Gießen Schwangerschaftsabbrüche durchführt. Nach § 218 ist dies unter Berücksichtigung der Beratungsregelung seit 1976 bis zur zwölften Schwangerschaftswoche legal möglich.
Dennoch: Auch in Deutschland wird eine Abtreibung zunächst als Straftat behandelt, die nur unter Einhaltung bestimmter Voraussetzungen nicht rechtlich verfolgt wird. Auf ihrer Website informiert Kristina Hänel deshalb sachlich und korrekt über alle Voraussetzungen, Methoden und Risiken eines Schwangerschaftsabbruchs. Die Ärztin sieht sich gewissermaßen in der Pflicht, betroffene Frauen über den medizinischen Eingriff einer Abtreibung aufzuklären und damit auch eine medizinisch korrekte Versorgung sicherzustellen.
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Genau das machen ihr verschiedene Abtreibungsgegner*innen, wie etwa die Initiative „Nie wieder!“ oder die Webseite babykaust.de (auf der Abtreibungen mit dem Nazi-Verbrechen des Holocausts verglichen werden) nun zum Vorwurf und zeigten die Ärztin bereits im vergangenen Jahr an, weil sie öffentlich für Abtreibungen werbe. Hänel ist das gewöhnt. Immer wieder wurde sie angezeigt – zu einem Prozess kam es bisher aber nie. Bis jetzt. Denn ab dem 24. November muss sich die Ärztin nun tatsächlich vor Gericht verantworten, da sie angeblich gegen § 219a verstoßen hat, der eben besagt, dass man für den Abbruch von Schwangerschaften nicht öffentlich Werbung machen darf. Das tut Hänel ganz gewiss nicht, da sie die Informationen nur per Mail zur Verfügung stellt.
„Auf meiner Homepage ermögliche ich Interessierten, über einen Link Informationen zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch zu erhalten. Ich informiere über die gesetzlichen Voraussetzungen sowie über die Methoden und Risiken des Schwangerschaftsabbruchs. Außerdem ermögliche ich Interessierten ein persönliches Gespräch.“
Dass ein Fall wie dieser im Jahr 2017 vor Gericht geht, zeigt, wie dringend wir eine Reform der betreffenden und längst überholten Gesetze benötigen. Denn Kristina Hänel wirbt nicht für die Abtreibung, sondern klärt sehr gewissenhaft auf. Sie steht für Gesundheit, Frauenrechte und Entscheidungsfreiheit ein. In einer Petition auf Change.org fordert sie all dies aktuell ein. Unserer Meinung nach sollte man ihr das hoch anrechnen.
In Deutschland haben bis Mitte 2017 bereits mehr als 50.000 Frauen abgetrieben. Nach unserer derzeitigen Gesetzgebung, die eine Abtreibung als Straftat bezeichnet, sind all diese Frauen kriminell geworden. Hänel erhält von vielen Seiten Zuspruch und Unterstützung. Zu Prozessbeginn wurden bereits mehrere Demonstrationen angemeldet, die ihre Solidarität zeigen und die Absurdität des Vorwurfs demonstrieren wollen.